Am Ende ging es auf einmal schneller als angekündigt. Bereits am Donnerstag (6.4.) wurde die Strecke freigegeben. Ab sofort ist die B236 über den Freischütz vierspurig. Nach knapp drei Jahren Bauzeit und etwa 13 Jahren Planungszeit ist das Projekt Ausbau vom Tunnel bis zur Autobahn weitgehend abgeschlossen. Die Pläne für den Ausbau der Bundesstraße waren aber schon in den 30er-Jahren ein Thema. Und der aktuelle Ausbauabschnitt ist auch nicht das Ende.
1939-1955: Erste Pläne
„Die Belastung der B236 durch den modernen Automobilverkehr ist zu hoch. Deshalb muss eine neue Trasse für den Verkehr geschaffen werden.“ Diese Vorgabe beschäftigte den Rat erstmals im Jahr 1939, wie ein Blick ins Archiv verrät.
Die sogenannte NS X war eine Umgehungsstraße, die geradlinig zwischen Ruhrbrücke und Freischütz verlief. Ein Entwicklungsplan war bereits fertig. Doch dann wurden die meisten Bauprojekte wegen des Krieges verschoben – und nach Kriegsende hatte man andere Sorgen.
1955-1958: Vierspurig?
Auch 1955 scheiterte der Plan, die Ortsdurchfahrt zu verbessern. Damals hatte der Siedlungsverband, der Vorgänger des Regionalverbandes Ruhr, einen vierspurigen Ausbau der B236 auf dem Papier erarbeitet. Schnell wurde aber klar, dass die Erweiterung der beiden Eisenbahnbrücken in der Ortsdurchfahrt ein kostspieliges Unterfangen werden würde.

1959-1967: Östliche Trasse
Von 1959 bis 1963 entwickelte man den Plan, eine östliche Umgehungsstraße zu bauen. 1963 wurde die sogar ins Verbandsverzeichnis der zu bauenden Straßen des Siedlungsverbandes aufgenommen. Drei Jahre später sprach sich der Rat der Stadt Schwerte gegen die Trassenplanung aus, die westlich des Freischützes verlaufen sollte.
Wie die neue Trasse denn aussehen sollte, konnte der Rat in den folgenden Monaten nicht klären. Auch ein neuer Generalverkehrsplan brachte keine eindeutige Einigung. Per Beschluss stellte man aber 1967 zumindest fest, dass man dagegen sei, die B236 nur bis zur Stadtgrenze auszubauen und dann in die Bundesstraße einfädeln zu lassen.

80er-Jahre: Lindwurmtrasse
Die SPD-Mehrheit setzte damals auf die Idee, den Robert-Koch-Platz zu untertunneln, die CDU wollte hier einen Kreisverkehr. In einem Interview aus dem Jahr 2013 sagte der städtische Verkehrsplaner Dirk Hoppe: „Man muss sagen, damals fehlte schlicht der Mut zur großen Lösung.“
1986-1991: Neue Pläne
Das Straßen-Neubauamt Gelsenkirchen gab schließlich Anfang der 90er-Jahre die letzten Grundstücke, die man für den Bau der Umgehungsstraße gekauft hatte, der Stadt zurück. Die ließ dort Technopark und Feuerwache errichten, obwohl man wusste, dass die B236 kommen würde.
Der Ausbau war nämlich bereits 1986 wieder auf die Tische der Planer zurückgekehrt. Der Bundestag hatte einen neuen Bedarfsplan für Fernstraßen beschlossen. Darin auch die direkte Verbindung von der A2 zur A1, aber eben nur diese. Die Durchfahrt durch Schwerte blieb ungeregelt.
90er-Jahre: Tunnel geplant
Dafür hegte man bis Mitte der 90er-Jahre den Plan, die B236 nicht nur durch Berghofen, sondern bis zur A1 als Tunnel zu führen. Ein Umweltverträglichkeitsgutachten sprach sich für die kostengünstigere oberirdische Lösung aus.
2000: Alles auf Anfang
Um die Jahrtausendwende verfolgte die Stadt den Plan, die Straße eher zu beruhigen. Eine Verkehrssimulation bereitete dieser Idee ein Ende. Seitdem gibt es die Planung, die Straße zumindest teilweise zu verbreitern – übrigens mit einem Umbau einer der beiden Eisenbahnbrücken.
2006: Erste Planfeststellung
Bereits im April 2006 hatte man erstmals die konkreten Ausbaupläne vorgestellt und stieß dabei auf massive Bürgerproteste und Einwände. Über sieben Meter hohe Lärmschutzwälle und mangelnde Fuß- und Radwege regten sich Anwohner und Verbände auf.
Darüber hinaus hatte man einen versteckten Bachlauf bei der Planung übersehen. Das Ganze sollte zügig nachgebessert werden. Dann gab es aber neue Verkehrsprognosen, und die Planung musste für den zu erwartenden Zuwachs an Verkehr komplett erneuert werden.
2008: Der Tunnel wird eröffnet
Am 14. Juli 2008 wurde der Tunnel in Berghofen eröffnet. Damit rückte die Trasse weiter an die Stadtgrenze heran. Doch der angedachte direkte Weiterbau musste nicht nur vorerst verschoben werden. Die neuen Pläne wurden immer weiter nach hinten gerückt. 2013 stellte der Vorsitzende des Planungsausschusses fest: „Seit 2008 warten wir auf neue Pläne zur Trasse.“

