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2021: Wolfsrudel frisst nun auch Ponys
Jahresrückblick 2021
Wölfin Gloria und ihr Rudel haben 2021 im Wolfsgebiet Schermbeck für reichlich Schlagzeilen gesorgt. Die Umstellung der Jagdstrategie von Schafen auf Ponys sorgte für neue Betroffenheit.
Mit einem Ponyriss am 4. Januar in Hünxe startete das „Wolfsjahr“. Das Gahlener Bürgerforum bat den damaligen Ministerpräsidenten Armin Laschet um Hilfe und übte Kritik an NABU und BUND. Ein Sprecher des Umweltministeriums kündigte ein Gutachten zur Verhaltensauffälligkeit der Wölfin Gloria an und dass auch die Sicherung der Pferdeweiden neu erörtert werden müsse.
Das Gutachten erschien und stellte (noch) keine Verhaltensauffälligkeit der Wölfe fest. Kritisiert wurden vom Bürgerforum zahlreiche Details des Gutachtens. Eine verlässliche Antwort, wie Pferdeweiden wolfsabwehrend eingezäunt werden sollen, ist bislang nicht gegeben worden.
Petition mit mehr als 100.000 Unterstützern
„Wölfin Gloria soll nicht getötet werden“, das war der Titel eine Online-Petition, die auf mehr als 100.000 Unterstützer kam. Auch die „Gesellschaft zum Schutz der Wölfe“ meldete sich zu Wort und forderte Herdenschutzmaßnahmen. Die Wolfsschützer, ebenso der BUND, verwiesen darauf, dass ein Abschuss von Wölfin Gloria das Problem nicht lösen werde.
Eher ruhig um die Wölfe wurde es zwischen März und Mitte August. Denn in dieser Zeit ließen die Wölfe die Nutztiere im Wolfsgebiet Schermbeck in Ruhe. Anfang Mai stellte das Verwaltungsgericht Düsseldorf fest, dass es zu einem Abschuss von Gloria zumutbare Alternativen (Herdenschutz) gebe.
Wolf in die Dusche gesteckt
Die bislang wohl verrückteste Geschichte um die Wölfe ereignete sich am 27. Juni, als Spaziergänger in Hünxe einen vermeintlichen Hundewelpen fanden, der verdreckt und verletzt war. Sie nahmen ihn mit nach Hause, duschten und schamponierten ihn, fütterten ihn mit Hundefutter. Beim Besuch des Tierarztes rief der sofort beim Kreis an. Denn in Wirklichkeit handelte es sich um einen Wolfswelpen. Wenige Stunden nach dem Fund wurde der Welpe wieder ausgesetzt – über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Die Hoffnung bestand, dass das Rudel ihn wieder aufnehmen würde.
Mitte/Ende August endete dann mit einem Dammwildriss die monatelange Ruhe bei Nutztierhaltern. Während bis Ende September wieder Schafe auf der Speisekarte standen, wechselte das Rudel dann zu Ponys.
Neues Gutachten erstellt
Umweltministerin Ursula Heinen-Esser gab ein Rechtsgutachten in Auftrag, dass sich erneut mit einem möglichen Abschuss der Wölfin auseinandersetzte. Doch auch hier lautete die Einschätzung: Ein Abschuss der Wölfin ist nicht gerechtfertigt. Ein Schutz der Pferde im Wolfsgebiet Schermbeck würde laut Umweltministerium, das im November von sechs Wölfen ausging, 7,5 Millionen Euro kosten.
Dass Nutztierhalter, die Herdenschutzmaßnahmen umsetzen, dafür auch in die Kritik geraten können, wurde in diesem Jahr aber ebenfalls offensichtlich. So beschwerten sich einige Bürger über das Gebell von Herdenschutzhunden. Und ein verärgerter Großvater, dessen Enkelkind Mitte November an einen stromführenden Zaun einer Rinderhalterin gefasst hatte, forderte die Abschaltung des Stroms. Doch sowohl Ordnungsamt als auch die Herdenschutzbeauftrage stellten sich auf die Seite der Rinderhalterin.
Rudel traut sich auch an die Wohnbebauung heran
Für Aufsehen sorgte in Dorsten die zweimalige Sichtung eines Teils des Rudels in Dorsten in direkter Nähe der Wohnbebauung des Stadtteils Dorsten-Hardt. Besonders scheu waren die drei Wölfe jedenfalls nicht, die sich von einem Anwohner nur widerwillig vertreiben ließen.
Kurz vor Weihnachten kündigte Umweltministerin Ursula Heinen-Esser an, dass man die niedersächsische Verordnung auf nordrhein-westfälische Verhältnisse anpassen wolle. Ein Entwurf solle zu Jahresbeginn mit den Fraktionen im Landtag diskutiert werden.
Bedingungen für Entnahme von Wölfen
Entnahmen wären nach dem Vorbild Niedersachsen etwa möglich, wenn Wölfe sich Menschen gegenüber aggressiv zeigen, sich ihnen auf unter 30 Metern nähern oder wenn sie Wolfschutzzäune mindestens zweimal überwunden und ein Tier gerissen haben.
Letzteres aber erst, wenn solche Übersprünge eines 1,20-Meter-Elektrozaunes „mehrfach in engem zeitlichem Zusammenhang“ passieren, so die Ministerin. Ab 2022 würden Schutzzäune auch für Fohlen, Ponys und Jungpferde finanziell gefördert. Außerdem sollten Herdenschutzanträge von der Landwirtschaftskammer NRW bearbeitet werden, um die Verfahren zu straffen.
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
