
© Berthold Fehmer
Neue Krankenstation für Sierra Leone war ein echter Kraftakt
Krankenstation
Eine Krankenstation haben GAGU-Zwergenhilfe und Rotary Club Lippe-Issel in Sierra Leone mit Hilfe aus Schermbeck, Raesfeld und Dorsten gebaut. Laut Gudrun Gerwien geht es nun um Vertrauen.
Malaria, Ebola - jetzt Corona? „Die Leute haben andere Sorgen“, hat Stephan Proff, amtierender Präsident des Rotary Clubs Lippe-Issel, bei seiner Reise nach Sierra Leone zum „Home of Hope“ in der Nähe der Hauptstadt Freetown festgestellt. Eine siebenköpfige Gruppe aus Schermbeck war im Januar und Februar dort, um bei der Fertigstellung der Krankenstation auf dem Gelände des von den GAGUs betriebenen Waisenhauses zu helfen.
„Die medizinische Versorgung ist grottenschlecht“, sagt GAGU-Vorsitzende Gudrun Gerwien über Sierra Leone, wohin sie seit Jahren reist. Mit einer Reise-Apotheke, „besser ausgestattet als die Krankenstationen vor Ort“. Nur wenige Menschen könnten sich einen Aufenthalt im Krankenhaus leisten.
Und: „Das Vertrauen in die Kliniken fehlt“, so Gerwien. „Die Leute gehen eher zu ihren Voodoo-Ärzten.“ Sie berichtet von der Frau eines Bürgermeisters, die sich den Arm gebrochen habe. Dieser sei heftig angeschwollen, aber trotz eindringlicher Ermahnung sei die Frau erst nach 14 Tagen zum Krankenhaus gegangen. „Dort musste der Arm unter Narkose noch mal gebrochen werden, weil er falsch zusammengewachsen war“, so Gerwien. Die GAGUs hätten sich in den letzten Jahren viel Vertrauen erworben - das soll nun auch auf die Krankenstation übergehen.

Dieser Krankenwagen wird seinen Dienst an der Krankenstation GAGURO verrichten. Krankentransporte sind ansonsten in Sierra Leone schwierig, weil die wenigsten motorisiert sind, und wenn, dann nur auf Mopeds zurückgreifen können. © privat
Corona warf die Planung zurück
Unter dem damaligen Präsidenten Helmut Ackmann aus Raesfeld nahm der Rotary Club Lippe-Issel 2019 erstmals die Planung für eine Krankenstation auf. Mehr als 90.000 Euro (inklusive eines Krankenwagens) hat der 50 Mitglieder zählende Club mittlerweile investiert. 2020 habe der Rohbau gestanden, so Proff - dann warf Corona die Planung zurück.

Eines der Behandlungszimmer in der neuen Krankenstation © privat
Etwas früher als die siebenköpfige Gruppe kam in Sierra Leone der randvoll gepackte und etwa einen Monat vorher losgeschickte Container an. Darin Farbe, Fliesen, ein Generator, Stühle aus dem Landhotel Voshövel, medizinisches Material aus zwei Essener Kliniken, zehn Pflegebetten von der Caritas Dorsten, 30 Matratzen von der Raesfelder Firma Funke Medical.
Außerdem ein gynäkologischer Stuhl. „Wir wollen vor Ort mit einer Hebamme arbeiten, die auch Geburtshilfe durchführen kann“, so Proff. Gerwien ergänzt: „Die Schwangerschaftsberatung wird wahrscheinlich sehr gut angenommen. Es gibt viele minderjährige Mädchen, die schwanger werden.“

Die Frau des Vizepräsidenten durfte am 6. Februar das Band durchschneiden für die neue Krankenstation. © privat
Genehmigung noch nicht erteilt
Am 6. Februar wurde die „GAGURO“ getaufte Station (aus GAGU und ROtary gebildet) eröffnet. Ein „Oberer Arzt“, so Gerwiens Übersetzung für den Mediziner vor Ort, der die Aufsicht über die Arztpraxen hat, habe bei einem Besuch der neuen Krankenstation festgestellt: „Sowas hatte er noch nicht gesehen in ganz Sierra Leone“, so Gerwien. Sie ist zuversichtlich, dass die noch fehlenden Genehmigungen nun bald kommen, sodass am 1. Juni der Betrieb aufgenommen werden kann.
Ein Arzt, eine Oberschwester und zwei Schwestern sollen dort arbeiten. Die Personalkosten tragen die Rotarier, wobei die Patienten einen Beitrag nach ihren finanziellen Möglichkeiten leisten sollen. Laut Proff ist sichergestellt, „dass jeder, der behandelt werden muss, auch behandelt wird“.
Kosten explodieren durch den Krieg
Sorge bereitet der Krieg in der Ukraine auch in Sierra Leone. „Die Spritpreise haben sich mehr als verdoppelt“, sagt Gerwien. Eine Karotte auf dem Markt koste mittlerweile umgerechnet 40 Cent. „Die Leute haben keine 40 Cent.“ Überlegt wird derzeit bei den GAGUs, ob man auf dem Gelände des „Home of Hope“ Gemüse anbauen kann.
Bemerkbar sei der Krieg auch beim gesunkenen Spendenaufkommen: „Die Ukraine ist näher dran - da wird viel gemacht“, sagt Gerwien, ohne einen Vorwurf machen zu wollen. Spenden würden in Sierra Leone derzeit für die jungen Menschen gebraucht, die das Waisenhaus verlassen. Viele von ihnen wollen studieren - etwa 150 Euro pro Monat brauchen sie für das Nötigste. „Es muss weiter gehen, sonst waren die letzten zehn Jahre in den Sand gesetzt“, sagt Gerwien.
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
