Zapfautomaten in der Region

Vom Bauern: Die Milch macht's - oder doch nicht?

Sie heißen Milchtankstelle, Milchhaltestelle oder Melkhuis - Automaten, an denen man Tag und Nacht frisch gemolkene Milch kaufen kann. Viele Landwirte haben inzwischen solche Automaten auf ihrem Hof. Aber wo in unserer Region stehen sie? Ist die unbehandelte Rohmilch eigentlich gesund? Und rechnet sich das Ganze für die Bauern? Fragen und Antworten.

NRW

, 07.03.2016 / Lesedauer: 7 min

Die Milch läuft in die Flasche - an der Milchtankstelle kann man sich selbst was abzapfen.

 

 

Was ist das Besondere an der Milch zum Selberzapfen?

Es handelt sich um unbehandelte Milch, sogenannte Rohmilch. Die Automaten werden auf dem Hof direkt an die Milchtanks angeschlossen. Die Milch wird nach dem Melken lediglich auf 3,5 Grad heruntergekühlt. Sie wird weder homogenisiert noch pasteurisiert.

Ein Video vom Milchautomaten in Dorsten-Lembeck erklärt, wie das Selberzapfen funktioniert:

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Was kostet die Milch?

Die meisten Bauern in der Region verlangen derzeit einen Euro pro Liter für die Rohmilch aus dem Automaten.

 

Ist Rohmilch besonders gesund?

Die Einschätzung von Experten zu diesem Thema lässt sich mit "Jein" zusammenfassen.

Einen Vorteil der Rohmilch sieht Dr. Wolfgang Hoffmann vom Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel darin, "dass alle Inhaltsstoffe in ihrer originären Form vorliegen". Alle Vitamine seien voll erhalten und das Fett noch nicht homogenisiert. Dadurch schmeckt die Milch sahniger und aus Sicht vieler Käufer besser. 

Oft werden Studien zitiert, laut denen der Verzehr von Rohmilch außerdem das Allergierisiko von Kindern mindert. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält diese Theorie jedoch für "noch nicht hinreichend belegt". Außerdem betont das BfR, dass Rohmilch Krankheitserreger enthalten kann, die vor allem für Kinder, Schwangere, Ältere und Kranke ein Gesundheitsrisiko darstellen.  

Kocht man die Milch ab, werden mögliche Keime abgetötet. Allerdings ist die Hitzebelastung für die Milch dabei so hoch, dass mehr Vitamine verloren gehen als etwa bei frischer Vollmilch aus dem Handel, die „traditionell hergestellt“, also nur kurzzeiterhitzt wird, so Wolfgang Hoffmann.

Fazit: Wer sichergehen will, der kocht die Rohmilch ab, bevor er sie trinkt. Für Kinder, Schwangere, Ältere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem sollte man das auf jeden Fall tun.

 

Wo in der Region stehen Milchautomaten?

Wir haben eine Karte mit Milchzapfstellen in der Region zusammengestellt: 

 

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Welche Erfahrungen machen die Landwirte mit den Automaten?

Viele, die einen Milchautomaten betreiben, sind extrem unzufrieden mit den Preisen, die Molkereien für ihre Rohmilch zahlen. Durch die Automaten erhoffen sie sich langfristig Zusatzeinnahmen und einen Werbeeffekt für ihren Hof und ihre Produkte. Die Bauern, die wir zu ihren Erfahrungen befragt haben, sind zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen.

Stimmen aus der Region:

Matthias Närmann vom Hof Närmann in Olfen hat den Hof vor zwei Jahren von seinem Vater übernommen und im März 2015 eine Milchzapfanlage eröffnet:

"Unser Ziel ist es, die Leute wieder zum Erzeuger zu holen. Der Milchpreisverfall hat bei der Entscheidung natürlich auch eine Rolle gespielt.""Das erste Jahr ist gut gelaufen. Ich bin echt zufrieden. Die Lage an zwei Bundesstraßen ist, glaube ich, ein entscheidender Faktor. Bei uns kommen auch viele Pendler vorbei. Wir verkaufen mehr Milch als wir gedacht haben, es ist aber auch mehr Arbeit als gedacht. Für den Milchautomaten müssen wir jeden Tag etwa eine Stunde aufwenden.""Zu uns kommen Familien mit Kindern, Senioren, Jugendliche, Camper und Arbeiter, die sich morgens Milch für die Frühstückspause mitnehmen. Teilweise kommen die Leute extra aus Dortmund.""Am Anfang war die Skepsis bei meinen Eltern sehr groß. Inzwischen sind sie begeistert von dem Automaten.""Wir verkaufen etwa fünf Prozent unserer Milch über die Zapfanlage, der Rest geht an die Molkerei. Es kommt täglich ein neuer Pott Milch in den Automaten, was übrig bleibt, kriegen die Kälber. Der Automat hat 16.000 Euro gekostet, insgesamt haben wir etwa 30.000 Euro investiert. Ich hoffe, dass wir die Investitionen in etwa drei Jahren wieder drin haben.""Seit Oktober haben wir auch einen Automaten mit Eiern, Honig und Leberwurst aus der Region. Außerdem kann man dort die Flaschen für die Milch kaufen, falls man keine eigenen mitbringen möchte."

