Beate Siering-Oster sorgt sich um das Grundwasser in ihrem Waldstück am Alten Postweg. Der Teich, auf den sie blickt, habe in den vergangenen Jahren schon etwa zwei Meter Wassertiefe verloren. Sie fürchtet: Wird die Neue Stever realisiert, stirbt der Wald.

Beate Siering-Oster sorgt sich um das Grundwasser in ihrem Waldstück am Alten Postweg. Der Teich, auf den sie blickt, habe in den vergangenen Jahren schon etwa zwei Meter Wassertiefe verloren. Sie fürchtet: Wird die Neue Stever realisiert, stirbt der Wald. © Jessica Hauck

Neue Stever bereitet Waldbesitzer Sorge: „Wird ein erbärmliches Sterben“

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8,2 Hektar Wald gehören einem Ehepaar am Alten Postweg in Olfen. Auf 600 Metern Länge soll die Neue Stever daran entlang fließen. Die Besitzer sorgen sich, dass der Grundwasserspiegel dadurch sinkt.

Olfen

, 25.05.2022, 16:32 Uhr / Lesedauer: 4 min

Seit 24 Jahren wohnt das Ehepaar Siering-Oster am Alten Postweg. Zu ihrem Grundstück gehören 8,2 Hektar Wald - für alle Spaziergänger öffentlich nutzbar. Eichen, Ulmen, Eschen, Buchen stehen darin - teils 200 Jahre alt, wie sich aus dem Umfang der Stämme schließen lässt. Ab und zu entfernen die Osters einen trockenen Baum, ansonsten darf der Wald hier weitgehend unbewirtschaftet wachsen.

Um ihre grüne Idylle macht sich Beate Siering-Oster nun große Sorgen. Sie fürchtet, der Bau der Neuen Stever könnte das Grundwasser absenken und damit den Wald schädigen. „Es wird ein erbärmliches Sterben werden“, befürchtet sie.

Durchlässiges Gewässer für Fische und andere Tiere

Schon als das Projekt Neue Stever zum ersten Mal genehmigt wurde, war das Ehepaar Siering-Oster die einzigen privaten Einwender. Seit 2017 besteht Baurecht, die Stadt Olfen hatte allerdings die Auflage, bis Mitte 2022 zu beginnen. Sie hat nun eine Fristverlängerung beantragt.

Zunächst fand das Ehepaar Siering-Oster die Idee der Neuen Stever ganz nett, erzählt die studierte Biologin. Durch den Bau des etwa 4,4 Kilometer langen, naturnahen Gewässers soll eine Verbindung zwischen Stever und Lippe geschaffen werden. Für Fische und sonstige Lebewesen soll so die Durchgängigkeit zwischen den Flüssen geschaffen werden, die Fischtreppen so nicht erreichen können. Bislang endet der Weg für Fische in den Halterner und Hullerner Stauseen. Doch inzwischen überwiegen bei Beate Siering-Oster die Sorgen vor der Umsetzung der Neuen Stever: „Das ist ein Wahnsinns-Eingriff“, sagt sie über die Auswirkungen auf die Natur.

Derzeit fließt ein Bach ohne Namen an ihrem Grundstück vorbei, in einem etwa 1,5 Meter tiefen Bett. Noch mal 1,5 Meter tiefer soll das Bett der Stever hier werden, hat Beate Siering-Oster den Projekt-Plänen entnommen. Sie sorgt sich darum, dass die Neue Stever ihrem Wald das Grundwasser entziehen könnte. Um bis zu zwei Meter könne es sinken, hat sie einem Plan in den offiziellen Unterlagen von 2015 entnommen.

Dabei sei es jetzt schon zu trocken, erklärt sie mit einem Blick auf einen Teich, der zwischen Bäumen und Büsche von Blicken fast verborgen liegt. Rund zwei Meter geht es hinab, bis die Wasserfläche beginnt. Als ihr Sohn klein war, habe das Wasser viel höher gestanden, erzählt Beate Siering-Oster. Auch drei kleine Tümpel auf ihrem Grundstück, die in Karten zu diesem Gebiet eingezeichnet sind, seien inzwischen ausgetrocknet.

Viele alte Bäume stehen in dem Waldstück.

Viele alte Bäume stehen in dem Waldstück. © Jessica Hauck

Auch Eschen stehen in dem Waldstück. Bäume, die es nass mögen. Einer der Bäume ist kürzlich abgestorben, sodass ihr Mann den Stamm durchsägen konnte. Beate Siering-Oster hat die Ringe gezählt - 80 Jahre alt war die Esche. Damit hätte sie etwa einen Umfang von 160 Zentimeter haben sollen. Tatsächlich gemessen hat Beate Sierung-Oster nur 96 Zentimeter Umfang. Vielleicht ein Hinweis, dass der Wald schon jetzt unter Trockenheit leidet, sagt sie.

Referenzwerte von 1992 und 1994: „Daten veraltet“

Ärgerlich wird die Waldbesitzerin, wenn sie eine Karte mit Grundwassermessstellen aus dem Gebiet betrachtet, die sie vom Kreis Coesfeld bekommen hat. Die Messstellen datieren von 1996 bis 2006. Als Referenzwerte für eine trockene Phase wird dort das Jahr 1992 angenommen, als nasses Jahr wird 1994 vermerkt. „Die Daten sind veraltet, das kann man doch nicht von der Hand weisen“, sagt Beate Siering-Oster. Die vergangenen sechs Jahre seien die heißesten und trockensten gewesen. Sie findet, die Stadt müsse die neuen klimatischen Bedingungen in ihre Planungen mit einbeziehen.

