Schwerte ist stolz auf seine Eisenbahngeschichte. Ein ganzer Ortsteil, die Siedlung Schwerte-Ost, verdankt seine Entstehung einem Mega-Reparaturwerk für Dampflokomotiven. Aber es gab auch etliche schwarze Momente. Das schwerste Bahnunglück, das zehn Verletzte forderte, ereignete sich vor 30 Jahren. Im Juli 1994 stieß ein aus Dortmund kommender Personenzug in Schwerte-Ost frontal mit einem entgegenkommenden Güterzug zusammen, der wegen einer defekten Weiche am früheren Block Heide (etwa in Höhe der Autobahnbrücke der A1) auf das falsche Gleis geraten war.

Erstversorgung im Altenheim
Am heftigsten erwischte es den ersten Waggon der Regionalbahn 53. Das Steuerabteil für den Lokführer wurde durch die Wucht des Aufpralls wie eine Bierdose zerquetscht. Angesichts der grauenvollen Bilder wirkte es fast wie ein Wunder, dass bei dem Unfall niemand zu Tode kam. Aber zehn Personen wurden verletzt - darunter ein Zugbegleiter so schwer, dass er im Krankenhaus bleiben musste. Glücklicherweise hatten an jenem Sonntagabend nur rund 30 Passagiere in dem Zug gesessen, die von der Feuerwehr geborgen werden mussten. Die Retter spannten ein Seil, damit die Fahrgäste die steile Böschung vom Gleisbett hinauf zum nahen Altenheim Haus Schwerte hinaufklettern konnten. Dort standen medizinische Teams für die Untersuchung und Erstversorgung bereit. Die meisten Betroffenen konnten später mit Taxi oder Bus weiterfahren.
Mit dem Schrecken davon kamen im Mai 2010 die rund 250 Reisenden im Regionalexpress 7 bei einem Unfall in dem engen Ostberger Tunnel unter dem Schwerter Wald. Auf einem entgegenkommenden Güterzug hatte sich die Seitenklappe eines Mähdreschers geöffnet, der auf einem Waggon verladen war. Sie schrammte an dem Personenzug entlang, wo sieben Fensterscheiben in der oberen Etage der damals eingesetzten Doppelstockwagen zu Bruch gingen. Dann blieb die Klappe in der E-Lok stecken, die den Zug schob. Es scheint es wie ein Wunder, dass bei dem Vorfall niemand verletzt wurde. Die Strecke zwischen Schwerte und Unna musste für die Aufräumarbeiten stundenlang gesperrt bleiben. Es ließ sich nicht einmal ein Ersatzverkehr mit Bussen organisieren, weil zum Unfallzeitpunkt alle verfügbaren Wagen als Schulbusse im Einsatz waren.
Lokführer konnte abspringen
Der wohl spektakulärste Unfall ereignete sich im Mai 1999, als sich eine Kolonne von 24 Güterwaggons im abschüssigen Schwerter Rangierbahnhof selbstständig gemacht hatte und führerlos die Hauptstrecke nach Hagen herunterrollte. Die Irrfahrt der Geisterwaggons endete in Westhofen, wo sie in einen entgegenkommenden Güterzug krachten. Dessen Lokführer konnte gerade noch rechtzeitig die Notbremse ziehen und aus seinem Führerhaus abspringen, nachdem ihn die Kollegen vom Schwerter Stellwerk aus per Bahnfunk gewarnt hatten. Er trug nur einen Schock davon.

Die Westhofener wurden durch ein ohrenbetäubendes Zischen aufgeschreckt, dem ein mächtiges Knallen und Bersten folgte. Am Unglücksort, den Grundstücken hinter dem Schräpperweg, bot sich ein Bild der Verwüstung. Drei Achsen der schweren Elektro-Lokomotive ragten in die Luft. Sieben Waggons waren entgleist, vier davon lagen umgestürzt neben den Schienen, dazwischen verstreut abgerissene Puffer und Metallteile. Aus einem zerquetschten Silowagen waberte heißer Kreideschlamm heraus, der knöcheltief die Nachbargärten und eine Schafweide flutete. Die Masse, die später mit einem Saugrüssel beseitigt wurde, war nach Angaben eines Bahnsprechers aber nicht umweltgefährdend.
An Ort und Stelle verschrottet
Noch in der Nacht begannen im Scheinwerferlicht die Aufräumarbeiten. Ein 75-Tonnen-Bergungskran wurde angefordert, um die Trümmer aus dem Fahrbereich des Bahndamms zu hieven, über den normalerweise die ICE-Züge nach Berlin rollen. Einige der havarierten Güterwaggons konnten nur noch an Ort und Stelle verschrottet werden. Dann begann die Erneuerung von rund 20 Metern Schienenstrang samt Schwellen sowie der zerfetzten Oberleitung. Am nächsten Morgen wurde die Streckensperrung aufgehoben. Den Sachschaden schätzte ein Bahnsprecher später auf rund eine Million D-Mark, also etwa eine halbe Million Euro.
Die Katastrophe war übrigens nicht der erste Unfall dieser Art. Bereits fünf Jahre zuvor, im August 1994, war beim Rangieren im Bahnhof Schwerte ein einzelner Waggon „entlaufen“. Dieser Geisterwagen rollte sogar noch ein Stück weiter die Strecke nach Hagen hinunter, bis er schließlich im Bahnhof Westhofen gegen einen Güterzug krachte.

