Lange war es verhältnismäßig ruhig um die Wölfe im Schermbecker Territorium. Doch zuletzt steigt die Zahl der getöteten Schafen spürbar an: Am 2. September wurden laut LANUV in Kirchhellen 13 Tiere (Schafe und Ziegen) gerissen. Das Gahlener Bürgerforum spricht sogar von 15.
„Zwei weitere Tiere sind in Folge des Stresses verendet. Bei den restlichen 15 Tieren sind ebenfalls starke Symptome (Stress) zu erkennen. Diese 15 Tiere werden nun dem Schlachthof zugeführt. Somit sind 15 der ursprünglichen 30 Tiere tot und weitere 15 Tiere werden geschlachtet.“
Auch in Schermbeck wurden tote Schafe gemeldet am 27. September (1), 30. September (zwei Schafe tot, eins verletzt) sowie am 2. Oktober (1). Ob und von welchen Wölfen die Tiere gerissen wurden, wird aktuell laut LANUV noch untersucht.
Schnelle Ausnahmegenehmigung
Ein Fall wie in Kirchhellen könnte in Zukunft weitreichende Folgen haben. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat vorgeschlagen, in Regionen „mit erhöhtem Rissvorkommen“ eine schnelle Ausnahmegenehmigung für den Abschuss von Wölfen zu ermöglichen.
21 Tage lang, so Lemkes Vorschlag, soll auf Wölfe geschossen werden dürfen, die sich im Umkreis von einem Kilometer um eine Rissstelle aufhalten. Ohne einen DNA-Test abzuwarten - dieser soll nur nachträglich klären, ob der „Problemwolf“ auch wirklich geschossen wurde. Durch die Umkreis-Regelung sei es wahrscheinlicher, den schadenverursachenden Wolf zu treffen, so Lemke. Wissenschaftlich erwiesen sei, dass Wölfe es nach erfolgreichen Übergriffen bei derselben Herde oft erneut versuchen.
Schnellere Verfahren
Schnellere Verfahren, mehr Schutz für Weidetierhalter sowie Rechtssicherheit verspricht Lemke. Der Vorschlag liegt nun bei den Ländern, ein Beschluss bei der Umweltministerkonferenz Ende November wird angestrebt. NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) hat bereits Sympathie geäußert und dabei auch Wölfin „Gloria“ in Schermbeck benannt.
Auf Ablehnung stößt Lemkes Idee bei den NABU-Vorsitzenden in Borken, Bottrop und Wesel. Laut Rolf Fricke (NABU Bottrop) ist der Grundschutz nur bei relativ wenigen Weidetieren im Territorium Schermbeck erfüllt.
„Viele Tierhalter verweigern sich seit Langem trotz guter Aufklärung der Landwirtschaftskammer und staatlicher Förderung.“ Die Auslegung der drei NABU-Vorsitzenden „Kein Grundschutz im Gebiet, also keine ‚Region mit erhöhtem Rissvorkommen‘“ ist aber zumindest gewagt.
Hintergrundpapier
Denn im Hintergrundpapier des Umweltministeriums findet sich das so nicht. „Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen sind räumlich abgegrenzte Bereiche, so zum Beispiel ein oder mehrere Landkreise, in denen ein signifikant erhöhtes Rissvorkommen auf mindestens mit Grundschutz geschützte Tiere nachgewiesen ist.“ Von flächendeckendem Grundschutz ist da nicht die Rede.
Es seien auch andere Fragen nicht beantwortet, so die NABU-Vorsitzenden. Etwa der Schutz von Elterntieren - festgeschrieben im Bundesjagdgesetz. Frank Boßerhoff (NABU Wesel): „Wer bestehende Rudelstrukturen zerschießt, macht zusätzliche Nutztierrisse und verhungernde Jungtiere wahrscheinlicher.“ Martin Fricke: „Vertreter der örtlichen Jägerschaft haben zu den Schnellabschüssen daher schon öffentlich abgewunken. Sie wollen nicht schießen, das Risiko ist ihnen zu hoch.“
Missbrauch
Die NABU-Vorsitzenden fürchten, dass Lemkes Vorschlag missbraucht wird: „In den einschlägigen Internetforen kursieren bereits jetzt konkrete und relativ einfach umzusetzende Ideen, wie Schnellabschüsse provoziert werden können oder wie die vorgeschlagenen Vorschriften zur Tarnung illegaler Tötungen nutzbar sind.“
Schnellabschüsse würden nicht zum Zaunbau motivieren. Martin Frenk (NABU Borken): „Solange der Herdenschutz in der Region mangelhaft bleibt, helfen Abschüsse dieser Art den Weidetierhaltern nicht, denn der nächste Wolf wird nicht lange auf sich warten lassen. So macht das keinen Sinn.“
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