 

Georg Schulte-Althoff vom Hof Schulte-Althoff in Haltern, betreibt seit seit Mai 2015 einen Milchautomaten:

"Wir haben uns für den Automaten entschieden, weil die Leute immer wieder gefragt haben, ob man bei uns Milch kaufen kann und weil wir einen angemessenen Preis für unsere Milch haben wollen. Für einen Hofladen wären höhere Investitionen nötig gewesen, weil man dafür ein Vollsortiment und Personal braucht.""Einige Leute kommen früh morgens auf dem Weg zur Arbeit oder nach der Nachtschicht vorbei, um Milch zu kaufen. Andere kommen abends und verbinden das Milchholen mit einem Ausflug. Insgesamt ist es eine begrenzte Käuferschicht. Man muss ja auch erstmal in der Lage sein, den Qualitätsunterschied zu schmecken. Wer mit McDonald’s aufgewachsen ist, geht später eben selten ins Sterne-Restaurant.""Wir produzieren etwa eine Million Kilogramm Milch im Jahr. Davon verkaufen wir nur einen Bruchteil über den Automaten – der Rest geht an die Molkerei.""Für das Geld, das wir in den Milchautomaten investiert haben, bekommen Sie gut einen Kleinwagen. Bis wir das wieder drin haben, das wird einige Jahre dauern. Wir denken da langfristig. Derzeit liegen wir im Soll und sind zufrieden. Luft nach oben ist natürlich immer.""Seit Dezember haben wir einen zweiten Automaten für andere Produkte aus der Region. Da bekommen Sie zum Beispiel Kartoffeln, Zwiebeln, Eier Wurst, Marmelade und Honig. Die Leute, die Milch bei uns kaufen, haben uns nach diesen Dingen gefragt."
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Hedwig Kerkmann vom Hof Kerkmann in Dorsten-Lembeck, betreibt seit April 2015 eine "Milchhaltestelle":

"Ich bin sehr zufrieden, weil ich das Gefühl habe, dass viele Menschen dadurch einen anderen Blick auf unsere Arbeit bekommen. Wir möchten ihnen den Wert der Milch wieder näherbringen. Unsere Milchhaltestelle steht direkt am Stall, die Leute sehen die Tiere. Da kommen ganz viele Fragen. Für uns Landwirte ist vieles so selbstverständlich, aber bei den Kunden gibt es ganz viel Informationsbedarf." "Familien mit Kindern nutzen den Milchkauf bei uns gerne für einen Ausflug. Ältere Kunden finden es gut, dass sie die Rohmilch selbst zu Sauermilch, Frischkäse oder Quark weiterverarbeiten können. Die junge Generation will Produkte aus der Region. Einige Leute aus der Gegend versorgen ihre Arbeitskollegen in der Stadt beim Milchkauf gleich mit.""Viele, die einmal da waren, werden zu Stammkunden. Wir liegen direkt an der A 31, so sind wir gut erreichbar. Wir haben viel Durchgangsverkehr und im Sommer halten die Leute auf ihren Radtouren bei uns an.""Ich schätze, wir verkaufen etwa fünf Prozent unserer Milch über den Automaten, der Rest geht noch an die Molkerei. Insgesamt haben wir etwa 20.000 Euro in unsere Milchhaltestelle investiert. Ich hoffe, dass wir die Investitionen in spätestens 6 bis 10 Jahren wieder drin haben. In 10 bis 20 Jahren wäre ich mit meinen Produkten gerne unabhängig vom Zwischenhandel."
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Julia Schulte Althoff vom Hof Schulte Althoff in Südkirchen betreibt seit Januar 2016 einen Milchautomaten:

"Ich habe die Automaten schon vor 15 Jahren im Urlaub in der Schweiz zum ersten Mal gesehen und erst wieder daran gedacht, als sie letztes Jahr verstärkt hier in der Gegend aufgetaucht sind.""Ich wollte schon immer etwas mit Direktmarketing machen. Ich habe auch über einen Hofladen nachgedacht, aber wir haben zwei kleine Kinder und ein Hofladen hätte sehr viel Zeit gebunden, die für die Familie und andere Dinge gefehlt hätte. Mit dem Milchautomaten und dem Selbstbedienungsverkauf von Eiern, Honig und Urmehlen kann ich mir die Zeit flexibler einteilen. Für uns ist das ein Einstieg in die Direktvermarktung."

