Eine denkwürdige Handlung konnten die Besucher des Benefizkonzertes in St. Viktor am Karsamstag (8.4.) erleben: die Öffnung der doppelten Altarflügel des Antwerpener Retabels. Dieses 500 Jahre alte Großobjekt des Tischlerhandwerks, der Schnitzkunst und der Malerei leisteten sich die Schwerter Bürger in einer Zeit unvorstellbaren Reichtums.
Etwa 1200 Einwohner lebten 1523 in den Mauern der Hansestadt. Handel und Schmiedekunst hatten ihnen großen Reichtum beschert. Monetären Berechnungen zufolge sollen die Kosten für den Altar damals etwa dem Wert von fünfzehn Hansekoggen, den damals gebräuchlichen Frachtschiffen, entsprochen haben.
Obwohl in Flandern gebaut, stammten die Hölzer aus dem Baltikum, die Farbpigmente aus dem vorderen Orient. Es waren also auch hohe logistische Anforderungen zu erfüllen, um ein solches Werk zu schaffen.

Drei Phasen der Altaröffnung
Pfarrer Tom Damm begrüßte das Publikum am Samstag zur von Musik umrahmten Handlung, die nur von Personen mit entsprechender Sachkunde und Befugnis vorgenommen werden darf. Mit tief ergreifender, gravitätischer Musik – einem Bachchoral – eröffnete Kantorin Clara Ernst an der Kern-Orgel den musikalischen Teil. Kenntnisreich begleitete sie auch die drei Phasen der Altaröffnung.
Die Deckschicht des geschlossenen Altars ist geprägt von Heiligenbildern und Schutzpatronen.
Das Aufklappen der ersten Schicht brachte belebte Szenen in leuchtenden Farben zum Vorschein. Meister Adrian van Overbeck und seine Werkgesellen haben dort unter anderem die katholische Wandlungslehre der Gregorsmesse, aber auch die Legende des heiligen Viktor dargestellt.

Das Aufklappen der zweiten Flügelschicht ließ den Altar in seiner Festtagspracht erstrahlen: vergoldete Schnitzereien in räumlicher Tiefe mit der Passionsgeschichte im Zentrum. Aber auch das Christuskind in der Krippe ist zu sehen, eingefügt als Alabasterfigur ebenso wie die Apostelfiguren hinter den Schiebetüren des Altarsockels, schwer beschädigt und nicht mehr in voller Zahl aufgefunden nach einem Diebstahl Ende des 19. Jahrhunderts.
Dieser gewaltige hölzerne Aufsatz, bekrönt von den Figuren Marias, Johannes‘ und des heiligen Viktor, steht auf dem steinernen Altartisch, der Mensa.

Optisch wie musikalisch ein besonderes Erlebnis
Auf ihn blickt, wie Clara Ernst erläuterte, seit 1666 von der Kanzeltür die hölzerne Figur Martin Luthers. Die Reformation erreichte Schwerte bereits 1554, doch die Kanzel ist der Musik näher, die vier Schwerter Musikerinnen zu Gehör brachten: Sopranistin Simone Asua-Honert, Geigerin Diana Schneider, Flötistin Gisela Halbach und Clara Ernst, die an der Chororgel und am zweimanualigen Cembalo begleitete. Vor allem Bach und seine Zeitgenossen Loeillet, Telemann, Vivaldi und Händel standen auf dem Programm mit abwechslungsreicher und gefälliger Musik.
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Nur das Stabat Mater von Pergolesi ist drei Jahrzehnte später zu verorten. Wer Barockmusik für antiquiert hält, mag bedenken, dass seit der Entstehung des Schnitzaltars bis zur Zeit dieser Tonkunst bereits etwa 200 Jahre vergangen waren.
Den letzten Teil des Musikprogramms servierten die Musikerinnen von der Orgelempore aus. Krönender Abschluss war Händels glorioses „Hallelujah“ mit Clara Ernst an der Orgel. Optisch wie musikalisch ein besonderes Erlebnis.