
© picture alliance/dpa
Spaziergänger finden „Hundewelpen“ und stecken Wölfin in die Dusche
Wolf
Einen verletzten Welpen haben Spaziergänger am 27. Juni gefunden. Sie duschten und fütterten ihn. Und brachten ihn zum Tierarzt. Nun steht fest: Es war eine Tochter von Wölfin Gloria.
Im Wolfsgebiet Schermbeck, genauer gesagt in Hünxe, waren die Spaziergänger Ende Juni auf das Tier gestoßen. Sie hielten den Welpen für einen Hund. Da er verletzt und verdreckt war, nahmen sie ihn mit nach Hause, duschten und schamponierten ihn. Und fütterten ihn mit Hundefutter.
Die Finder brachten das Tier anschließend zum Tierarzt. Der stellte eine unbedeutende Wundstelle am Ohr fest. Wichtiger jedoch: Der Tierarzt wurde misstrauisch und meldete den Fund dem Kreis Wesel. „Mithilfe von Fotos wurde der Welpe vom LANUV als Wolf angesprochen; diese Einschätzung wurde von der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) bestätigt“, so das LANUV in einer Mitteilung.
Wölfin wurde wieder am Fundort ausgewildert
Nun ging es schnell: „Wenige Stunden nach dem Aufgreifen wurde die junge Wölfin durch die zuständige Behörde am Auffindeort ausgewildert“, so das LANUV - dies hätten die Experten gemeinsam beschlossen. Sprecher Wilhelm Deitermann sagt, es sei ein bekannter „Sammelplatz“ des Wolfsrudels.
Bei der veterinärmedizinischen Untersuchung wurde die junge Wölfin genetisch beprobt. Das Ergebnis der genetischen Untersuchung durch das Senckenberg Forschungsinstitut liegt jetzt vor. „Es handelte sich zweifelsfrei um einen Welpen des territorialen Wolfspaares mit der Kennung GW2307f“, so das LANUV - also eine Tochter von Wölfin Gloria.

Ob Wölfin Gloria ihre Tochter wieder annimmt, ist ungewiss. Doch die Experten von LANUV und DBBW nehmen auch das Risiko in Kauf, dass dies nicht mehr passiert. © Sabine Blaschke/dpa
Welche Chancen hat die junge Wölfin nun, dass ihre Eltern sie wieder annehmen? „Da Wolfswelpen einen ausgeprägten Eigengeruch und die Elterntiere über einen hervorragenden Geruchssinn verfügen, besteht nach Einschätzung von LANUV und DBBW die Aussicht, dass der Welpe von den Eltern gefunden und versorgt wurde“, so das LANUV in seiner Mitteilung.
Eigengeruch nicht komplett verdeckt
Gilt das auch noch, obwohl das Tier geduscht und schamponiert wurde? „Ja“, sagt LANUV-Sprecher Wilhelm Deitermann auf Nachfrage. „Die Einschätzung der Experten war, dass der Eigengeruch nicht komplett verdeckt ist.“
In Kauf nehmen die Experten aber auch die Möglichkeit, dass die Jungwölfin nicht überlebt. Deitermann: „Es sind Wildtiere. Die gehören in die Natur. Die Natur regelt das, auch wenn sich das sehr grausam anhört.“ Wenn Wolfseltern etwa entscheiden würden, eine junge Wölfin nicht weiter zu säugen, weil sie vielleicht zu schwach sei, „dann haben wir Menschen das zu akzeptieren“, setzt Deitermann auf den Instinkt der Tiere. „Die entscheiden selbst, was gut für die Population ist. Da sollten wir uns als Menschen nicht einmischen.“
„Auch wenn sich das grausam anhört“
Der LANUV-Sprecher sagt deutlich: „Egal, wie abgemagert ein Wolfsbaby aussieht: Es muss nicht gerettet werden, auch wenn sich das grausam anhört.“ Grundsätzlich vertrete das LANUV die Linie: „Es muss kein Tier aus der Feldflur gerettet werden.“ Doch Deitermann sagt auch: „Wenn sich ein Vogel etwa im Stacheldraht verfängt, kann man ihn retten.“ Dies sei auch gesetzlich geregelt.
Müssen die Welpenfinder noch mit einer Strafe rechnen? Da die Finder davon ausgegangen seien, dass es ein Hund war, sei dies nicht so, sagt Deitermann, und er wolle ihnen auch „nichts Böses nachsagen“. Dass Laien sich oft schwer tun, Hunde von Wölfen zu unterscheiden, ist bekannt. Es gebe auch den Trend, dass manche Hunderassen wieder wolfsähnlicher gezüchtet würden, so Deitermann.
Eine Unterscheidung bei Welpen vorzunehmen, sei schwierig. Fehleinschätzungen passierten sogar „denjenigen, die sich für absolute Experten halten“, sagt Deitermann. „Das ist absolutes Expertenwissen. Ein singuläres Nerd-Wissen.“ Deshalb würden solche Fälle auch stets nicht nur vom LANUV, sondern auch der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf geprüft.
Kot von Wölfin gefunden
Die Wölfin GW954f (Gloria) war zuletzt am 4. Juni 2021 durch einen Kotfund im Territorium genetisch nachgewiesen worden, der Wolfsrüde GW1587m am 7. Juni 2021 über den Fund eines Wildtierkadavers. Im Jahr 2020 hatte das Wolfspaar im Wolfsgebiet Schermbeck erstmals Nachwuchs.
Auf Fotos war immer maximal ein Welpe abgebildet. Durch einen Kotfund vom 14. März 2021 in Hünxe konnte schließlich ein männlicher Welpe mit der Kennung GW2089m identifiziert werden. Es blieb der einzige genetische Nachweis dieses Welpen im Wolfsgebiet Schermbeck. Offensichtlich war der junge Wolfsrüde wenig später laut LANUV in Richtung Westen abgewandert.
Er wurde nämlich zwischen dem 3. und 19. April 2021 mehrfach im belgischen Flandern nordöstlich von Antwerpen und dann am 24. April 2021 im niederländischen Nord-Brabant südlich von Rotterdam genetisch erfasst. Wölfe verlassen bis spätestens dem Ende des zweiten Lebensjahres das elterliche Rudel und wandern dann weit umher, manche mehrere hundert Kilometer weit.
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
