Als Huub Stevens Anfang Oktober 1996 als neuer Schalke-Trainer präsentiert wurde, konnten die meisten S04-Fans noch nicht viel mit ihm anfangen - sie hatten lediglich mitbekommen, dass Stevens der Trainer des Schalker Erstrunden-Gegners im Uefa-Cup war.
Schalke-Manager Rudi Assauer hatte Stevens von Roda Kerkrade nach Schalke gelotst, und der Rest der Geschichte ist bekannt: Huub Stevens gewann mit Schalke 1997 den Uefa-Cup, wurde 2001 mit den Königsblauen Vizemeister und DFB-Pokalsieger, bis er sich 2002 mit dem erneuten Gewinn des DFB-Pokals Richtung Hertha BSC verabschiedete.
Mit Schalke stets verbunden
Obwohl Stevens danach noch zahlreiche andere Trainerstationen hatte, blieb er mit Schalke fast immer in Verbindung: Die Fans wählten ihn zum Schalker Jahrhundert-Trainer, 2011/12 kehrte der Niederländer für eine zweite Amtszeit zu Schalke zurück, 2019 und 2020 half er als Interimstrainer aus. Von 2018 bis 2021 saß Stevens im Aufsichtsrat des FC Schalke 04. Heute wird der in Eindhoven lebende Huub Stevens 70 Jahre alt.
Die wichtigste Frage zuerst: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Stevens: Mein Körper hat Ende letzten Jahres eine deutliche Warnung ausgesendet. Ich wurde ins Krankenhaus gebracht, weil ich plötzlich Schmerzen in der Brust verspürt habe. Die Ärzte haben eine Herzbeutelentzündung diagnostiziert. Das war ein deutliches Zeichen, dass ich noch mehr auf mich aufpassen muss. Das mache ich und es hat sich ausgezahlt. Längst kann ich sagen: Mit geht es gut.
Was bedeutet die Zahl „70“ für Sie?
Diese Zahl macht mir keine Angst. Klar, ab und zu gibt es Nachrichten von Freunden, die mit 75 bzw. 76 Jahren verstorben sind oder starke gesundheitliche Probleme haben. Da denke ich manchmal schon: Puuh... du bist ja nicht viel jünger. Aber solche Gedanken verfliegen schnell. Ich genieße jetzt mein Leben.
Was vermissen Sie am meisten, seit Ihre Trainerkarriere beendet ist?
Nichts. Ich musste ehrlich gegenüber mir selbst sein. Die Zeit war gekommen, um nicht mehr das zu tun, was du gerne machen möchtest.
Also hatten Sie keine Schwierigkeiten loszulassen?
Genau. Ich war über 34 Jahre Trainer. Es war eine wunderbare Zeit mit Höhen und Tiefen. Jetzt bin ich in einem neuen Lebensabschnitt, der sich enorm vom Trainerdasein unterscheidet.
Inwiefern?
Als Coach war mein Leben strukturierter. Eine Trainingswoche war klar verplant. Ich stand Tag für Tag auf dem Platz und daneben gab es viele Gespräche mit meinen Spielern, Managern etc. Jetzt kann ich selbst bestimmen, wie ich den Tag gestalte. Das ist eine Umstellung, an die ich mich gewöhnen musste. Aber sie gefällt mir gut.

Haben Sie etwa andere Hobbys außer Fußball?
(lacht) Sie werden es nicht glauben - eine ganze Menge. Ich gehe viel mit Freunden spazieren, mache regelmäßig Fitnesstraining und spiele Golf. Außerdem gehöre ich als Mentaltrainer zum Team von Dr. Nico Wolter.
Was machen Sie da genau?
Es klingt vielleicht ein bisschen ungewöhnlich, aber ich spreche mit einer Gruppe von sechs bis zehn Personen nicht über große Erfolge, sondern hauptsächlich über Niederlagen in meinem Trainerberuf und wie man diese erfolgreich verarbeitet. Meine Gesprächspartner sind vorwiegend Menschen, die bei ihrem Arbeitgeber krankgeschrieben sind oder Sozialhilfe bei einer Gemeinde beziehen und sich nicht stabil genug fühlen, um zu funktionieren. Das macht mir sehr viel Spaß, weil ich meine Lebenserfahrung hier einbringen kann, und ich lerne auch selbst in den Gesprächen viel dazu.
Wie lange geht solch ein Programm?
Es ist ein körperlich und geistiges Training über vier Wochen. Ein Trainingstag ist ein Wochentag, an dem man gemeinsam in einer Gruppe von zehn Personen acht Stunden lang stärker wird. Die Trainingstage bestehen aus einem Gruppen- und Einzelprogramm. Das Gruppenprogramm umfasst Nordic Walking, Gymnastik, Sport, Fitness, Hydrotherapie, Schwimmen, Wärmetherapie und mentale Gruppensitzungen. Das individuelle Programm wird auf die Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten und umfasst 1-zu-1-Sitzungen mit einem Arzt, Physiotherapeuten, Psychologen, Mentalcoach und Berufsexperten.
Wie hoch ist die Erfolgsquote dieser Therapie?
Enorm. Rund 80 Prozent der Menschen, die die Nico-Wolter-Therapie durchlaufen haben, sind zu einem normalen Leben zurückgekehrt. Aktuell laufen Gespräche, dass zum Standort Kerkrade auch noch andere Städte hinzukommen, wo diese Therapie angeboten werden soll. Wenn das klappen sollte, würde mich das sehr freuen.

