Sebastian Mann (31) aus Schwerte wird nach Unfall Käse-Sommelier „Ein Wink des Schicksals“

Sebastian Mann (31) wird nach Schicksalsschlag Käse-Sommelier
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Stolz steht Sebastian Mann (31) hinter der Theke seiner kürzlich in der Schwerter Innenstadt eröffneten Fromagerie. Lebensfreude strahlt aus dem Geschäft. Neugierige Passantinnen und Passanten bleiben vor dem neuen Laden stehen oder werfen direkt einen Blick auf die Käse-Auswahl.

Doch der Weg des angehenden Käse-Sommeliers zu „Zebästijen’s Fromagerie“ war lang und steinig – ein Schicksalsschlag zerschmetterte seine ursprünglichen Berufspläne.

„Schlachthöfe sind erschreckend“

Der gebürtige Schwerter Sebastian Mann absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung zum Verkäufer und Einzelhandelskaufmann bei Kaufland, doch ihm fehlte etwas: „Der Umgang mit Frischfleisch existierte bei Kaufland nicht, deswegen habe ich die Ausbildung als Metzger angefangen.“ 2015 begann die neue Ausbildung in Bochum – inklusive Blut, Knochen und Fleischgeruch. „Ich hab da überhaupt keine Berührungsängste“, sagt der heute 31-Jährige.

Doch ein Anblick verschlug auch ihm die Sprache und machte es unmöglich, seine ansonsten übliche gute Laune zu bewahren: der Besuch von Schlachthöfen während seiner Ausbildung. „Im Ausland war es erschreckend, besonders die Geflügel-Schlachthöfe. Das war wie am Fließband – nicht schön anzusehen“, erinnert sich Sebastian Mann und wirkt noch heute betroffen.

Sebastian Mann verletzte sich an einer Knochensäge und zerteilte sich den Daumen.
Nach dem schrecklichen Unfall ist inzwischen nur noch eine fast verblichene Narbe auf dem Daumen zu erkennen. © Hella Horstendahl

Unfall mit der Knochensäge

Dennoch machte er weiter – bis ein Tag die gesamte Zukunft des Schwerters veränderte. „Das war der erste Tag, an dem die Metzgerin für meine Aufsicht nicht da war und ich die Verantwortung für die ganze Theke hatte. Dann war natürlich auch viel Trubel“, beginnt Sebastian Mann zu erzählen.

„Um kurz nach zwölf wurden Mark-Knochen verlangt, die gesägt werden mussten. Dann bin ich ins Kühlhaus, habe mir einen Oberschenkel-Knochen über die Schulter gelegt und bin zur Bandsäge gegangen.“ Dann passierte der schreckliche Unfall. „Da dies ein Unternehmen war, bei dem die Arbeit mit Handschuhen Pflicht war, bin ich am Knochen entlang gerutscht und in der Säge gelandet.“

Das Ergebnis: ein geteilter Daumen und der sofortige Abtransport ins Krankenhaus. Vor Ort wurde die Kapsel des Daumens zur Sicherheit zweimal von einer Assistenzärztin genäht, die sich zuvor verschiedene Meinungen eingeholt hatte – ein Fehler mit schwerwiegenden Folgen, wie sich später herausstellte. Der 31-Jährige hatte schon früh Bedenken: „Während der wochenlangen Reha kamen schon erste kleine Fäden aus dem Gelenk. Da wurde mir aber gesagt, dass das mal passieren könne.“

„Ich konnte kein Glas halten“

Lange Zeit war Sebastian Mann daraufhin körperlich eingeschränkt: „In den ersten zweieinhalb Jahren konnte ich mit der rechten Hand keine Wasserflasche und kein Glas halten. Das war einfach nicht möglich.“ Trotzdem betont der 31-Jährige, dass er im Klinikum sehr gut versorgt worden sei und dankt für die Hilfe. „Erstmal war ich froh, dass ich meinen Daumen behalten konnte. Und im Endeffekt kann die Assistenzärztin auch nichts dafür, weil sie ja die Handchirurgie befragt hatte“, erklärt er und wirkt trotz des Schicksalsschlags gefasst.

