
© Reinhard Schmitz
Alte Kanone in die Sauna gesteckt: Schützen beenden Restaurierung
Schwerter Wahrzeichen
Ihr dickes Rohr hatte gezittert, wenn donnernde Böller einen Schützenkönig begrüßten. Aber in der Sauna war die Kanone von 1865 wohl noch nie. Erst jetzt, damit die Restaurierung lange hält.
Reiten verboten. Was Generationen von Schwerter Kindern auf das dicke Kanonenrohr lockte, verhinderte am Donnerstagabend (29.7.) ein rot-weiß-rotes Flatterband. Es empfahl sich, die Absperrung ernst zu nehmen. Andernfalls wäre man mit der Hose auf dem Gusseisen kleben geblieben.
Denn der glänzende Anstrich war noch feucht. Mit der Schicht klarem Bootslack hatte Schützen-Oberst Erwin Lange die aufwendige Restaurierung des Schwerter Wahrzeichens abgeschlossen, das vor der Strangbrücke Im Reiche des Wassers Wacht hält.
Die passenden Holzräder wurden aus Bayern abgeholt
Ende vergangenen Jahres waren das Prachtstück – und sein Zwilling auf der anderen Seite des Bachübergangs – plötzlich verschwunden gewesen. Manche fürchteten, dass Diebe am Werk gewesen wären.
Doch glücklicherweise hatten nur Mitglieder des Bürgerschützenvereins Schwerte ihre Kanonen selbst abgeholt, weil die hölzernen Räder morsch geworden waren. Drei kräftige Männer waren nötig, um das wuchtige Gerät über eine Rampe aus Festzeltbänken auf einen Pkw-Anhänger zu schieben.

Jahrzehntelang standen die Kanonen unter den Bögen der damals noch offenen Halle des Ruhrtalmuseums. Fast jeder Schwerter ist in seiner Jugend auf den dicken Rohren geritten. © RN-Archiv
Lange musste Erwin Lange, der die Kanonen vor neun Jahren schon einmal auf Vordermann gebracht hatte, nach passenden Holzrädern mit 80 Zentimetern Durchmesser suchen. Im Internet stieß er dann auf ein Angebot aus Bayern und fuhr jeweils 450 Kilometer hin und zurück, um die Ersatzteile im Kofferraum abzuholen. „Die stammen von einem Mähdrescher“, verrät er. Dass sie nur zehn statt vorher zwölf Speichen haben, störte nicht.
Holzwürmer wurden in der Sauna beseitigt
Ein größeres Problem waren allerdings Holzwürmer, die sich in die Räder gefressen hatten. Doch der gelernte Maler und Lackierer wusste ein Lösung ohne Chemie: Er legte das Material einfach eine Stunde lang bei 60 Grad in seine Sauna, um das Ungeziefer abzutöten.
Insgesamt eine Woche lang werkelte Erwin Lange an den Rädern. Auch der Rest der Lafette und das Rohr erhielten einen neuen Anstrich. Statt im vorigen Dunkelbraun in Grau und Schwarz: „Das ist jetzt mal eine andere Farbe.“ Die zweite Kanone soll folgen, sobald auch dafür neue Räder aufgetrieben sind: „Dann ist die in 14 Tagen fertig – kein Problem.“ Der Voranstrich ist bereits in seiner Werkstatt aufgetragen.
Ein König schenkte die Kanonen 1865 den Bürgerschützen
Wenn es auch alle glauben: Die Kanonen sind gar keine richtigen Kanonen, sondern Böller zum Salut. „Da ist nie raus geschossen worden“, sagt Erwin Lange: „Nur Böller rein vorne, Lunte dran und – peng – fertig war’s.“ Mit dem Freudenknall wurden neue Könige gefeiert, seit Friedrich Pferdekämper dem Verein im Jahre 1865 die Kanonen schenkte.
Mit dem Ersten Weltkrieg verschwanden sie und tauchten erst wieder auf, als 1933 das Ruhrtalmuseum im Alten Rathaus eröffnet wurde. Jahrzehntelang standen sie dann unter den Bögen der noch offenen Laubenhalle – und reizten die Jugend zum Aufsitzen.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