Ihr Leben lang nicht vergessen werden wohl die Fahrgäste die Havarie ihres Triebwagens auf der Strecke Schwerte-Iserlohn am Nachmittag des 24. August 2015. Stundenlang waren sie bei brütender Hitze im Inneren der Regionalbahn 53 gefangen, die hoch oben auf der Ruhrbrücke feststeckte. Sie hatten doppeltes Pech. Zunächst wegen eines technischen Defekts kurz vor dem Bahnhof Ergste stehengeblieben, sollte ihr Zug eigentlich von einem zu Hilfe geeilten zweiten Triebwagen nach Schwerte zurückgeschleppt werden. Doch mitten auf der Brücke machte auch diese Fuhre schlapp, laut Bahn wegen Kupplungsproblemen.

Um sie am Aussteigen zu hindern - so berichteten Passagiere später - hätte der Schaffner alle Türen von Hand verriegelt. Ohne Strom hätten die Toiletten und die Klimaanlage nicht funktioniert. Den Berichten zufolge dauerte es Stunden, bis die Feuerwehr Villigst alarmiert wurde, um endlich Wasser, Cola und Fanta zu den durstigen Menschen zu bringen. Dann führten die Retter die Passagiere über Laufstege in den zweiten Triebwagen, der sie solo nach Schwerte zurückbrachte.
Großübung im Schwerter Tunnel
Zum Glück nur eine Großübung war ein weiterer „Unfall“ der Regionalbahn 53 kurz zuvor im Juli 2015 im Schwerter Tunnel auf dem Weg nach Dortmund gewesen. Eine Streckensperrung wegen Bauarbeiten nutzte die Feuerwehr, um Rettungsmaßnahmen in der dunklen Backsteinröhre unter dem Schwerter Wald zu proben. Angenommen wurde, dass ein Triebwagen dort eine Notbremsung vornehmen musste, weil ein Radlager heiß gelaufen war. Bei dem plötzlichen Stopp – so das Szenario – seien 23 Fahrgäste durch die Abteile geschleudert und teilweise schwer verletzt worden.

Im Scheinwerferlicht kämpften sich die Feuerwehrleute mit ihrer schweren Ausrüstung zu dem Zug vor, der rund 150 Meter hinter dem Eingangsportal des Tunnels stand. Aus den gewonnenen Erkenntnissen heraus wurde später ganz in der Nähe eine Nottreppe die Bahnböschung hinauf gebaut, über die Rettungskräfte von der Ostberger Straße aus den Einsatzort schneller und problemloser erreichen können.

Zuletzt musste die Feuerwehr am Mittwochabend (31.7.) auf den Schienensträngen eingreifen, als ein Bauzug auf der Strecke nach Fröndenberg mitten im Wohngebiet Gänsewinkel in Flammen aufging. Ein riesiger Feuerball hüllte die Unglücksstelle ein, die nur schwer über private Grundstücke zu erreichen ist. Die fünfköpfige Besatzung hatte sich schon allein aus der sogenannten Gleisstopfmaschine ins Freie retten können, an der ein Sachschaden im höheren sechsstelligen Bereich entstand. Sie musste später abgeschleppt werden. Die Brandursache ist bislang noch nicht geklärt. Die Ermittlungen gestalten sich schwierig wegen der immensen Zerstörungen, die das Feuer und die Hitze angerichtet haben. Das Wrack, das im ehemaligen Bahnhof Schwerte-Ost abgestellt war, ließ den Schrecken der Nacht immer noch spüren.