Im Rahmen der Gedenkveranstaltung der Gesamtschule zur Pogromnacht besuchten die Teilnehmer am Donnerstag auch den Friedhof der ehemaligen jüdischen Gemeinde.

© Helmut Scheffler

Gedenken an Pogromnacht: Fanatische Nazis lehrten Juden das Fürchten

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„Wir weinten und schrien, wussten nicht, ob wir die Nacht überleben würden.“ Aus den Erinnerungen jüdischer Zeitzeugen der Pogromnacht zitierten Gesamtschüler bei einer Gedenkveranstaltung.

Schermbeck

, 12.11.2021, 17:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Zwei Tage nach dem 9. November, an dem – parallel zur Erinnerung an den Mauerfall vor 32 Jahren - deutschlandweit der Reichspogromnacht des Jahres 1938 gedacht wurde, lud die Gesamtschule zu einer Gedenkveranstaltung ein, die auf dem Schulhof begann und anschließend zu drei Stationen im Ort führte.

An der Veranstaltung, die von der Q2-Stufe mit ihren Lehrern Anna Zerhusen und Kai Heister vorbereitet wurde, nahmen auch der stellvertretende Bürgermeister Uli Stiemer und die Pfarrer Hans Herzog und Wolfgang Bornebusch teil,

Stolpersteine in der Georgstraße

Vier Stolpersteine in der Georgstraße, die der Künstler Gunter Demnig im Juni 2010 vor dem Wohnhaus der jüdischen Familie Schönbach ins Straßenpflaster einarbeitete, und weitere Stolpersteine nahmen Q2-Schüler zum Anlass, über die ehemalige jüdische Gemeinde in Schermbeck zu informieren. Sie berichteten vom ersten Nachweis einer jüdischen Besiedlung im 17. Jahrhundert. Im Jahr 1855 lebten in Schermbeck 97 jüdische Bürger. Die Gemeinde schrumpfte zu Beginn der NS-Zeit auf 20 bis 30 Personen zusammen. Die letzten jüdischen Bürger Schermbecks sind für das Jahr 1942 nachgewiesen.

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Die Juden wohnten in der Mittelstraße und in ihren Seitenstraßen. Familiennamen wie Anschel, Leffmann, Jonas, Metzger, Moses, Benjamin, Hoffmann, Sternberg, Adelsheimer, Schönbach und Marchand erinnern an Schermbecker Juden.

Juden passten gut in das soziale Gefüge

Die Juden seien ganz normale Bürger gewesen, die gut in das soziale Gefüge des Kleinstädtchens gepasst hätten, so die Gesamtschüler. Auf alten Fotos hatten die Schüler entdeckt, dass Hugo Schönbach Mitglied der Kilian-Schützengilde war. Paula Adelsheimer bestieg im Jahre 1929 den Thron der Kilianer. Gustav Adelsheimer war Mitglied in einem Schermbecker Kegelclub und Jonas Jonas war Mitbegründer der Freiwilligen Feuerwehr.

Zu den bedeutendsten Gebäuden gehörte die im Jahre 1809 erbaute erste Synagoge. Sie befand sich zwischen der heutigen Mittelstraße 37 und der Töpfergasse. Diese kleine Synagoge sei bis 1824 benutzt worden. Nach zweijähriger Bauzeit sei die neue, größere Synagoge im Bereich der Georgstraße 28 bis 30 eröffnet worden. In der Reichspogromnacht sei die Synagoge in der Nacht vom 9. zum 10. November zwar verwüstet worden. Auf das Abbrennen habe man jedoch wegen der Angst vor einem Übergreifen des Brandes auf die Häuser in der Nachbarschaft verzichtet.

Eine anschauliche Passage aus dem Bericht der inzwischen verstorbenen jüdischen Zeitzeugin Marga Randall über die Vorgänge am 9. und 10. November las eine Gesamtschülerin vor: „Um 22 Uhr wurde ich plötzlich von Lärm geweckt… Ich lief zum Fenster und sah braununiformierte Jungen und Männer, die Backsteine in der einen und Fackeln in der anderen Hand trugen. Sie sangen hässliche antijüdische Lieder… Wir weinten und schrien, wussten nicht, ob wir die Nacht überleben würden.“

„Kanarienvogel war zu Tode getrampelt“

Den Zustand des elterlichen Hauses am nächsten Tag beschrieb Randall: „Die meisten unserer Möbel und Besitztümer lagen in Stücke zerhackt auf der Straße. Nicht einmal ein Stuhl war heil geblieben. Opas schöner gelber Kanarienvogel war zu Tode getrampelt.“

Die Schüler schmückten die Grabsteine mit mit Steinen und Kerzen.

Die Schüler schmückten die Grabsteine mit mit Steinen und Kerzen. © Helmut Scheffler

Die zweite Station erreichten die Teilnehmer zu Fuß am Bösenberg. Dort befindet sich der jüdische Friedhof. Nach dem Vortrag mehrerer Statements von Zeitzeugen durften die Schüler Friedhof betreten und Grabsteine mit Steinen und Kerzen schmücken.

Vom Bösenberg führte der Rundgang zurück zur Gesamtschule, zu einem Reststück der Berliner Mauer. Vor dem Mauerstück stehend, erläuterten die Gesamtschüler die chronologischen Vorgänge zwischen dem Mauerbau am 13. August 1961 und ihrem Abriss im Jahre 1990. Beim Abschied versprach Pfarrer Wolfgang Bornebusch, die Q2-Schüler zu besuchen, um ihnen seine langjährigen Forschungen zur jüdischen Gemeinde vorzustellen.

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