Bilanz nach dem Orkan: Friederike war in Schwerte schlimmer als Kyrill
Alle Wälder gesperrt
Wie schlimm wütete Orkan Friederike in Schwerte? Am Tag danach fällt die Bilanz unterschiedlich aus. Während man sich bei der Feuerwehr freut, dass es so gut wie keine Verletzten gegeben habe, sind die Waldbesitzer am Boden zerstört.

So sahen die Sturmschäden bei der Familie Wassermann auf Gut Halstenberg aus. © Bernd Paulitschke
Betreten der Wälder verboten
Das Betreten des Waldes ist verboten – zunächst einmal für 14 Tage. „Die Schäden sind schlimmer als nach Kyrill“, erläuterte Gustav Wassermann von der Forstbetriebsgemeinschaft, in der mehrere heimische Waldbesitzer zusammengeschlossen sind: „Die Bäume stehen unter Spannung. Sie können umkippen, oder es können Teile herunterfallen.“ Deshalb hat das Forstamt die Wälder in Schwerte gesperrt.
Feuerwehr-Bilanz: 67 Einsätze am Donnerstag
Bis zum Donnerstagabend habe die Freiwillige Feuerwehr Schwerte zu 67 Einsätzen aufbrechen müssen. Das bilanzierte Chef Wilhelm Müller am Freitag. Alle Löschzüge seien den ganzen Donnerstag über draußen gewesen – bis auf die Feuerwehr aus Villigst. Die habe man bewusst noch in der Hinterhand gehalten, falls zusätzlich zu den Sturmschäden noch irgendwo ein Feuer ausgebrochen wäre.
Digitaler statt analoger Funk
Eigentlich nutzt die Schwerter Feuerwehr noch den analogen Funk. Doch die Fahrzeuge sind schon mit Digitalfunk ausgestattet. Zum Glück. Denn auf dem einen analogen Kanal funkten am Donnerstag alle Feuerwehren aus dem Kreis Unna, digital hat Schwerte – wie jede andere Stadt – einen eigenen Kanal. So sei das Koordinieren um ein Vielfaches einfacher gewesen, erläuterte Feuerwehr-Chef Wilhelm Müller.
Aufräumen begann am Freitag
Aufräumen in den letzten Sturmböen? Das wäre für die Mitarbeiter zu gefährlich gewesen, erklärte Gerhard Krawczyk, Leiter des Baubetriebshofs, am Freitag: „Ich kann es nicht riskieren, einen Mitarbeiter dann schon in einen Steiger zu setzen.“ Am Freitag sei das große Aufräumen für seine Mitarbeiter losgegangen: „Wir hatten alleine einige Kolonnen im Einsatz, die nur die größeren Stöcke aufgesammelt haben.“
Sturm legt Schädel in Ergste frei
Dieses Gelände wurde früher einmal als Friedhof genutzt. Das war nach dem Orkan deutlich auf dem Grundstück des Alten Pfarrhauses in Ergste zu erkennen. Die Böen hatten eine große Tanne aus dem Boden gerissen. Anschließend waren zwischen den Wurzeln einige Knochen und sogar ein Schädel zu Tage gefördert. Eine Besonderheit an einem Tag, an dem viele Bäume im ganzen Stadtgebiet fielen.
Fotovoltaik flog vom Dach bei Zweirad Markgraf
Als es stürmte, riss es die Fotovoltaik-Anlage vom Dach des Zweirad-Centers Markgraf in Geisecke. Einige der riesigen Elemente seien durch die Gegend geflogen, berichtete Brigitte Markgraf. Feuerwehrleute seien dann rauf aufs Dach, um weitere Elemente abzumontieren, bevor noch Schlimmeres passierte. Die ganze Anlage sei kaputt. Vermuteter Schaden: zwischen 60.000 und 100.000 Euro.
Kletterwald Freischütz: Drei Parcours kaputt
Drei von zwölf Parcours im Kletterwald Freischütz sind zerstört. Etwa zehn Bäume seien umgeknickt und bereits herausgeschafft, so Geschäftsführer Patrick Hahnrath am Freitagnachmittag. Und zehn weitere Bäume werde man wohl noch fällen müssen. Hahnraths Hoffnung: Bis zur Saisoneröffnung am 17. März könne man mindestens zwei neue Parcours bauen: „Wir müssen wohl kreativ sein“, so Hahnrath.