Sie haben in Ihrem beruflichen Lebenslauf keine Zäsur gehabt. Vom Profi ging es nahtlos zum Trainer über. War dies eigentlich so geplant?
Ja. Ich habe schon in Eindhoven während meiner Profizeit gleichzeitig die A-Jugend trainiert. Es hat mir damals schon viel Spaß gemacht, mit jungen Menschen zu arbeiten.
Haben Sie ein Vorbild als Trainer?
Ich habe mir viel bei Kees Rijvers abgeschaut, meinem Coach bei PSV Eindhoven. Bei ihm hat mich nicht nur die Trainingslehre beeindruckt, sondern auch die menschliche Seite, wie er mit jedem einzelnen Spieler umgegangen ist.
Wie wichtig war die Familie für ihre Entwicklung?
Sie hat eine große Rolle gespielt. Wenn Entscheidungen anstanden, habe ich die immer mit meiner Frau und später den Kindern abgesprochen. Ihr Rat war mir wichtig. Ich hatte attraktive Angebote aus Ländern, die weit entfernt von der Heimat liegen. Meine Familie wollte nicht, dass ich solch ein Angebot annehme. Und dann habe ich es auch nicht gemacht.
Können sich im knallharten Profifußball auch Freundschaften zwischen Trainern entwickeln?
Doch, das gibt es. Meine früheren Co-Trainer Eddy Achterberg oder Hubert Neu. Das sind Freunde von mir. Was die Spieler betrifft, so bin ich Mitglied in zwei Whatsapp-Gruppen, einmal bei Roda Kerkrade, meiner ersten Trainerstation, und bei den Schalker Eurofightern, wo ein sehr reger Austausch besteht. Das Wichtigste ist, dass man Menschen nicht ausschließt, sondern sie teilhaben lässt an dem, was man tut. Dann bekommt man auch den Respekt zurück und kann offen und ehrlich miteinander umgehen.

Sie sind der letzte Schalker Trainer, der seinen Vertrag erfüllt hat. Das war 2002.
Was soll ich dazu sagen? Da haben Glück und Qualität wohl eine Rolle gespielt. Jeder weiß, wie eng und vertrauensvoll die Zusammenarbeit mit Manager Rudi Assauer war. Wir waren jeden Tag zusammen, haben jedes Detail der Mannschaft und des Vereins diskutiert. Dadurch ist ein enges Band entstanden. Ich habe ihn als ehrlichen Menschen erlebt, auf dessen Wort man sich stets verlassen konnte.
Ärgert es Sie heute noch, dass Sie oft als Trainer wahrgenommen wurden, der primär auf die Defensive setzt? Stichwort: Die Null muss stehen!
Ach was. Jeder, der Ahnung vom Fußball hat, weiß, dass das nicht stimmt. Ich habe diesen Satz vor dem Valencia-Spiel gesagt, als wir in der Saison 1996/97 den Uefa-Cup gewonnen haben. Er hatte damals seine volle Berechtigung und ich bereue ihn nicht. In diesem Heimspiel war es enorm wichtig, kein Gegentor zu kassieren. Mit dem 2:0-Erfolg haben wir das dann auch geschafft.

Was schafft der aktuelle FC Schalke 04 noch in dieser Zweitligasaison? Machen Sie sich Sorgen?
Ja, ich mache mir Sorgen. Das Heimspiel gegen Hannover habe ich in der Veltins-Arena gesehen. Es waren gute und schlechte Dinge dabei. Im letzten Heimspiel gegen Elversberg, so darf sich der FC Schalke 04 in den ersten 30 Minuten nicht präsentieren. Das geht nicht und kann nicht Anspruch des Vereins sein. Aber ich bin zu weit weg, um beurteilen zu können, was gerade schief läuft. Die Mannschaft sollte die Qualität haben, um die Abstiegsregion schnell zu verlassen. Ich will gar nicht daran denken, wenn es auch in den nächsten Wochen und Monaten nicht gelingen sollte, sicheren Boden unter die Füße zu bekommen.

Eine gewisse Unruhe gibt es um den Verein bereits seit einiger Zeit. Mancher fordert die Rückkehr von Clemens Tönnies. Sie auch?
Ich habe eine Meinung, aber die ist nicht für die Öffentlichkeit. Was ich sagen kann ist, dass Tönnies mich 2018 in den Aufsichtsrat geholt hat. Dort habe ich gut mit ihm zusammengearbeitet.
Zum Schluss: Wie wird am Mittwoch der 70. Geburtstag gefeiert?
Ganz traditionell in Eindhoven im engsten Familienkreis. Besonders freue ich mich auf meine vier Enkelkinder zwischen zwei und 16 Jahren. Jetzt habe ich viel mehr Zeit zu sehen, wie sie aufwachsen und sich entwickeln. Das macht mir besondere Freude.
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