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Mühlenberg ist eine Gefahr für die Umgebung - auch ohne Ölpellets
Ölpellets-Skandal
Der Ölpellets-Skandal braucht einen neuen Namen. „Das Sickerwasser darf nicht in die Gewässer gelangen“, warnt Gutachter Michael Kerth. Die Gefahr geht dabei nicht von den Ölpellets aus.
Rund drei Stunden standen am Dienstag der Gutachter, Vertreter des Umweltministeriums, der Bezirksregierung und des Kreises im Umweltausschuss der Gemeinde Rede und Antwort. Das Puzzle, was alles an der ehemaligen Tongrube in Gahlen falsch gelaufen ist, setzte sich so wieder ein Stückchen weiter zusammen - manche Details sorgten bei Ausschussmitgliedern für Kopfschütteln.
? Warum geht von der Tongrube eine Gefahr aus?
Zu Beginn des Ölpellets-Skandals wurde von den 30.000 Tonnen giftiger Pellets, die illegal über vier Jahre in der ehemaligen Tongrube verbuddelt wurden, als dem eigentlichen Problem ausgegangen. Gutachter Michael Kerth sagt, die Schadstoffbelastung der Sickerwässer liege „teilweise extrem über den Normen“ mit sehr hohen Salz- und erhöhten Schwermetallgehalten. Es mache Sinn, die chemischen Reaktionen im Mühlenberg, der auch mit Aschen aus Verbrennungsprozessen, Schlacken aus der Verhüttung von Eisen oder aus der Kupfererzeugung, Boden und Bauschutt, befüllt wurde, zu untersuchen „Von den Ölpellets sehen wir heute analytisch im Sickerwasser nichts.“
? Wird es weitere Bohrungen geben?
Stefan Steinkühler (Grüne) forderte weitere Bohrungen, um herauszufinden, welche Schadstoffe noch im Mühlenberg stecken. Kerth hingegen sieht dies skeptisch: Mit jeder weiteren Bohrung erhalte man nur „einen Nadelstich“. „Wir sehen dem Material ja gar nicht an, was es ist. Mit dem gleichen Aufwand kriegen wir viel mehr Informationen aus dem Sickerwasser als mit Bohrungen.“
? Wo kann oder könnte Sickerwasser austreten?
Die Gefahr sieht Kerth weniger an der Sohle, sondern an den Seiten. Er glaubt, dass die bisherige Sickerwassererfassung mittel- oder langfristig versage. So fließe etwa nur an einem von fünf Sickerwasserschächten „ergiebig“ Wasser nach. Was bei den anderen in 40 bis 45 Metern Tiefe passiert, wisse man nicht wegen mangelhafter Dokumentation. Kerth sprach sich für horizontale Schächte und eine Ring-Drainage aus.
? Was passiert jetzt?
Kerth soll dem Kreis Wesel bei den angeordneten Untersuchungen als sachkundiger Gutachter zur Seite stehen, sagte Helmut Czichy, Vorstandsmitglied der Kreisverwaltung. „Auf Kosten des Kreises Wesel, weil wir jedem Verdacht von vorneherein begegnen wollen.“ Anhand der Untersuchungen sollen die zu treffenden Maßnahmen bestimmt werden, die bis zu 50 Millionen Euro kosten könnten. Dies werde die finanziellen Möglichkeiten der Firma Nottenkämper übersteigen, prognostizierte Florian Schanz (SPD). Czichy sagte, er wolle nicht spekulieren.
? Wer bekam den meisten Unmut der Politiker ab?
Massive Kritik wurde am Kreis geäußert. Eine Entschuldigung oder „Demut“, wie es Stefan Steinkühler forderte, gab es von Helmut Czichy nicht: „Ich bin nicht glücklich darüber, wie das in den Jahren zuvor gelaufen ist.“ Er widerspreche aber „der Aussage des Versagens des Kreises“. Es habe eine „unglückliche Entwicklung“ gegeben, das Deponierecht sei ganz massiv in der Zwischenzeit geändert worden und: „Wir schauen nach vorn.“

Matthias Börger (l.) von der Bezirksregierung Düsseldorf berichtete von einer Klage zu den zugelassenen Abfallarten - entschieden wurde darüber erst viele Jahre später. © Berthold Fehmer
? Welche Rolle spielte der Kreis Wesel vor dem Ölpellets-Skandal?
Matthias Börger vom Dezernat Abfallwirtschaft der Bezirksregierung Düsseldorf berichtete auf Nachfrage Steinkühlers von einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Als der Kreis per Bescheid die zur Verfüllung zugelassenen Abfallarten 1999 deutlich erhöht habe, habe seine Behörde den Kreis angewiesen, den Bescheid zu verändern und die Abfallarten zu reduzieren. „Gegen diesen Bescheid ist geklagt worden.“ Bis das Urteil 2006 (!) gesprochen wurde, konnten die im ersten Bescheid aufgeführten Abfälle eingelagert werden, was dazu führte, dass die Oberflächenabdichtung nach DK1-Deponieklassenstandard ausgeführt werden musste. Stefan Steinkühler sarkastisch in Richtung Helmut Czichys: „Vielen Dank, Kreis Wesel!“
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
