Halterner nimmt Polizist in Schwitzkasten - „Hatte Angst um mein Leben“

© Berthold Fehmer

Halterner nimmt Polizist in Schwitzkasten - „Hatte Angst um mein Leben“

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Nach einer Verkehrskontrolle auf der B 58 in Schermbeck hat ein Halterner Familienvater (56) einen Polizisten in den Schwitzkasten genommen. Er sagt: „Ich hatte Angst um mein Leben.“

Schermbeck, Haltern

, 10.05.2021, 14:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Der dreifache Familienvater war am 12. September 2020 auf der B 58 in Schermbeck unterwegs und hatte es eilig. Er überholte zwei Polizisten, die ihn wegen auffälliger Fahrweise kontrollierten. „Ihr wisst doch, dass ich keinen Führerschein habe“, sagte er ihnen.

„Sehr starke Stimmungsschwankungen“ habe der Mann gezeigt, sagte einer der Polizisten (26) am Montag im Weseler Amtsgericht aus. Als der 26-Jährige das Portemonnaie des Halterners durchsuchte, sei der aggressiv geworden. Der Polizist fand den Führerschein, doch der war laut Abfrage nicht mehr gültig.

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Die Beamten untersagten die Weiterfahrt, stellten das Auto sicher. Der Halterner kündigte an, mit dem Bus nach Hause zu fahren. Doch als die Polizisten wenig später wieder zur B 58 kamen, sahen sie, wie er an der vielbefahrenen Bundesstraße auf dem Standstreifen in Richtung Haltern lief. An der Auffahrt der Maassenstraße habe er beim Überqueren sich und andere in Gefahr gebracht, so die Aussage der Beamten: Deshalb hätten sie beschlossen, ihn in Gewahrsam zu nehmen.

Situation eskalierte im Maisfeld

Der Halterner flüchtete, stieg über die Leitplanke und rutschte einen steilen Abhang hinunter. Der ältere der beiden Beamten (32) ergriff sein Handgelenk, um einen Sturz zu verhindern. Nachdem beide in ein Maisfeld gerutscht waren, wehrte sich der Halterner weiter. Der jüngere Polizist eilte zu Hilfe und wollte den Mann von hinten zu Boden bringen.

Während beide Beamten aussagten, der Halterner habe den jüngeren Beamten in den Schwitzkasten genommen, und dann seien beide zu Boden gegangen, sagte der Halterner: „Ich habe gefragt, ob ich verhaftet bin. Darauf habe ich keine Antwort bekommen und gesagt: Dann gehe ich jetzt.“ Als er von hinten attackiert worden sei, habe er sich reflexartig gewehrt, aber den Beamten nicht in den Schwitzkasten genommen.

„Ich hatte Angst um mein Leben“

Im Gerangel sei seine Hand an die Pistole des Beamten geraten. „Da habe ich gedacht: Scheißegal, lieber lasse ich mich in den Dreck werfen, als dass die mich erschießen. Ich hatte Angst um mein Leben.“

Dem jüngeren Beamten gelang es, sich zu befreien. Sein Kollege sagte aus, dass der Kopf des Polizisten rot angelaufen gewesen sei. Bis auf einige Schmerzen im Nacken habe er sich nicht verletzt, sagte der 26-Jährige.

Der Halterner wurde gefesselt und klagte über „Herzschmerzen“. Daraufhin wurde ein Rettungswagen angefordert, der den Mann ins Dorstener Krankenhaus brachte. Die Polizisten hätten ihn zuvor gezwungen, die Böschung hochzuklettern, so der Halterner, der sich selbst als „130-Kilo-Mann“ bezeichnete, obwohl er immer wieder gesagt habe: „Ich komme diesen Berg nicht hoch.“ Eine Muskelzerrung sei die Folge gewesen.

Lange kein Insulin bekommen

Der ältere Beamte fragte im Dorstener Krankenhaus nach dem Patienten. Der behandelnde Arzt habe ihm gesagt, dass der Halterner ihn von der Schweigepflicht entbunden und sich auf eigene Verantwortung selbst entlassen habe. Stimmungsschwankungen und Wahrnehmungsstörungen seien wohl damit zu erklären, dass der zuckerkranke Mann lange kein Insulin bekommen habe.

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„Wir konnten ihn nicht einschätzen“, sagte der jüngere Beamte vor Gericht. Im Nachhinein betrachtet, so der 26-Jährige, hätte man den Mann fragen sollen, warum er sich so komisch benehme.

Der Richter verurteilte den Mann, der ohne Anwalt erschienen war, zu 80 Tagessätzen zu 20 Euro sowie einer 12-monatige Sperre bei der Fahrerlaubnis. Dann sei er arbeitslos, so der angeklagte KFZ-Meister.

Von dem in der Anklage genannten tätlichen Angriff auf die Beamten sei er nicht hundertprozentig überzeugt, so der Richter. Er sorge sich, dass der Halterner die ärztlichen Behandlungsmethoden ablehne: „Wenn es dadurch zu Wahrnehmungsstörungen kommt, weil man erheblich überzuckert ist, dann wirkt sich das auf die Fahrtüchtigkeit aus.“

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