Jennifer Rademacher und Sigrid Zbanyszek wohnen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kläranlage.

© Lydia Heuser

Im Dienste der Wissenschaft: Riecht‘s in Schermbeck nach faulen Eiern?

rnBürgerbeteiligung

An einem Projekt zum Geruchsempfinden darf Schermbeck als einzige Kommune Deutschlands teilnehmen. Die Einwohner der Gemeinde sollen helfen, EU-weit schlechte Luft zu mindern.

Schermbeck

, 14.07.2020, 17:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Schermbecker Bürger können bei einem europaweiten Forschungsvorhaben zum Thema Geruch mitmachen. In neun Ländern Europas sowie in Uganda und Chile sammeln Bürger bereits Daten. Die Wissenschaftler, die hinter dem von der EU geförderten Projekt „D-NOSES“ stecken, möchten die Menschen zum Schnuppern motivieren.

Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, um mitzuhelfen

Simone Rüfenacht leitet das Projekt in Deutschland für den „Verein für europäische Bürgerwissenschaften“. Sie und ihr Team haben Schermbeck als einzige Kommune in Deutschland auserkoren, deren Bürger bei dem Projekt mitmachen dürfen. Rüfenacht möchte wissen: „Wie riecht Schermbeck?“

„Es sind alle Bürgerinnen und Bürger von Dämmerwald und Voshövel über Damm, Gahlen und Besten bis hin zu Alt-Schermbeck zu diesem Projekt eingeladen“, heißt es in der Pressemitteilung.

Die Emscher-Genossenschaft hatte von dem Projekt auf einer Konferenz zur Bürgerbeteiligung erfahren und machte Rüfenacht auf das Gebiet rund um Emscher und Lippe aufmerksam gemacht. Da sich die Gemeinde offen für das Projekt zeigte, fiel die Wahl auf Schermbeck.

Das Kanalnetz als Geruchs-Übeltäter

Rüfenacht vermutet, dass die Schermbecker das Kanalnetz, durch das die Abwasser zur Abwasserreinigungsanlage fließen, als Geruchsschwerpunkt ausmachen werden. Vorab hat sie deshalb schon Kontakt zur Gemeinde, die für das Kanalnetz zuständig sei, und zum Lippe-Verband aufgenommen. Vom Abwasser könne ein Geruch nach faulen Eiern ausgehen.

„Das sind die Sulfide“, so die Biologin. In einem Online-Workshop möchte sie von Schermbeckern erfahren, ob sie mit ihrer Vermutung richtig liegt. Vielleicht gibt es ja noch ganz andere Gerüche, die stören? Riecht das Kanalnetz nie nach faulen Eiern oder nur zu bestimmten Zeiten.

So nehmen Anwohner die Kläranlage wahr

Jennifer Rademacher und Sigrid Zbanyszek leben in direkter Nachbarschaft zur Kläranlage an der Alten Poststraße. Es komme vielleicht sechs, sieben Mal im Jahr vor, dass sie im Haus die Kläranlage riechen, bestätigten sie am Dienstag. „Wenn der Wind von Osten kommt und es schwül ist“, erklären sie. An der alten Bahnstrecke hingegen stinke es häufiger.

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„Früher schwamm Waschmittelschaum auf dem Mühlenbach“, erinnert sich Sigrid Zbynyszek. Dieses Bild gehöre aber längst der Vergangenheit an. Seit die Kläranlage ausgebaut wird, stört sie eher der Lärm. „Als vorletzten Sommer die Nachklärbecken gebaut wurden, gab es sehr viel Krach und Schmutz. Um halb sieben wurden wir durch den Rüttelalarm geweckt.“

Der beste Sensor? Die menschliche Nase

Corona-bedingt startet die Datenerhebung mit Verzögerung, eigentlich wollte Simone Rüfenacht schon im Frühjahr beginnen. Nun möchte die Biologin zunächst alle Interessierten zu einem Online-Workshop am Montag, 20. Juli, einladen. Zwei Termine stehen zur Wahl: um 12 oder um 18 Uhr.

Dann erfahren die Teilnehmer mehr über das Projekt und entwickeln eine Fragestellung. Denn: Rüfenacht will ganz offen ans Thema rangehen. Die Bürger sollen nicht bloß schlechte Gerüche melden, sondern auch Orte in Schermbeck ausmachen, die besonders gut riechen.

Simone Rüfenacht leitet das Projekt "D-NOSES" in Deutschland.

Simone Rüfenacht leitet das Projekt "D-NOSES" in Deutschland. © privat

„Der beste Sensor ist die menschliche Nase“, weiß die Wissenschaftlerin. Deshalb sollen Schermbecker morgens und abends ihr Fenster öffnen und schnuppern. Ihre Eindrücke können sie dann in eine App eintragen oder händisch auf Papier festhalten. Die Bürger sollen aber nicht nur Daten liefern, sondern auch teilhaben an der Verwendung der Daten und politisch etwas bewegen.

Deutschland als Vorreiter in Sachen gute Luft

Deutschland sei mit seinem Bundes-Immissionsschutzgesetz „Vorreiter“, was Geruchbelästigung angeht. „Andere Länder Europas warten eher darauf, dass auf EU-Ebene Regelungen verabschiedet werden“, weiß Rüfenacht. Deshalb sei das Projekt so wichtig.

Wer am Online-Workshop am Montag, 20. Juli, um 12 oder 18 Uhr teilnehmen will, kann sich unter www.dnoses-ws-mittag.eventbrite.de (für 12 Uhr) oder unter oder www.dnoses-ws-abend.eventbrite.de (für 18 Uhr) anmelden. Bei Fragen oder Anmerkungen kann das Projektteam über simone.ruefenacht@mfn.berlin oder 030 889140 8771 erreicht werden. Das Projekt „D-NOSES“ läuft seit April 2018 bis März 2021. Wegen der Corona-Pandemie wird es aber ein halbes Jahr länger von der EU gefördert. Das Forschungsprojekt verbindet Geruchsempfinden und Bürgerwissenschaften. In Deutschland wird es vom Verein für europäischen Bürgerwissenschaften geleitet, den das Museum für Naturkunde in Berlin ins Leben rief.