Die dicken Druckbuchstaben, die das Kind mit Bleistift auf ein Blatt Papier geschrieben hat, tanzen manchmal ein wenig aus der Reihe. Die Botschaft jedoch ist deutlich.
„Liebe Politiker:innen“, steht da. „Ich bin sauer, weil Frau Adams gehen soll. Sie ist die beste Lehrerin der Welt.“ Auch Herr Joseph sei „der beste Lehrer der Welt im Sport“. Wenn die Lehrer gehen sollten, schreibt das Kind, „bin ich traurig.“ Auf der Rückseite des Zettels ist ein großer schwarzer Teufel mit roten Hörnern zu sehen. Darüber steht: „Ich bin dann teuflisch sauer!“
Die Jungen und Mädchen der Georgschule – einige von ihnen kommen aus Schwerte – ergreifen gerade die Initiative. Denn die Schülerinnen und Schüler der Waldorf-Förderschule in Dortmund-Brünninghausen setzen sich für vier ihrer Lehrkräfte ein, deren Unterrichtsgenehmigung wegen einer Verordnung des Schulministeriums gefährdet ist. Wir haben mehrfach darüber berichtet.

Unterschriftensammlung
Felix (16) ist einer derjenigen, die sich nicht damit abfinden möchten, dass ihre Lehrkräfte vielleicht bald die Schule verlassen müssen. Er geht in die Klasse von Martin Frische und hat auch Unterricht bei Esther Adams. „Mein Freund und ich haben darüber gesprochen, dass wir auch etwas machen wollen. Vielleicht bringt es ja was. Wir haben schon 100 Unterschriften gesammelt“, sagt er stolz und zeigt seine Listen.
„Wir wollen nämlich, dass alle hier bei uns bleiben. Es wäre schon richtig blöd, wenn wir die Lehrer verlieren würden, die wir so nett finden.“ Am liebsten, sagt Felix, würde er persönlich nach Düsseldorf fahren und die Bilder und Briefe dort abgeben.

Englischlehrerin Esther Adams (26) ist ganz überrascht und freut sich über die Aktion der Kinder. „Wir finden das ganz toll, zu sehen, dass die Kinder so etwas auf die Beine gestellt haben“, sagt die 26-Jährige. Sie zeigt auf einen weiteren Brief, in dem Martin Frische erwähnt wird. „Ich mag ihn so sehr“, schreibt der Schüler. „Er ist voll cool.“
Der „Lieblingslehrer“ sei auch lustig, manchmal müsse man über ihn lachen. Der Junge bittet darum, dass Herr Frische nicht „aus der Schule gehen soll“. Weil Frische Medienpädagogik unterrichtet, hat der Junge ein Mikrofon und Kopfhörer daneben gezeichnet. Auch „Herr Joseph“, der mit vollem Namen Jasper Joseph heißt und „gut Sport macht“, wird von den Kindern mehrfach erwähnt.
Alle haben sich beim Aufsetzen ihrer Briefe merklich Mühe gegeben. Martin Frische sagt: „Ich war sehr gerührt. Manche unserer Kinder sind eher still und zurückhaltend. Und jetzt haben sie diese Briefe geschrieben.“ Auch Stefan Sonnabend, Lehrer und Geschäftsführer der Georgschule, ist ergriffen. „Das war die Idee unserer Kinder“, betont er. „Wir würden sie nie instrumentalisieren. Sie sind ganz von allein darauf gekommen.“

„Es ist schon schäbig“
In einer Ausschuss-Sitzung im Düsseldorfer Landtag hatte NRW-Schulministerin Dorothee Feller am 15. März nach langer Diskussion mit Abgeordneten angekündigt, die Situation der Lehrkräfte prüfen zu wollen. Als Seiteneinsteiger müssten sie erst ihre zweijährige Zusatzqualifikation komplett abschließen. Vorher dürften sie nur unter Aufsicht unterrichten – ohne dafür bezahlt zu werden. Diese Verordnung war in den vergangenen Jahren eher „großzügig“ interpretiert worden.
Arbeiten ohne Bezahlung – diese Option haben Martin Frische und die 50 weiteren NRW-weit betroffenen Lehrkräfte nicht. Und auch die Zeit rennt ihnen davon. Martin Frische sagt: „Eigentlich muss ich mich jetzt schon woanders bewerben. Bevor irgendwann eine ‚zeitnahe‘ Prüfung erfolgt, und die wird dann wieder in einer Sitzung diskutiert.“ Esther Adams sagt das auch: „Lange warten kann man jetzt einfach nicht.“ Beide befürchten, dass es vielen Kolleginnen und Kollegen so geht.
Das Schulministerium hatte kürzlich auf Anfrage erklärt, vorerst könne man noch keine Aussagen zum Verbleib der Lehrkräfte treffen. Martin Frische hat dafür kein Verständnis: „Die wissen doch, dass die Zeit drängt. Es ist schon ein bisschen schäbig, das jetzt auf die lange Bank zu schieben.“ Umso mehr freut es die Erwachsenen, dass die Kinder und Jugendlichen auf ihrer Seite sind. Und die bringen es schließlich auf den Punkt. Sie sind „teuflisch sauer“.

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