Die Kinder und Jugendlichen, die die Georgschule in Dortmund-Brünninghausen besuchen, sind beunruhigt: Vier Lehrkräfte, die seit Jahren als Quereinsteiger an der Waldorf-Förderschule einen guten Job machen, müssen zum Schuljahresende vielleicht gehen – wegen einer Verordnung, die zuvor jahrelang großzügig interpretiert worden war.
Wir hatten darüber berichtet: Auch Schwerter Schülerinnen und Schüler wie Pauline (18) und Gianluca (15) wären betroffen, wenn Martin Frische und drei weitere Lehrkräfte die Schule verlassen müssten – und das in Zeiten des Lehr- und Fachkräftemangels. Was Schulministerin Dorothee Feller (CDU) jetzt dazu gesagt hat, sorgt bei vielen Abgeordneten für Unverständnis.
Ausschuss für Schule und Bildung
Denn am Montag (15.3.) hat eine öffentliche Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung des Landtags in Düsseldorf stattgefunden. Darin hatten laut Audio-Protokoll, das unserer Redaktion vorliegt, mehrere Landtagsabgeordnete die Problematik angesprochen, die in NRW viele Waldorf-Förderschulen betrifft.
Trotzdem sprach Ministerin Dorothee Feller zunächst davon, „Einzelfälle“ prüfen zu wollen, speziell ginge es ja um eine Waldorf-Förderschule in Wuppertal. „Wir würden uns diesen Einzelfall gerne nochmal angucken wollen und gucken, ob man eine spezielle Lösung dort nochmal bekommt“, heißt es im Protokoll vonseiten der Ministerin.
Doch es geht nicht nur um eine Schule: An insgesamt 14 Waldorf-Förderschulen in NRW sind 50 Seiteneinsteiger betroffen, deren zweijährige sonderpädagogische Zusatzausbildung zwar läuft, aber noch nicht abgeschlossen ist – und die deshalb neuerdings keine Genehmigung mehr erhalten. Waldorf-Förderschulen sind mit insgesamt 450 Lehrkräften (davon 250 Seiteneinsteiger) besonders vom Lehrkräftemangel betroffen.

„Völlig unbegreiflich“
„Die Ministerin hat sich um Kopf und Kragen geredet“, sagt die SPD-Landtagsabgeordnete und schulpolitische Sprecherin Dilek Engin. Ihre Fraktion hatte vor der Sitzung schriftlich angefragt, wie die Landesregierung die Schulen zu unterstützen gedenke.
Die Antwort: Es drohe kein Verlust von bestehendem Personal. „Lehrkräfte, deren Einsatz befristet oder unbefristet genehmigt wurde, können dementsprechend im Rahmen der einmal erteilten Unterrichtsgenehmigung weiterhin unterrichten. Alle Lehrkräfte, die im Besitz einer (un-)befristeten Unterrichtsgenehmigung sind, genießen Bestandsschutz.“
Doch was genau bedeutet das? Dilek Engin hakt in der Sitzung mehrfach nach. Sie möchte wissen, ob die betroffenen Lehrkräfte ohne abgeschlossene Zusatzausbildung überhaupt unter den Bestandschutz fallen. Und sie fragt: „Erhalten Lehrkräfte mit einer befristeten Unterrichtsgenehmigung im Anschluss erneut eine Genehmigung, bis sie ihre Zusatzausbildung abgeschlossen haben?“
Auch FDP-Abgeordnete Franziska Müller-Rech schließt sich der SPD an. „Es handelt sich bei den Schülerinnen und Schülern an den Förderschulen um die Schwächsten in unserer Gesellschaft, die die meiste Unterstützung brauchen“, sagt sie. Es sei ihr „völlig unbegreiflich“, dass man Lehrkräften, die bereits im System seien, den „Weg zur Tür weise“.

Keine eindeutige Antwort
Die Ministerin liefert darauf keine eindeutige Antwort, sondern verweist auf die rechtliche Lage. Dann lenkt sie ein: Man werde sich alle Fälle angucken, nicht nur in Wuppertal. Kinder zu unterrichten sei aber ein wichtiges Gut, „und deswegen müssen wir noch ein bisschen gucken, wer unterrichtet denn da. Ich glaube, da sollten wir auf eine Qualität auch schon achten wollen“, heißt es im Protokoll.
Eine Aussage, die Dilek Engin, die als Oberstudienrätin gearbeitet hat, aufregt. „In der gleichen Sitzung ging es auch noch um Vertretungslehrkräfte. Da weiß das Ministerium nicht einmal, wer die sind, das obliegt allein den Schulleitungen. Und Vertretungskräfte geben den Kindern Zensuren.“ An der Stelle gebe es keinen Überblick, während an den Waldorf-Förderschulen bewährte Lehrkräfte seit Jahren unterrichteten. „Das geht nicht, das ist ein Widerspruch in sich. Die Landesregierung hat einfach keinen Plan.“

Die Forderung der meisten Abgeordneten während der Ausschuss-Sitzung: Bis eine Prüfung erfolgt sei, müsse man die Lehrkräfte weiter unterrichten lassen – damit dort nicht „Systeme zusammenbrechen“, so die FDP.
Jochen Ott von der SPD nimmt die Ministerin in die Pflicht. Man begrüße die Prüfungen, doch sie müsse erst den Druck herausnehmen – ansonsten explodiere das. „Und dann haben Sie – das muss man leider sagen – ganz persönlich die Verantwortung im Schulministerium dafür, dass an diesen Schulen dann der Zustand eintritt, den wir jetzt in den Zeitungen, insbesondere in Dortmund und darüber hinaus aber gelesen haben.“
Wie genau die Prüfung der Einzelfälle aussehen soll, bleibt ebenfalls offen – und auch, ob die Schulleitungen selbst gefragt werden. Dorothee Feller sagt dazu im Ausschuss: „Wir werden mit den Bezirksregierungen sprechen und uns [...] erläutern lassen, wie dort die Praxis war, [...] und das werden wir jetzt herausfinden durch Gespräche. [...] Und dann werden wir eine gemeinsame Regelung finden, die praxisnah ist.“
Über die Gespräche und Prüfung der Fälle soll in der nächsten Ausschuss-Sitzung noch einmal gesprochen werden. Die Lehrkräfte der Dortmunder Georgschule und ihre Kolleginnen und Kollegen in NRW können also noch hoffen. Ebenso wie Gianluca und Pauline, die wie viele andere Kinder einfach ihre Lehrer behalten möchten.
Wir haben Schulministerin Dorothee Feller um eine Stellungnahme zu dem Thema gebeten. Sobald wir vonseiten des Schulministeriums eine Antwort über die Zukunft der Lehrkräfte an Waldorf-Förderschulen erhalten, berichten wir weiter.
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