2017-2018: Pläne sind fertig
Die kamen dann 2016. Und 2017 war das Planfeststellungsverfahren endgültig abgeschlossen. Der Landesbetrieb Straßen NRW übergab die Ausführung der Bauarbeiten an die Deges, die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH.
Die versprach einen Baubeginn im Sommer 2018. Ein erster Spatenstich wurde auch gemacht – mit Hendrik Wüst, damals noch Verkehrsminister und anderen Amtsträgern. Dann gab es aber einen Rechtsstreit mit dem Brückenbauer, der die Fußgängerbrücke am Freischütz bauen wollte, und die Baustelle wurde wieder stillgelegt.

2020: Der Baubeginn
Im Mai 2020 ist es endlich so weit: Die Autobahnzufahrt in Richtung Köln wird gesperrt. Hier beginnt der Ausbau, der in vier Bauabschnitte unterteilt ist und sich von Schwerte Richtung Stadtgrenze vorarbeitet. Doch schon im Bereich der Kreuzungen mit der Bergstraße und dem Talweg beginnen die bösen Überraschungen. Denn man findet Leitungen und Kanäle, die so nicht auf den Karten verzeichnet wurden. Die ersten Verzögerungen treten ein. Die Bauzeit verlängert sich um ein halbes Jahr.

2021: 2. und 3. Bauabschnitt
Anfang 2021 beginnt man mit dem zweiten Bauabschnitt. Diesmal läuft es zeitlich besser. Die alte Fußgängerbrücke wird abgerissen, die neue im November des Jahres montiert. Dann allerdings auch wieder eine Verzögerung: Sogenannte Schwingungstilger mussten noch nachgeliefert werden. Die Eröffnung sollte bis Mai 2022 dauern.
2022: Ein Ende ist in Sicht
Die Trasse ist im Oktober komplett asphaltiert und steht kurz vor der Eröffnung. Eigentlich sollte es längst wieder vierspurig über den Freischütz gehen, doch die Lärmschutzwände sind noch nicht fertig. Kurz vor Weihnachten wird klar: Die Lärmschutzwände, die die Bewohner der Kleinen Bergstraße vor dem Verkehrslärm der vierspurigen Bundesstraße schützen sollen, sind noch nicht fertig. Und um die noch fehlenden Teile auf einer Länge von etwa 100 Metern einzuhängen, wird die neue Fahrbahn noch gebraucht, um die Bauteile abzustellen und ein freies Arbeitsfeld zu haben.

2023: Die Eröffnung
Erst gab es knackigen Frost, dann kam auch noch eine Baggerschaufel dazwischen. Die hatte den neu verlegten Kanal beschädigt, gerade als man im Endspurt war und die letzten Meter der Schallschutzwand installieren wollte. Also musste erst der Schmutzwasserkanal repariert werden. Am 11. April 2023 sollen offiziell alle vier Spuren freigegeben werden. Dann geht es schnell: Schon am Gründonnerstag (6.4.) ist es so weit.
Zukunft
Ein Blick in die Zukunft zeigt: Nun folgt der Ausbau des unteren Abschnitts bis zur Ruhrbrücke. Der Planfeststellungsbeschluss wurde im Dezember 2021 gefasst. Seit März 2022 besteht hier Baurecht. Damit könnte dort weitergebaut werden.
Fest steht, dass es kein vierspuriger Ausbau werden wird, sondern eine Erweiterung mit Abbiegespuren. Bei vielen Schwertern stießen die Pläne allerdings auf wenig Gegenliebe. Die neue Trasse zerreiße die Stadt, hieß es unter anderem.
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