Die erwähnten Daten aus den 1990ern seien die letzten verfügbaren Daten gewesen, die bei der Untersuchung der Grundwasserverhältnisse betrachtet wurden, heißt es auf Anfrage von der Stadt Olfen. „Da bis zur und während der Planung seitdem keine signifikanten baulichen Änderungen erfolgten (bzgl. der Auswirkungen auf das Grundwasser) und auch kein Trend zu niedrigeren Grundwasserständen vorlag, wurden diese Zeiträume gewählt“, lässt Bürgermeister Wilhelm Sendermann auf Anfrage mitteilen. Zwar hätten die Grundwasserstände in den vergangenen Jahren aufgrund des Klimawandeln tendenziell abgenommen. Doch dürfe man nicht vergessen, „dass es auch früher schon (z. B. in den 1970er Jahren) längere Trockenphasen mit in der Folge niedrigen Grundwasserständen gab, die teilweise noch niedriger lagen als heute“, teilt Johanna Sissmann aus dem Amt für Bauen, Planen und Umwelt weiter mit.

600 Meter entlang der Grundstücksgrenze von Familie Oster soll die Neue Stever verlaufen. Noch fließt ungefähr dort ein namenloser Bach.

600 Meter entlang der Grundstücksgrenze von Familie Oster soll die Neue Stever verlaufen. Noch fließt ungefähr dort ein namenloser Bach. © Jessica Hauck

Die Planungen zur Neuen Stever sind seit 2012 fertiggestellt, der Planfeststellungsbeschluss wurde 2017 erteilt. Neue Daten werden im Rahmen der Monitoring-Untersuchungen erhoben, so Sissmann weiter. Die neuen Daten werden also erst erhoben, wenn die Neue Stever bereits gebaut wurde. Doch auch die Stadt Olfen sagt: „Die klimatischen Veränderungen bereiten allgemein Sorge.“ Die Stever werde voraussichtlich weniger Wasser führen. Das ließe sich jedoch durch Wasser aus dem Dortmund-Ems-Kanal regulieren. In den vergangenen Jahren war im Sommer immer wieder Wasser aus dem Kanal in die Stever geleitet worden.

Die Stadt widerspricht auch den Berechnungen von Beate Siering-Oster, dass an ihrem Wald die neue Stever ein etwa drei Meter tiefes Bett bekommen werde. Das zuständige Planungsbüro habe bestätigt, dass der Einschnitt von der Geländeoberfläche bis zur Sohllage dort etwa 1 Meter betrage, die Neue Stever etwa 30 cm tief sein werde. Zwischen Geländeoberfläche und Grundwasseroberfläche lägen demnach etwa 0,6 bis 0,8 Meter Abstand. Demnach seien die Grundwasserbeeinträchtigungen „sehr gering“. Auch im bereits vorhandenen Graben an der Stelle stehe das Grundwasser an.

Bis zu zehn Meter tiefe Sekundäraue in Eversum

An anderer Stelle wird die Neue Stever tiefer ins Gelände schneiden. In den Sanddünen von Eversum wird ein sandgeprägtes Tieflandgewässer entstehen, mit Sekundärauen, die ein 5 bis 10 Meter tiefes Tal bilden.

Derzeit prüft die Untere Wasserbehörde des Kreises Coesfeld den Antrag auf Fristverlängerung der Stadt Olfen. Denn eigentlich sollte der Bau der Neuen Stever bis zum 1. Juli 2022 beginnen. Dazu sollen alle von der Maßnahme Betroffenen noch einmal um eine Stellungnahme gebeten werden, teilt der Behördenleiter Hermann Mollenhauer auf Anfrage mit. „Vorher werden wir jedoch noch die Bezirksregierung Münster um Stellungnahme bitten wegen der im öffentlichen Raum diskutierten Zuständigkeiten/Finanzierungsfragen“ und auch wegen Gesprächen zwischen Bezirksregierung, Stadt und Land NRW, an denen der Kreis Coesfeld nicht beteiligt gewesen sei. „Das ist für uns sehr wichtig, da je nach Ausfall und Tragweite der Stellungnahme sich gegebenenfalls Grundlegendes für unseren Entscheidungsprozess ergeben könnte“, teilt Mollenhauer mit.

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Danach werde die Untere Wasserbehörde dann prüfen, ob sich Grundlagen der Entscheidungsfindung für den Planfeststellungsbeschluss in den letzten fünf Jahren geändert haben. Die unmittelbar Betroffenen werden gefragt, ob es neue Erkenntnisse, Entwicklungen oder eine neue Sachlage für sie gibt. Dabei werde nicht die Meinung zu dem Projekt abgefragt, betont Mollenhauer.

Ihre Meinung ist für Beate Siering-Oster aber klar: „Ich glaube nicht, dass dieses Projekt sinnvoll ist bei den klimatischen Verhältnissen.“ Sie fragt sich, wie lange sie noch durch ihren grünen Wald spazieren kann.