Der Schwerter versuchte nach dem Unfall zunächst, vorsichtig wieder in den Beruf einzusteigen, doch er habe schnell gemerkt: Es geht nicht. Neben der körperlichen Einschränkung sei auch die Säge, die den Unfall verursacht hatte, ein Hindernis für die Rückkehr in den Metzger-Beruf gewesen: „Bei den ersten Arbeitserprobungen hatte ich wirklich Panik. Ich bin in die Metzgerei und habe die Säge nur gehört und da wurde mir schon anders.“

Sebastian Mann steht an der Käse-Schneide von "Zebästijen's Fromagerie" in Schwerte.
Zurück am Messer: Die Wahrscheinlichkeit, sich an der Käse-Schneide zu verletzen, sei sehr viel geringer, sagt Sebastian Mann. © Hella Horstendahl

Neue Leidenschaft gefunden

Eine Alternative musste her, denn Sebastian Mann konnte so nicht mehr arbeiten. „Ich habe zufällig im Edeka in Dortmund angefangen. Das war eine ‚Heute-auf-morgen-Aktion‘“, erinnert er sich und lächelt. Zunächst habe er als Verkäufer gearbeitet und schließlich die Abteilung für Käse und Feinkost geleitet. Seine neue Leidenschaft für Käse-Produkte war erwacht.

Doch 11-Stunden-Schichten im Frischebereich im Supermarkt machten den jungen Schwerter nicht glücklich: „Dann habe ich mir irgendwann gesagt: Das kannst du auch für dich selber machen – und vielleicht wirst du damit auch glücklicher.“ Daraufhin hat Sebastian Mann am 8. Dezember 2023 sein eigenes Geschäft „Zebästijen’s Fromagerie“ an der Mährstraße eröffnet. „Im Moment glaube ich auch, dass das die richtige Entscheidung war“, sagt der 31-Jährige. Er strahlt und wirkt voller Zuversicht.

Ausbildung zum Käse-Sommelier

Hoch motiviert begann er parallel zu seinen Geschäftsplänen die Ausbildung zum Käse-Sommelier in einer Zweigstelle einer österreichischen Ausbildungsstätte. Sein Diplom hätte er bereits Anfang Dezember erlangen können, doch für ihn habe die Eröffnung des eigenen Ladens im Vordergrund gestanden. „Ende März werde ich wieder nach München fahren, um mich dann am 19. April diplomieren zu lassen“, sagt Sebastian Mann.

Anstelle von Fleisch- erwartet ihn nun beim Betreten des Geschäftes Käse-Geruch. Doch daran habe er sich schnell gewöhnt, so der Schwerter: „Am ersten Anlieferungstag war es sehr intensiv. Aber wenn ich jetzt in den Laden komme, freue ich mich über den Käse-Geruch.“

In seiner Fromagerie bietet Sebastian Mann Käse-Spezialitäten aus verschiedenen Ländern und selbstgemachte Frischkäse-Cremes an. Mit seinem neuen Laden möchte er zum einen finanziell unabhängig sein und zum anderen der Schwerter Innenstadt wieder Leben einhauchen: „Ich möchte der Schwerter Bevölkerung wieder eine kleine Kulinarik bieten können.“

Mit einem Augenzwinkern sagt er: „Im Nachhinein muss ich ganz ehrlich sagen, dass es vielleicht auch ein Wink des Schicksals war.“ Den Handschuhen und Knochensägen hat Sebastian Mann endgültig abgeschworen und setzt stattdessen lieber auf regelmäßiges Händewaschen und Schneiden mit dem Käsemesser.

Die Auswahl in der neuen Fromagerie von Sebastian Mann in Schwerte ist vielfältig
Die neue Fromagerie von Sebastian Mann an der Mährstraße soll eine Bereicherung für den Schwerter Einzelhandel sein. © Hella Horstendahl

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