
© Reinhard Schmitz
Eierautomat rettet auch die Grillparty: 24 Stunden am Tag geöffnet
Landwirtschaft in Schwerte
Briefmarken, Zigaretten, Fahrradschläuche. Automaten sind in vielen Fällen Nothelfer, wenn Geschäfte geschlossen sind. Jetzt hat sie ein Landwirt für den Verkauf frischer Produkte entdeckt.
Nein, nicht schon wieder den Nachbarn mit einer Bitte stören. Aber was tun, wenn man sonntagmittags beim Kuchenbacken feststellt, dass für den Rührteig kein einziges Ei mehr im Kühlschrank ist? Am besten ganz ruhig bleiben und sich ins Auto setzen. Denn für diesen Fall gibt es seit Kurzem in Schwerte einen Geheimtipp. Dort wird man sogar fündig, wenn einem bei der abendlichen Grillparty die Bratwürste und Rippchen ausgehen.
Der Eierautomat am alten Thünerhof ist rund um die Uhr geöffnet
Das weiße Schild steht an der Ecke Ruhrtalstraße/Thüner Wiese. „Eierautomat“ ist darauf zu lesen. Es weist den Weg zum alten Thünerhof, den Landwirt Matthias Junge mit seiner Familie zum Wohnhaus gemacht hat. In ein hölzernes Nebengebäude direkt am Straßenrand hat er den in ganz Schwerte einmaligen Automaten eingebaut. „Die Idee war, dass wir unsere Eier direkt vermarkten möchten“, erzählt er. Aber ein Hofladen wäre wegen fehlender Räumlichkeiten in seinem Haus nur schwer einzurichten gewesen und hätte auch zusätzliches Personal erfordert. Deshalb fiel die Entscheidung für den Automaten, der rund um die Uhr geöffnet ist: „Und weil wir dachten, nur für Eier kommt keiner, haben wir die Produktpalette etwas ausgeweitet.“

Nicht nur Eier, auch Milchprodukte, Grillgut und Kartoffeln bietet der Eierautomat von Bauer Junge rund um die Uhr. © Reinhard Schmitz
Neben den Frühkartoffeln Annabelle aus eigenem Anbau zogen in die Fächer auch Milch, Joghurt und Käseprodukte der Hofkäserei Wellie aus Fröndenberg ein. Und weil das Interesse der Kunden nach regionalen Produkten sich als so groß erwies, liegen daneben jetzt noch Ziegenmilch und Käse einer Ziegenkäserei aus Haltern am See. „Das ist eine familiengeführte Käserei, die selbst produziert und verarbeitet“, sagt Matthias Junge, der für den Sommer die Angebotspalette noch um Grillfleisch und Würstchen erweitert hat. Im Herbst ziehen dann Eintöpfe und eingekochte Würste der Metzgerei Jedowski aus Balve ein.
Bezahlt werden kann nur mit Bargeld
Wer seine Ware hinter den Fenstern des Automaten ausgesucht hat, tippt die Fachnummer in eine Art Display ein. Bezahlt werden kann nur mit Bargeld - vom Fünf-Cent-Stück bis zum 20-Euro-Schein nimmt das Gerät alles an und wirft das Wechselgeld wieder aus. Anschließend ist in seinem Innern ein kleines Schauspiel zu beobachten. Ein Aufzug fährt vor das Fach, ein Schieber lässt die Ware hineinplumpsen, und dann geht es runter zur Ausgabeklappe.
Coronakrise brachte noch mehr Schwung ins Geschäft
Unzählige Kunden haben die Bedienung gelernt, seit Matthias Junge seinen Automaten im März in Betrieb genommen hat. Die unverhofft einsetzende Coronakrise mit ihren Kontaktverboten brachte noch mehr Schwung in das Geschäft. „Viele Familien sind beim Spazierengehen daran vorbeigegangen haben das Angebot entdeckt“, berichtet der Landwirt: „Dann haben sie frische Sachen kennen gelernt und zu schätzen gelernt.“

Landwirt Matthias Junge zeigt, wie ein Aufzug die gewählte Ware nach der Barzahlung zum Ausgabeschacht seines Eierautomaten fährt. © Reinhard Schmitz
Die Nachfrage nach den Eiern ist mittlerweile oft so groß, dass Interessenten sich schon sputen. Insider wissen: Immer mittags werden die Fächer im Automaten wieder aufgefüllt. Die 300 Hennen, die in einem mobilen Stall - einer Art Hühner-Wohnwagen mit Sitzstangen, Legennestern und Fütterung - auf dem elterlichen Hof am Ortsrand von Ergste leben, kommen mit dem Legen kaum nach. Ihre im Schnitt 280 Eier, abgefüllt im Zehnerpack, sind oft schnell vergriffen. Und fremde Eier von anderen Betrieben zuzukaufen, das wäre gegen die Ehre. Das möchte Matthias Junge auf keinen Fall.
Was aber auf seinen Hof kommt, ist die Mobile Obstpresse von Sauerland Obst aus Balve. Am Montag, 14. September - so verkündet ein Plakat - macht die Maschine bei Matthias Junge Station. Wer möchte, kann dann eigene Äpfel (ab 50 Kilogramm) mitbringen und zu eigenem Apfelsaft verarbeiten lassen.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