Am Freitagnachmittag: Einsatz auf der Ruhrtalstraße
Der nächste Tag, die nächsten Einsätze. Mehrmals musste die Freiwillige Feuerwehr auch am Freitag ausrücken. Unter anderem am Nachmittag zur Ruhrtalstraße nach Ergste. Vom Baum neben dem Kreisverkehr im Ort drohten Teile auf die Straße zu stürzen. Deshalb musste gesperrt werden. Was naturgemäß an einem Freitagnachmittag einen großen Effekt hatte: einen langen Stau.paulitschke
Auf meinem Grundstück liegt ein Baum. Kann ich die Feuerwehr rufen?
Schon. Allerdings ist sie nicht dafür zuständig, alle Sturm-Folgen auch wegzuräumen. „Wir beseitigen nicht alles auf Privatgrundstücken“, verdeutlicht Feuerwehr-Chef Wilhelm Müller. Drohe keine unmittelbare Gefahr (mehr), sei die Feuerwehr auch nicht zuständig. Ebenso wenig ist der komplette Abtransport von Holz Aufgabe der Feuerwehr.
Und wessen Aufgabe ist es dann?
Der Eigentümer des Baumes – also der, auf dessen Grundstück er steht – muss sich selbst darum kümmern oder eine Fachfirma beauftragen. In solchen Fällen komme es oft zu Streit zwischen Nachbarn, erläuterte Gerhard Krawczyk, Leiter des Baubetriebshofs. Und das auch in den Stunden nach Friederike: „Eigentümer von privaten Bäumen verweigern sich gegenüber dem Nachbarn – das finde ich persönlich schade.“
Darf ich noch irgendwo in den Wald gehen?
Im Kreis Unna: nein, nirgendwo. Bis mindestens 28. Januar sind die Waldbereiche gesperrt. Offiziell hieß es am Freitag dazu vom Kreis Unna: „Grund für die Sperrung sind Gefahren durch lose Äste in den Baumkronen, die herabstürzen können. Es droht auch weiterhin Gefahr durch umstürzende Bäume. Auch vor dem Betreten von Parks und anderen Grünanlagen warnen die Einsatzkräfte weiterhin.“
Wie viel ist passiert in den Wäldern?
„Die Bäume sind umgeknickt wie Streichhölzer. Und es klang jedes Mal, als ob jemand geschossen hätte.“ So beschreibt Gustav Wassermann, was er am Donnerstagmittag erlebte, als er kurz auf seinem Hof war. Der Waldbesitzer und Sprecher der Forstbetriebsgemeinschaft spricht davon, dass die Schäden in Schwerte schlimmer seien als beim „Jahrhundertsturm“ Kyrill im Januar 2007. Seinerzeit gab es vor allem im Sauerland riesige Schneisen. „Dieses Mal“, so Wassermann, „hat es uns erwischt.“
Wieso trifft das die Waldbesitzer so hart?
Viele bezeichnen den Wald als ihre „Sparkasse“. Langsam wächst dort der Bestand. Immer wieder kann man dann Holz verkaufen. Das bietet auch der nächsten Generation noch finanzielle Sicherheit, zumal man oft von einem Turnus von 25 Jahren spricht. Bei einem Sturm fällt rasch sehr viel. Dadurch sinken einerseits die Verkaufspreise, andererseits fallen zukünftige Einnahmen weg. Es muss erst wieder aufgeforstet werden.
Ich habe einen Sturmschaden. Was muss ich beachten?
Sturmschäden sind ein Fall für die Versicherung und müssen dem Versicherer umgehend gemeldet werden. „Betroffene sind zudem verpflichtet, alles zu unterlassen, was einen Schaden verursachen und die Feststellung erschweren könnte – sonst wird in vielen Fällen der Versicherungsschutz teilweise oder komplett riskiert“, warnt Angelika Weischer von der Beratungsstelle Schwerte. Gefahrenquellen dürfen und müssen jedoch beseitigt werden.