Heidel über Profifußball, Tedesco und seine Ziele
Schalke-Manager im Interview
So hatte sich Christian Heidel sein erstes Jahr als Manager des FC Schalke 04 gewiss nicht vorgestellt. Die Königsblauen beendeten die Bundesliga-Saison 2016/2017 auf Platz zehn. Im Interview mit dieser Redaktion verrät der 54-Jährige, mit welchen Maßnahmen er Schalke in die Erfolgsspur zurückbringen will.

Bilder der Erstrunden-Partie im DFB-Pokal zwischen dem FC Schalke 04 und BFC Dynamo.
Steht der FC Schalke 04 vor der wichtigsten Saison der vergangenen 15 Jahre?
Ich bin ja erst ein Jahr dabei, da kann ich einen solchen Vergleich nicht ziehen. Aber ich weiß natürlich, worauf Sie hinauswollen. Wir wissen, dass es eine sehr wichtige Saison ist. Ob es die Wichtigste ist, vermag ich nicht zu beurteilen.
Was macht Sie optimistisch, dass die neue Spielzeit für Königsblau besser wird?
Wir haben in der letzten Saison sehr viele Sachen gut gemacht, die sich aber nicht kurzfristig bemerkbar machen. Auf diese Dinge können wir jetzt aufbauen. Was im letzten Jahr nicht gestimmt hat, war das sportliche Ergebnis, das wollen wir natürlich ändern.
Können Sie das konkretisieren?
Ich hatte im Trainingslager ein langes Gespräch mit dem Mannschaftsrat. Da haben mir die Spieler zum Beispiel gesagt, dass sie medizinisch noch nie so gut betreut worden sind, wie es zurzeit der Fall ist. Nun werden Kritiker sagen, aber damit gewinnt man keine Fußballspiele. Doch das ist ein Trugschluss. Wenn man nur wenige verletzte Spieler in seinem Kader hat, erhöht das die Erfolgschancen.
Auch in der Infrastruktur auf dem Vereinsgelände tut sich einiges.
Die Mannschaft wird in 14 Tagen in ein neues Gebäude umziehen. Das ist ein Quantensprung, wenn sie damit die aktuellen Räumlichkeiten vergleichen. Bald kann noch besser und effektiver zusammengearbeitet werden.
Im Scouting hat Schalke ebenfalls Veränderungen vorgenommen.
Bisher hatten wir drei, vier Scouts, die durchs Lande gefahren sind, Spiele angeschaut und Berichte geschrieben haben. Jetzt haben wir das Scouting systematisiert.
Das heißt?
Wir haben 25 Scouts, die für uns arbeiten und weltweit alle Ligen für uns abdecken, die für uns interessant sind.
Wie läuft die Arbeit konkret ab?
Wir haben zum Beispiel einen Scout für Argentinien, der nicht in diesem Land sitzt, sondern sich die Spiele Woche für Woche am Bildschirm anschaut. Dafür haben wir ihm ein spezielles Programm mit Analysefunktionen freigeschaltet. Jetzt spielt in jeder Liga sozusagen eine „Schattenmannschaft“ von Schalke 04, über die sich unsere Scouts regelmäßig austauschen.
Wenn Trainer Domenico Tedesco also Bedarf sieht, einen linken Verteidiger zu verpflichten...
Dann können unsere Scouts ihm 20 Spieler nennen, die infrage kommen könnten. Aber wir verpflichten natürlich nicht nur mit Hilfe des Computers, sondern haben zusätzlich zwei weitere Scouts, die sich Spiele live ansehen, wenn Spieler besonders positiv aufgefallen sind. Wir setzen jetzt also viel mehr auf flächendeckende Beobachtung.
Wo kommen diese Scouts her?
In der Regel sind es meistens Studenten von der Sporthochschule in Köln, die nach ihrem Studium im Fußball arbeiten wollen und deshalb großes Interesse mitbringen. In Workshops werden sie regelmäßig von uns geschult und auch vom Trainer instruiert.
Tedesco gilt als großer Schalker Hoffnungsträger.
Der Trainer ist die wichtigste Person im Verein, er ist der Schlüssel zum Erfolg. Domenico Tedesco hat eine besondere Herangehensweise und mein Eindruck ist, dass es sehr gut passt zwischen Trainer und Mannschaft.
Woran machen Sie das fest?