Ein Video vom Milchautomaten in Südkirchen erklärt, wie er funktioniert:

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"Wir sind bisher sehr zufrieden. Der Milchautomat wird sehr gut angenommen und wir bekommen viel positives Feedback. Das ist schön und macht noch mehr Lust auf die Arbeit.""Als unser Milchautomat im Februar geknackt wurde, haben wir sofort den Hersteller angerufen und gesagt: Du musst den Automaten wieder ans Laufen bringen. Ans Aufgeben haben wir keinen Moment gedacht. Wir haben nochmal in die Kameratechnik investiert und sorgen außerdem für eine bessere Beleuchtung."
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Wie viele Milchautomaten gibt es derzeit in Nordrhein-Westfalen?

Ganz genau kann das im Moment niemand beantworten. Die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen hat ihre Mitglieder dazu befragt und nennt in ihrem gerade erschienenen    Einkaufsführer "Milch und Käse direkt ab Hof" auf ihrer Website    80 Milchzapfstellen in NRW. Das seien aber sicher längst nicht alle, meint Birgit Jacquemin, Referentin für Agrarmarketing bei der Landwirtschaftskammer.

Die Automaten selbst gebe es schon seit etwa 15 Jahren, ihre Verbreitung habe aber in den vergangenen beiden Jahren deutlich zugenommen, so Jacquemin. Die Landwirtschaftskammer bietet Landwirten Beratungsgespräche zum Thema an. "Das Interesse an den Milchautomaten ist groß."

Das bestätigt Automaten-Großhändler Dirk Hensing aus Emsdetten. Er vertreibt seit sechs Jahren Milchautomaten im gesamten deutschsprachigen Raum. "Bei den Verkaufszahlen hatten wir jedes Jahr eine Steigerung um etwa 100 Prozent", berichtet Hensing. Im vergangenen Jahr habe er rund 300 Milchautomaten verkauft. Je nach Ausstattung kosten diese zwischen 10.000 und 15.000 Euro.

 

Was sind die Gründe für den Milchautomaten-Boom?

1. Der Milchpreis

Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter zahlen die Molkereien den Landwirten derzeit im Bundesdurchschnitt rund 27 Cent je Kilogramm Milch, die Produktionskosten beliefen sich jedoch auf rund 44 Cent pro Kilogramm. "Viele Bauern wollen sich mit dem Milchautomaten deshalb ein zweites Standbein schaffen", sagt Frank Maurer, Sprecher Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW.

2. Die gestiegene Nachfrage

"Die Leute sind stärker als früher an regionalen Produkten interessiert", sagt Birgit Jacquemin von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Frank Maurer, Sprecher der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW, spricht vom "Landlust-Effekt". Wegen des Booms plane man im Frühjahr gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer für Landwirte ein Seminar zum Thema Direktvermarktung, bei dem die Milchautomaten ein Schwerpunkt seien.

Automaten-Großhändler Hensing sieht eine Ursache für das gestiegene Interesse der Verbraucher an regionalen Lebensmitteln auch in den vielen Fernsehsendungen zum Thema Kochen und Essen. "Beim 'Perfekten Dinner' und solchen Geschichten gehen die Leute zum Einkaufen ja nie in den nächsten Supermarkt, sondern immer auf den Markt oder zum Bauern ihres Vertrauens. Das ist einfach in", meint er. 

3. Der Wettbewerb mit den Supermärkten

Ein Milchautomat ermöglicht es den Bauern, mit den Öffnungszeiten der Supermärkte mitzuhalten. Der Tag beginnt für die meisten Landwirte sehr früh, weil die Tiere versorgt werden müssen. Das macht es schwer, spätabends noch im Hofladen zu stehen, um Kunden zu bedienen, die erst um diese Zeit zum Einkaufen kommen. Der Automat aber kann, wenn sein Besitzer das möchte, auch abends um elf oder morgens um vier frische Milch ausspucken.

 

Warum gibt es trotz des Booms keine Milchautomaten in der Stadt?

Frische Milch vom Bauernhof an der Tankstelle oder beim Bäcker um die Ecke - wäre doch praktisch. Stimmt - die Automaten einfach dort aufzustellen ist aber nicht erlaubt. Weil sie für immunschwache Menschen Risiken bergen kann, gelten für den Verkauf von Rohmilch nämlich strenge Regeln. 

So darf Rohmilch laut der "Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs" nur dann von Milcherzeugungsbetrieben direkt an Verbraucher abgegeben werden, wenn

1. die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgt,

2. die Rohmilch im eigenen Betrieb gewonnen und behandelt worden ist,

3. die Rohmilch am Tag der Abgabe oder am Tag zuvor gewonnen worden ist,

4. an der Abgabestelle gut sichtbar und lesbar der Hinweis "Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen" angebracht ist und

5. die Abgabe von Rohmilch zuvor der zuständigen Behörde angezeigt worden ist.