Ab der Einmündung Dieckerhofsweg wird's illegal für den Autofahrer. Egal, aus welcher Richtung er kommt, dürfe er die neuerdings von der Stadt zur Fahrradstraße erklärte Ostberger Straße nicht weiter benutzen, wie Wilhelm Becker vor Ort folgert. Fast sein gesamtes Leben hat der 71-Jährige in der Gegend verbracht. Sein ausgestreckter Arm weist deutlich auf das blaue Verkehrszeichen „Fahrradstraße“. Das Zusatzschild „Anlieger frei“, das die ausschließliche Benutzung durch Pedalritter aufhebt, hat die Stadt Schwerte an dieser Stelle aber nicht montieren lassen. Warum, darüber kann der Anwohner nur rätseln.

„In der Fahrschule so gelernt“
An allen anderen Kreuzungen und Einmündungen entlang der neuen Fahrradstraße hat die Stadt zwar die Zusatzschilder „Anlieger frei“ montieren lassen. Doch solange diese nicht durch die seit Wochen angekündigten bislang in Schwerte unbekannten Verkehrszeichen ersetzt sind, die generell den Autoverkehr erlauben, müsse man die Ostberger Straße so schnell wie möglich wieder verlassen. Ein Weiterfahren sei nur abschnittsweise bis zur nächsten Querstraße möglich, weiß Wilhelm Becker. „So habe ich es in der Fahrschule gelernt“, sagt der Physiker.
Bestätigung vom Verkehrsanwalt
Diese Auffassung bestätigt der im Verkehrsrecht versierte Schwerter Rechtsanwalt Andreas Krüger. „Grundsätzlich würde ich dem recht geben“, sagt er auf Nachfrage: „Wenn der Zielort erreicht ist, dann müsste man die Fahrradstraße wieder verlassen.“ Denn deren Sinn und Zweck sei es ja, den Fahrradfahrer zu schützen. Eigentlich dürfe dieser allein eine solche Straße benutzen, wenn sie nicht für Anlieger freigegeben ist. Doch auch diese müssten sie wieder verlassen, sobald sie ihren Zweck erreicht haben.
Dieckerhofsweg ohne Ausfahrt
„Die Leute vom Dieckerhofsweg haben völlig verloren“, sagt Wilhelm Becker. Sie dürften ihre Straße weder nach links noch nach rechts verlassen. Aber eine andere Möglichkeit zur Ausfahrt gibt es aus dieser Sackgasse nicht. Die Durchfahrt zum entgegengesetzten Ende in Richtung Hermannstraße ist durch Sperren abgeriegelt.
Schwierig wird dadurch laut Wilhelm Becker auch die Anlieferung zur Rückseite des Marienkrankenhauses Schützenstraße. Hier hätten zwar Pkw eine Chance von der Wittekindstraße aus über den Hallenbad-Parkplatz und die Straße Am Ostentor. Für Lkw sei die Durchfahrt am Parkplatz jedoch gesperrt. Und der Baustellenverkehr zum Neubau der Albert-Schweitzer-Schule könne nur durch die meistens eng zugeparkte Graf-Adolf-Straße und den Appelhof erfolgen.
Konsequenzen für Linienbus?
Wilhelm Beckers Befürchtung, dass nicht einmal mehr der Linienbus der Verkehrsgesellschaft Kreis Unna (VKU) den Fahrradstraßen-Abschnitt der Ostberger Straße von der Einmündung „Appelhof“ an die Kreuzung „Graf-Adolf-Straße/Hermannstraße“ komplett passieren dürfe, kann Jurist Andreas Krüger aber nicht folgen. „Das kann ich mir nicht vorstellen“, sagt der Verkehrsrechts-Experte. Und bezweifelt, ob es zu so einer Frage überhaupt schon eine Rechtsprechung gebe.
Nur 50 Schüler mit Fahrrad
Wie dem auch sei: Gegenüber dem dicken Bündel von Nachteilen erschließt sich für Anwohner Wilhelm Becker der Vorteil einer Fahrradstraße eher wenig. „Sehen Sie hier einen Radfahrer?“, fragt er und dreht seine Augen vergeblich suchend in alle Richtungen. Zum Friedrich-Bährens-Gymnasium (FBG) scheint nach seiner täglichen Erkenntnis das „Taxi Mama“ viel beliebter zu sein, denn vor Unterrichtsbeginn am Morgen komme er vor lauter Stau mit dem Auto kaum aus dem Appelhof heraus. Die abgestellten Fahrräder an der Schule habe er kürzlich mal gezählt. Es seien gerade mal 50 Stück gewesen.
Zwischenbilanz FBG
Vonseiten des Friedrich-Bährens-Gymnasiums (FBG) hieß es derweil in einer ersten Zwischenbilanz: „Die Fahrradstraße ist in jedem Fall sinnvoll.“ Torsten Warscheid, FBG-Lehrer und Antreiber der Initiative für die Fahrradstraße am FBG, meint, dass diese deutlich mehr Sicherheit bringe. Aber auch er sieht Probleme: Nicht allen Verkehrsteilnehmern, ob Rad- oder Autofahrern, seien die Regelungen bewusst.