„Würden wir Schmerzensgeld für wortgewandte Nebelkerzen bekommen, wären wir jetzt reiche Leute“, sagte Richter Ralph Neddermeyer bei der Urteilsverkündung. Vorausgegangen war eine sechsstündige (!) Verhandlung im Amtsgericht Wesel.
Der Schermbecker (55) soll zwischen Februar 2017 und Februar 2019 das Arbeitsamt um mehr als 12.000 Euro betrogen haben. Er soll eingereichte Umsatzübersichten so manipuliert haben, dass er angeblich weniger Geld zur Verfügung hatte. Außerdem stand er wegen Urkundenfälschung vor Gericht. Er soll ein Arbeitszeugnis, das er als Aushilfslehrer bekam, zu seinen Gunsten manipuliert haben.
Der Richter führte aus: Während der Angeklagte in den beim Jobcenter eingereichten Umsatzübersichten ab November 2017 1000 Euro Unterhalt für die Kinder angegeben habe, sind laut den „richtigen“ Kontoauszügen eigentlich 1152 Euro Unterhalt geflossen. Auf dem Druckbild des manipulierten Ausdrucks seien einige Zahlen in einer anderen Graustufe als andere.
Auch bei Honorarzahlungen - der Angeklagte bot Seminare zum Thema „Erziehung“ an - habe es Diskrepanzen gegeben. Beispielweise habe er nur 20 Euro angegeben, dabei sei ein Honorar von 200 Euro geflossen.
Der Angeklagte, der mehrmals ausweichend auf Fragen des Richters antwortete, hatte eine Erklärung für die Diskrepanzen. „Ich habe mit Farbe die Zahlen und Verwendungszwecke auf der Umsatzübersicht verändert, um zu zeigen, wie viel Geld ich tatsächlich zur Verfügung hatte.“ Nicht über alles habe er frei verfügt.
Geld floss auf Vereinskonto
Dass sich das Jobcenter auf solch veränderte Umsatzübersichten einlassen würde, verneinte allerdings ein als Zeuge geladener Mitarbeiter. Er betreute damals den Angeklagten. An ein solches Vorgehen könne er sich nicht erinnern.
Der Angeklagte erzählte zwar, dass er die betreffende Umsatzübersicht einer Vertretung übergeben habe, als der als Zeuge geladene Mitarbeiter nicht im Hause war. Doch auch sie hätte sich auf ein solches Verfahren nicht eingelassen, war sich der Zeuge sicher.
Das Konto, auf das die Unterhaltszahlungen flossen, war zudem das Vereinskonto eines Kampfsportvereines des Angeklagten. Nach vielen (privaten) Problemen musste er den Verein 2016 auflösen. Was blieb, waren Schulden - das Konto konnte er deshalb nicht löschen.
Verdacht der Verschleierung
Richter und Staatsanwältin verwirrte, dass der 55-Jährige das Geld auf das Vereinskonto überweisen ließ. Es könnte der Verdacht der Verschleierung aufkommen, sagte Neddermeyer.
Ein Punkt, den der Angeklagte nachvollziehen konnte. „Es war dösig, die Unterhaltszahlungen über das Vereinskonto bekommen zu haben.“ Es sei aber der Gesamtsituation geschuldet gewesen. „Es waren schwierige Verhältnisse damals.“ 2017 war der 55-Jährige arbeitslos geworden. Zudem seien er und seine Familie privat bedroht worden. Sein Hund sei vergiftet worden.
Zehn Monate Haft auf Bewährung
Bei der Urteilsverkündung sah Neddermeyer es als erwiesen an, dass der Schermbecker vorsätzlich gehandelt habe. „Sie haben eingeräumt, die Zahlen geändert zu haben“, sagte er in Richtung des Angeklagten. Hinsichtlich der langen Ausführungen des Mannes sagte der Richter: „Wir fühlen uns durch Ihr Verhalten beleidigt. Nach manchen Äußerungen dachte man sich, das kann er doch nicht ernst meinen.“
Wenn der Angeklagte hätte darauf hinweisen wollen, wie viel Geld ihm eigentlich zur Verfügung stehe, hätte er das handschriftlich ändern können - „oder noch schlauer: ein eigenes Papier mit Notizen abgeben können“.
Die Schadenshöhe bezifferte der Richter schlussendlich auf 10.000 Euro. Den Angeklagten verurteilte das Gericht zu zehn Monaten Haft auf Bewährung und 100 Sozialstunden. Zusätzlich des Betruges mit Tateinheit der Urkundenfälschung wurde er noch wegen weiterer Urkundenfälschung verurteilt. Das Arbeitszeugnis habe er laut Richter ebenfalls absichtlich manipuliert.
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