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Überschwemmungsgebiet: Manuel und Lisa Lindner sorgen sich um ihr Haus
Überschwemmung
Manuel Lindner und 21 weitere Eigentümer und Pächter in Gahlen fürchten um ihre Existenz. Denn ihre Gebäude sollen als Überschwemmungsgebiet überplant werden - mit erheblichen Folgen.
Nach der Hochwasserkatastrophe Mitte 2021 hatte die Düsseldorfer Bezirksregierung den Entwurf für neue Überschwemmungsgebiete an der Lippe vorgelegt, die sich an einem Höhenmodell der Region sowie einem Hochwasser orientierte, wie es statistisch einmal in 100 Jahren erwartet wird.
Unter Wasser stehen in dieser Computer-Simulation dann auch viele Häuser an den Gahlener Straßen Im Aap und Brückenweg. Von den Plänen, dass diese Simulation als Grundlage für die Ausweisung als Überschwemmungsgebiete genutzt werden sollten, erfuhr der Gahlener Manuel Lindner erst aus der Zeitung. Er ärgert sich darüber, warum die Behörden nicht als erstes mit den Anwohnern gesprochen haben.
Manuel Lindner ist 38 Jahre alt. Seine Familie wohnt seit fast 100 Jahren in dem Haus neben dem Mühlenbach, etwa 200 Meter Luftlinie von der Lippe entfernt. „2003 stand die Lippe bis hier vorne“, zeigt Lindner neben sein Haus. Danach habe die Familie L-Steine gesetzt, „um mit dem Grundstück höher zu kommen“.
Stefan Steinkühler half bei der Formulierung
Nach dem ersten Schreck aufgrund der Planungen machte sich Lindner auf den Weg zu den Nachbarn, um sich gemeinsam gegen die Pläne der Bezirksregierung wehren zu können. Mit dem Gahlener Rechtsanwalt Stefan Steinkühler verfassten sie das Schreiben an die Düsseldorfer Regierungspräsidentin Birgitta Radermacher, in dem Anwohner deutlich machen, dass sie die grundsätzliche Zielsetzung der Verordnung für „sicherlich richtig“ halten.
„Aber es kann doch nicht sein, dass Grundstückeigentümer, die seit Jahrzehnten dort wohnen und ihre Existenz mühsam aufgebaut haben, auf einmal per Verordnung zu einem Überschwemmungsgebiet mit enteignungsgleichen Konsequenzen überplant werden, heißt es im Schreiben weiter.
Konkret fürchten die Betroffenen, dass sie, wenn ihre Häuser als Überschwemmungsgebiet überplant würden, „entweder keine Gebäude- oder Hausratversicherung mehr abschließen können oder nur zu horrenden Versicherungsprämien, was ebenfalls für den einen oder
anderen nicht mehr bezahlbar sein dürfte.“
„In der achten Generation auf unserem Hof“
„Meine Familie wohnt in der achten Generation auf unserem Hof“, sagt Anwohnerin Angelika Dahl (53): „Wir wollen da wohnen bleiben und das auch finanzieren können.“ Lindner erkundigte sich bei seiner Versicherung: Von Stufe 3 würde er auf 4 hochgestuft. Ein Nachbar habe sich das ausrechnen lassen und müsse dann im Jahr zwischen 6.000 und 8.000 Euro an die Versicherung zahlen, so Lindner.
„Ohne einen bezahlbaren Versicherungsschutz führt die von lhnen geplante Verordnung de facto zu einer Gefährdung unseres Bestandsschutzes und zu einer Existenzgefährdung unseres Eigentums“, so die Anwohner in dem Schreiben an die Regierungspräsidentin. Hinzu komme, dass Gebäude, sollten sie etwa aufgrund eines Naturereignisses wieder aufgebaut werden müssen, „an gleicher Stelle nicht mehr ohne Weiteres genehmigungsfähig“ wären. Auch fürchten die Anwohner, dass ihre Liegenschaften durch eine Ausweisung als Überschwemmungsgebiet „erheblich an Wert verlieren“.
„Wir sind nicht die einzigen“
Die Anwohner bitten deshalb darum, dass wenigstens die Gebäude aus der Planung herausgenommen werden. Die selbe Forderung hatten auch Verwaltung und Politik aufgestellt. Linder weiß noch von vielen anderen - Vereinen, Institutionen, Anwohnern - die ebenfalls Einwendungen erheben wollen. „Wir sind nicht die einzigen, die dagegen angehen.“
Lindner will eigentlich sein Haus umbauen, zum dritten Mal, und dabei energetisch aufrüsten. Nun fragt er sich, ob sich das noch lohnt und ob er das bei den allgemein gestiegenen Kosten noch bezahlen soll. Den Effekt, den eine Ausweisung seines Grundstücks als Überschwemmungsgebiet für ihn hätte, nennt er: „Enteignung!“
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