Ich laufe nicht herum und frage die Spieler ab, wie kommt der Trainer bei euch an? Sondern Spieler sind spontan zu mir gekommen und haben sich zum Beispiel lobend über das Training geäußert. Der Gesamteindruck gibt mir ein gutes Gefühl für die neue Saison.
Auf Seite 2 lesen Sie, was Heidel über die Veränderungen im Profifußball, Transferverhandlungen und den Auftakt gegen RB Leipzig sagt.
In der es einige Veränderungen gibt. Wie nehmen Sie diese wahr?
In den vergangenen zwei Jahren hat sich der Fußball radikal gewandelt. Schalke war noch vor kurzer Zeit in wirtschaftlicher Hinsicht wesentlich höher angesiedelt als zurzeit. Vergleichen Sie das mal mit RB Leipzig. Die haben zuletzt rund 100 Millionen für neue Spieler ausgegeben, aber nur acht Millionen eingenommen. Aus rein wirtschaftlicher Sicht ist Schalke überhaupt nicht in der Lage, Transfers solcher Größenordnungen zu stemmen. Das bedeutet für uns: Wenn man einkauft, muss man auch abgeben. Sonst würden wir bei den explodierenden Preisen in eine finanzielle Schieflage geraten und das wollen wir nicht.
In europäischer Perspektive sind die Unterschiede noch größer geworden.
Sicher hat sich die Fußball-Welt nicht zugunsten des FC Schalke 04 entwickelt. Wahr ist aber auch, dass es für kleinere Vereine als Schalke noch schwerer geworden ist.
Ist die Strahlkraft von Schalke bei Transfergesprächen noch vorhanden?
Auf jeden Fall. Es hängt niemand ein, wenn Schalke 04 anruft.
Schauen die Spieler bei Vertragsverhandlungen nur noch aufs Geld?
Bei Schalke spielt das Emotionale immer noch eine große Rolle. Wenn wir mit einem Klub um einen Spieler konkurrieren, der ähnliche wirtschaftliche Möglichkeiten hat, ist die besondere Atmosphäre, die Schalke ausmacht, ein wichtiger Vorteil. Fakt ist aber auch, dass sich die wirtschaftlichen Abstände zu den internationalen Top-Vereinen verdoppelt, wenn nicht sogar verdreifacht haben.
Droht langfristig eine Entfremdung zwischen den Fans und den Profis angesichts der gewaltigen Summen, die umgesetzt werden und der Zerstückelung der Spieltage?
Wir können ja nicht sagen: Deutschland ist eine einsame Insel, alle Spiele werden wieder am Samstag um 15.30 Uhr angepfiffen. Und wenn dann viele deutsche Klubs früh in der Champions League ausscheiden, ist der Aufschrei groß. Aber wir müssen achtgeben, dass wir den Bogen nicht überspannen. Das Thema Anstoßzeiten ist für mich ausgereizt.
Samstag geht es los gegen RB Leipzig. Wie wird RB-Stürmer Timo Werner nach seiner Schwalbe vor zehn Monaten von den Schalke-Fans empfangen?
Der Junge hat einen Fehler gemacht und es 1000 Mal zugegeben. Man muss auch mal vergessen können. Fußballfans sehen so etwas oft anders, aber Fans können auch hier Größe zeigen.
Ist der Bundesligastart gegen Leipzig gleich so etwas wie ein Gradmesser für Schalke?
Am ersten Spieltag wird zwar nicht die Bundesliga entschieden, aber Leipzig ist die zweitbeste deutsche Mannschaft, wenn man die Tabelle der letzten Saison zugrunde legt.
Wird es im Schalker Kader bis zum 31. August noch Veränderungen geben?
Fakt ist, wir wollen unseren Kader verkleinern. Es wird in den nächsten Tagen noch Abgänge geben.
Zählt dazu vielleicht sogar Coke, der beim Pokalspiel in Berlin nicht im Kader stand?
Das hatte sicherlich etwas damit zu tun, dass wir auf dieser Position mit Daniel Caligiuri, Alessandro Schöpf, Thilo Kehrer sowie Coke vier Spieler zur Verfügung haben und dass es nach dem Systemwechsel zum 3-4-3 Cokes eigentliche Position hinten rechts nicht mehr gibt. Die Karten werden neu gemischt, jeder muss um seinen Platz fighten und das macht auch Coke. Er ist ein Vorbildprofi, der aber auch den Anspruch hat, regelmäßig zu spielen.