
© Wolfgang Take (Montage: Fehmer)
Wolfsgebiet: Kopfschütteln über Zaunvorgaben für Pferdehalter
Wolfsgebiet Schermbeck
Nach den Ponyrissen steht nun fest, welche Zäune sich Pferdehalter im Wolfsgebiet fördern lassen können. Zu einem Detail sagt Jürgen Höchst: „Ich habe da kein Verständnis für.“
Die Ponyrisse im letzten Quartal 2021 haben bei Pferdehaltern im Wolfsgebiet Schermbeck für viel Verunsicherung gesorgt. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser hatte deshalb angekündigt, dass das Land ab 2022 auch Herdenschutzmaßnahmen für Pferde mit einem Stockmaß bis 1,48 Meter finanzieren werde - allerdings nur im Wolfsgebiet Schermbeck.

Im Wolfsgebiet Schermbeck sorgt das Wolfsrudel für die meisten Nutztierrisse in ganz NRW. © LANUV
Die Landwirtschaftskammer NRW, die bereits beratend beim Herdenschutz tätig war, entscheidet seit Jahresbeginn auch über Förderanträge und bewilligt den Schadensersatz für gerissene Nutztiere, bei denen das LANUV einen Wolf als Verursacher ausgemacht hat. Zuvor waren hier die Bezirksregierungen mit im Boot.
„Mehr Erfahrung mit Zäunen“
Bernhard Rüb, Sprecher der Kammer, ist es wichtig klarzustellen: „Es ist nicht so, als ob die Bauern das jetzt selber machen.“ Die Landwirtschaftskammer habe sich um diese hoheitliche Aufgabe „nicht gedrängelt“. Jürgen Höchst von der AG Wolf des Gahlener Bürgerforums sagt hingegen: „Wir sind froh, dass die Landwirtschaftskammer das übernommen hat.“ Denn die habe „mehr Erfahrung mit Zäunen als jemand vom LANUV“.
Unklar war bislang, wie in NRW ein Zaun für Pferde aussehen muss, der als wolfsabweisend gilt und gefördert werden kann. Hinter den Kulissen hat sich in dieser Frage in den letzten Wochen einiges getan, wie Fides Lenz, Referentin für kleine Wiederkäuer und Herdenschutz bei der Landwirtschaftskammer, berichten kann. „Wir orientieren uns an Niedersachsen.“

Mitglieder der Landwirtschaftskammer haben sich in Niedersachsen umgeschaut, wo wolfsabweisende Herdenschutzzäune für Pferde bereits seit längerer Zeit getestet werden. © Wolfgang Take
Für diese Pferde gibt es eine Förderung
Für drei Gruppen von Pferden sollen laut Lenz Förderungen in Zäune ermöglicht werden. Kleinpferde bis zu einem Stockmaß von 1,48 Meter, Pferde mit Fohlen bis zu einem Jahr („egal, wie groß die sind“) sowie Jungpferde bis maximal drei Jahren.
Also: Wie soll der wolfsabweisende Zaun für Pferde nun aussehen? Es müsse ein elektrifizierter Zaun mit mindestens fünf stromführenden Litzen sein, so Lenz. Diese müssten aus starren, ummantelten Drahtlitzen (etwa „HippoWire“) bestehen, die aufgrund der Kunststoff- und Kohlefaser-Ummantelung ein geringes Verletzungsrisiko und eine hohe Sichtbarkeit gewährleisten. Lenz: „Weil Pferde als Fluchttiere dazu neigen könnten, in den Zaun zu rennen.“
Höchstens 20 Zentimeter über dem Boden müsse die erste Litze hängen. Die nächsten beiden Litzen darüber müssten mit Abständen von maximal 20 Zentimetern angeordnet werden, die vierte Litze mit maximal 25 Zentimetern Abstand und die fünfte mit maximal 30 Zentimetern Abstand, so Lenz.
Mindestens 90 Zentimeter hoch
Rechnet man diese Abstände zusammen, kommt man auf maximal 1,15 Meter Höhe. Mindestens 90 Zentimeter muss der Zaun hoch sein. Und das soll reichen, um den Übersprung eines Wolfes zu verhindern? Das sei die Vorgabe, um eine Förderung zu erhalten, so Lenz, verweist aber auch darauf, dass bei der Beratung auch die Größe der Pferde berücksichtigt werde. „Es dürfen auch sechs Litzen sein.“ Empfohlen werde auch, nach innen eine Abstandslitze zu setzen.
„Ich habe da kein Verständnis für“, sagt der Gahlener Jürgen Höchst zu den Vorgaben mit 90 Zentimeter beziehungsweise 1,15 Meter hohen Zäunen. Die seien vielleicht dafür gut, „dass der Wolf nicht gerade durchgeht, was er hier noch nie gemacht hat“. Mehrfach habe das Bürgerforum gezeigt, dass Wölfe auch 1,20-Meter-Zäune überwinden.

