Die Ausstellung im Schermbecker Heimatmuseum zeigt viele Fotos und Dokumente, die sich mit der Freizeitstätte „Haus Berta“ am Freudenberg befassen.

© Helmut Scheffler

„Haus Berta“: Jüdische Jugend wurde für Leben in der Fremde trainiert

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Nur vier Jahre existierte die Freizeitstätte „Haus Berta“, bevor sie in der Reichspogromnacht zerstört wurde. Jüdische Kinder sollten dort auch für ein Leben in der Fremde trainiert werden.

Schermbeck

, 06.12.2021, 16:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Zum deutsch-jüdischen Festjahr zur 1700-jährigen Geschichte der Juden in Deutschland zeigt der Heimat- und Geschichtsverein Schermbeck im Heimatmuseum (Steintorstraße 17) seit Sonntag die Ausstellung „Haus Berta – Jüdisches Jugendfreizeitheim am Freudenberg“. Bis Februar 2022 ist das Museum an jedem ersten Sonntag im Monat von 10 bis 13 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet, ab März an jedem Sonntag. Anmeldungen für Sonderführungen für Gruppen bei Rolf Blankenagel unter Tel. (02853) 3085.

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Die Materialien für die Ausstellung hat der ehemalige Schermbecker Pfarrer Wolfgang Bornebusch in den 1980er-Jahren zusammengetragen. Während einer Amerikareise erfuhr er von den umfangreichen Materialien über das Haus Berta.

Alter Lokomotivschuppen

Auf mehreren Tafeln im Heimatmuseum wird das Haus Berta vorgestellt. Ursprünglich eine schlichte Baracke, ein Lokomotivschuppen für einen Kiesbaggerbetrieb. Da, wo sich heute am Freudenberg die Auffahrt zur Autobahn 31 in Richtung Emden befindet.

Der spätere Besitzer Julius Goldschmidt erlaubte dem Kyffhäuserbund, den inzwischen verfallenen Schuppen als Unterkunft für den Freiwilligen Arbeitsdienst (FAD) einzurichten. Nach Beginn der Nazi-Zeit gab der Kyffhäuserbund das Haus Berta auf.

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Neuer Pächter wurde 1934 auf Betreiben von Leo Gompertz der „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“ (RjF). Gompertz war Initiator, Begründer und Motor dessen, was dann Haus Berta wurde - benannt nach der Mutter von Julius Goldschmidt.

Vorbereitung auf primitive Lebensverhältnisse

Nach 1933 wurden die Juden in Deutschland zunehmend vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Jüdische Jugendbünde, Gemeinden und andere Organisationen suchten nach Möglichkeiten, um ein Mindestmaß an Bildung, Freizeit und Erholung für ihre Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten. Das Haus Berta sollte aber mehr sein: Jugendliche sollten dort vorbereitet werden auf ein Leben in einem anderen Land. Das bedeutete auch, Hebräisch zu lernen, auf ein Siedlerleben vorbereitet zu werden, zu trainieren, mit sehr primitiven Lebensverhältnissen zurechtzukommen.

Diese Frankfurter Gruppe steht stellvertretend für die Gruppen aus vielen Regionen Deutschlands, die ihre Freizeit im „Haus Berta“ verbrachten.

Diese Frankfurter Gruppe steht stellvertretend für die Gruppen aus vielen Regionen Deutschlands, die ihre Freizeit im „Haus Berta“ verbrachten. © Helmut Scheffler (Repro)

„Es bedeutete für mich die Erfüllung eines Wunschtraums und einen Höhepunkt meines jüdischer Arbeit gewidmeten Lebens, als ich am Sonntag, dem 29. Juli 1934, das Ferien- und Umschichtungsheim Haus Berta… in würdiger Feier seiner Bestimmung übergeben konnte“, schrieb der später in die USA emigrierte Leo Gompertz im Jahr 1965.

In kürzester Zeit bauten Jugendliche und Erwachsene die Baracke zu einem Freizeitheim aus. Dass das Haus Berta eine überregionale Bedeutung besaß, beweist ein Blick auf die Redner der Einweihungsfeier, die zum Teil aus Berlin oder Köln kamen. Aber auch Beobachter der Nazi-Organisationen SA und SS waren zugegen.

Der Tagesablauf auf dem Gelände des „Haus Berta“ begann mit einem Fahnenappell.

Der Tagesablauf auf dem Gelände von „Haus Berta“ begann mit einem Fahnenappell. © Helmut Scheffler (Repro)

Waldlauf vor dem Frühstück

Hunderte von jüdischen Jugendlichen, vor allem aus dem Rheinland, aus Westfalen, Hessen und darüber hinaus, verbrachten Freizeiten im Haus Berta. 1964 schilderte der in Santiago de Chile wohnende Leo Auerbach, der für die Küche im Haus Berta zuständig war, den typischen Tagesablauf: „Schon um 6 Uhr morgens wurde geweckt. Dann schickte man die ganze Belegschaft zum Waldlauf. Dann war Fahnenappell mit Verlesung der Tagesordnung, Bericht der Nachtwachen und Einteilung der Stuben- und Küchendienste sowohl wie die Nennung der Fahnenwache für den Tag.“

Eng getaktet ging es weiter mit Arbeit, Sport, Spiel und Vorträgen. Abends um 19 Uhr gab es wieder einen Fahnenappell. Die Gruppen schliefen teils in Schlafsälen, einer für Jungens und einer für Mädels, teils in Zelten, die sich viele Gruppen mitbrachten.

Nur einige Jahre lang konnte Haus Berta so arbeiten. Dann kam das Verbot. Während eines Schabbatgottesdienstes wurde es im Jahre 1937 geschlossen. In der Reichspogromnacht des Jahres 1938 wurde es angezündet und zerstört.