Wie ist die Situation an Schwerter Kindergärten? Wir hatten zuletzt mit Kita-Leitungen und der Stadtverwaltung gesprochen. Jetzt haben die Eltern das Wort – und sprechen mit uns darüber, wie die Situation an ihrer Kita ist.
Anna Voss* aus Schwerte hat einen dreijährigen Sohn und eine kleine Tochter im Säuglingsalter. Die Kita ihres Sohnes sei häufig unterbesetzt, sodass das Kind von Anna Voss zwischenzeitlich nur an drei Tagen im Monat hätte betreut werden können.
Ihr Sohn besucht die Kita in Schwerte seit August. Bei der Anmeldung Anfang 2022 hatte Anna Voss im Schwerter Anmeldesystem „Kita-Navigator“ angegeben, dass sie berufstätig sei. Kurz darauf stellte sie fest, dass sie ihr zweites Kind erwartet. „Ich arbeite also gerade gar nicht beziehungsweise bin in Elternzeit. Die Gebühren richten sich natürlich nach dem Gehalt, das ich vorher bekommen habe.“ Mit mehr als 450 Euro monatlich zahlen die Eltern nicht wenig. Sie haben 45 Stunden gebucht – mit Mittagessen und Mittagsschlaf. Das „volle Programm“ eben.
In der Kita lebt sich der Dreijährige schnell ein. „Ich habe ein Kind der Corona-Generation. Spielen mit anderen Kindern, also Krabbelgruppen wie es sie früher gab – das kannte er gar nicht.“ Anna und ihr Mann sind grundsätzlich sehr zufrieden, der Kleine mag die Erzieherinnen sehr. Deshalb hat Anna auch Sorgen, von der Situation in ihrer Kita zu erzählen. „Ich möchte niemandem in den Rücken fallen, denn ich sehe täglich, dass sich alle hier die größte Mühe geben.“
Trotzdem gibt es eben auch Probleme. Im Herbst 2022 häufen sich die Krankheitsfälle. Viele Kinder sind krank – dann erkranken auch Erzieherinnen. Das bedeutet: Notbetreuung. Nur diejenigen Kinder, die unbedingt kommen müssen, werden gebracht. Anna und ihr Mann lassen ihren Sohn dann zu Hause. „Das war für mich schon sportlich. Ich hatte gerade meine Tochter bekommen, und mein Sohn war häufiger zu Hause als in der Kita. Das Spielen mit den anderen Kindern fehlte ihm.“
Im Oktober 2022, erzählt die Schwerterin, sei ihr Sohn an ganzen fünf Tagen im Monat in der Kita gewesen. Und auch danach wurde es kaum besser. „Die ganze Woche vor den Weihnachtsferien war Notbetreuung. Dabei ist das in der Kita eigentlich eine schöne und wichtige Zeit.“
„Wutzwerg“ zu Hause
Seit Januar ist es nicht mehr ganz so heftig, aber jede Woche wirft Anna Voss bange Blicke auf die App. Darüber werden die Eltern im Notfall informiert. „Dann bekommt man um sechs Uhr morgens die Nachricht, dass Notbetreuung ist“, sagt Anna. Sie versteht das, schließlich melde man sich üblicherweise morgens krank. Aber wie Eltern das dauerhaft stemmen sollen, ist ihr ein Rätsel. „Auch wir bekommen das nur hin, weil wir die Oma haben, die uns oft unterstützt. Die ist allerdings auch nicht mehr superfit.“
Zwei- bis dreimal wöchentlich gebe es Notbetreuung. Selbst wenn ihr Kind einmal einen „normalen“ Kitatag habe – also bis 16 Uhr – komme es häufig zu Problemen bei den Abläufen. „Oft gibt es keinen Mittagsschlaf für die Kinder, weil kein Personal da ist, das dafür abgestellt werden kann“, erzählt Anna Voss. Dann habe sie am Nachmittag ein quengeliges, schlecht gelauntes Kind zu Hause – einen „Wutzwerg“, wie sie sagt.
Und auch das gebuchte Mittagessen falle an Notbetreuungstagen weg. „Ich habe schon mal aus Spaß gesagt, dass sie das Essen gern spenden können“, sagt die Schwerterin. „Aber lustig ist das eigentlich nicht – die Mahlzeiten bezahlen wir ja schließlich.“

Dem Personal gibt die Mutter keine Schuld. Sie sehe auch, dass alle unzufrieden mit der Situation seien. „Die sind ja nicht ohne Grund Erzieherinnen geworden, und würden sich sicher viel lieber intensiver um die Kleinen kümmern“, sagt Anna Voss. „Für die ist das natürlich auch nicht schön.“
Außerdem, sagt sie, führe der ständige Personalmangel dazu, dass die „Übriggebliebenen“ noch größerem Stress ausgesetzt seien. „Unsere Leiterin kümmert sich mit um die Kleinen, nur ab und zu ist sie mal im Büro. Wenn alle ständig auf dem Zahnfleisch gehen, werden sie auch schneller krank.“
„Starke Krankheitswellen“
Zuständig für die Kita von Anna Voss ist der Evangelisch Kirchenkreis Iserlohn, der Träger von 23 Kitas ist – zwei davon in Schwerte. Der stellvertretende Geschäftsführer Andreas Beutler sagt auf Anfrage, dass die Belastung in den Kitas grundsätzlich bekannt sei. In den Schwerter Einrichtungen seien „in den letzten drei Monaten rund drei bis vier Mal Notgruppen“ eingerichtet worden, „die sich jedoch auf einzelne Tage, maximal jedoch auf zwei Tage“ bezogen hätten.
Insbesondere in den Wintermonaten sei das Personal durch hohe Infektionszahlen geschwächt worden – gerade in der Corona-Hochzeit. „Wir stellen jedoch starke Krankheitswellen unabhängig von Corona fest, unter denen die Teams leiden“, so Beutler. „Zwangsläufig erkranken die Mitarbeitenden, nachdem die Kinder von Grippe, Erkältungen und sonstigen Infektionen betroffen sind.“
In beiden Einrichtungen seien zurzeit alle Stellen besetzt. Trotzdem: „Wie alle Träger sind auch wir massiv vom Fachkräftemangel betroffen.“ Hier sieht der Kirchenkreis die Landesregierung in der Pflicht, „offensiv mit dem Thema Fachkräftemangel“ umzugehen. Andreas Beutler: „In unserer Trägerschaft können wir mit fundiertem Fachwissen, einem sicheren Arbeitsplatz und tariflichen Profits (13. Gehalt, Zusatzversorgung, 30 Tage Urlaub, 2 Regenerationstage) werben.“

Darüber hinaus, betont Beutler, fänden häufig Gespräche zwischen Eltern und Leitungen statt. Die Kommunikation sei gut. Auf Anfrage erklärt Beutler: „Mittagessen, das aufgrund von Krankheit nicht in der Kindertageseinrichtung eingenommen werden kann, kann von den Eltern abgeholt werden.“
Dass die Kommunikation mit der Leitung gut sei, kann Anna Voss durchaus so bestätigen. Doch das Betreuungsproblem habe man auch in guten Gesprächen noch nicht lösen können. Mit der Aussage zum Mittagessen kann sie außerdem wenig anfangen. „Ich werde ja wohl kaum für mich und meinen Mann kochen, und mich dann mit dem Baby ins Auto setzen, um aus der Kita das Essen für meinen Sohn abzuholen.“
*Anna Voss hat eigentlich einen anderen Namen. Sie möchte anonym bleiben. Ihr voller Name ist der Redaktion bekannt, ebenso wie die Kita, die ihr Kind besucht.
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