Wolfgang Take von der Landwirtschaftskammer fotografierte diesen Zaun in Niedersachsen mit sechs stromführenden Litzen. In NRW sollen auch Zäune mit fünf Litzen gefördert werden können. © Wolfgang Take
Ist eigentlich gewährleistet, dass ein Wolf bei einem Übersprung tatsächlich einen Stromstoß bekommt? Das war unter anderem vom Bürgerforum in Zweifel gezogen worden. „Solange der Wolf keinen Fuß auf dem Boden hat, kriegt er keinen gewischt“, sagt Lenz. Bernhard Rüb erinnert in dem Zusammenhang an Hochspannungsleitungen, auf denen es sich Vögel gemütlich machen.
„3D-Effekt wie bei Gehegen im Zoo“
Lenz wirbt auch deshalb für einen „3D-Effekt“ bei wolfsabweisenden Zäunen. „Ähnlich wie bei Gehegen im Zoo.“ Also Litzen, die mit Abstand zum eigentlichen Zaun gesetzt werden, diesen breiter machen und ein Überspringen schwieriger. Konkrete Aussagen dazu könne man aber noch nicht treffen, da die Erfahrungswerte fehlten. Lenz schließt nicht aus, dass die Richtlinien weiter entwickelt werden müssen.
Gefördert wird laut Lenz nur die Optimierung bestehender Zäune. Wer also eine Wiese komplett neu einzäunen will, kann dafür nicht auf die Förderung zugreifen. Ein Antragsformular gibt es bislang auch noch nicht. Wer sich bereits jetzt bei der Kammer meldet, werde per E-Mail benachrichtigt, wenn die Antragsunterlagen da seien. „Wir vereinbaren dann Termine und fahren raus in die Betriebe, um zu beraten“, so Lenz. Diese Beratung sei auch wichtig, um Rückfragen zu vermeiden und für jeden Betrieb zu sehen, „wie sich das Relief darstellt“ - das könnte dem Wolf das Überspringen einfacher machen.
Bis zu 30.000 Euro können pro Betrieb an Fördermitteln abgerufen werden. Insgesamt 7,5 Millionen Euro könnte laut Schätzung des Umweltministeriums der Schutz der Pferde im Wolfsgebiet Schermbeck kosten. Jürgen Höchst ist angesichts der Höhenvorgaben der Zäune nicht dafür, „jetzt viel Geld auszugeben, um etwas errichten zu lassen, was nicht hilft“.
Entwicklung wie bei Schafen befürchtet
Höchst befürchtet eine ähnliche Entwicklung wie bei den Schafen, als zunächst 90-Zentimeter-Zäune, dann 1,20-Meter-Zäune gefordert worden seien, bei denen anschließend Übersprunghilfen bemängelt wurden. Pferde mit normaler Schulterhöhe oder Rinder seien in der jetzigen Förderung beispielsweise nicht inbegriffen.
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
