Groß war das Interesse an der Bürgerversammlung zur Neuen Stever. 300 Plätze gab es in der Stadthalle. Davon waren zwar nicht alle gefüllt. Die, die kamen, diskutierten aber engagiert. © Sylvia vom Hofe

Natur in Olfen

Projekt Neue Stever in Olfen: Viel Skepsis auf der Bürgerversammlung

Ist der Bau der Neuen Stever ein Segen für Olfen oder das Gegenteil? Eine Antwort erhielten die mehr als 200 Menschen in der Stadthalle nicht. Dafür gab es viel Diskussion und ein Versprechen.

Olfen

, 10.03.2022 / Lesedauer: 4 min

Wer Fische fragen würde, erhielte einhellige Zustimmung für den Bau der Neuen Stever: ein 4,4 Kilometer langes, naturnahes Gewässers, das die Stever mit der Lippe verbinden soll. Wandernde Fische würden dann nicht mehr durch die Mauern des Hullerner- und des Halterner Stausee ausgebremst wie bisher, sondern könnten ihrer Wege schwimmen. Wer Olfener Bürgerinnen und Bürger fragt - selbst solche, die den Fischen wohlgesonnen sind -, hört nicht nur Beifall für das Vorhaben, sondern auch Zweifel, Kritik und Sorgen. Das war der Anlass für die Stadtverwaltung, eine Bürgerversammlung einzuberufen: eine fast dreistündige Veranstaltung am Mittwoch (9. 3.) in der Stadthalle.

Hermann Mollenhauer war die Überraschung anzusehen. Der Abteilungsleiter Wasserwirtschaft beim Kreis Coesfeld, der Unteren Wasserbehörde, sprach von einem „erstaunlichen Interesse“ der Olfener Bürgerschaft, das er von anderen Ausbaumaßnahmen so offenbar nicht kennt. Und das die Neue Stever erst seit rund einem halben Jahr erfährt: seitdem Hans Oswald Mattern aus Olfen überparteilichen Widerstand gegen den „überteuerten Blödsinn“ mobilisiert hatte. Bei der Bürgerversammlung war er zwar auch anwesend, ergriff aber nicht das Wort. Das taten andere: vor allem Anwohner der Siedlung Sternbusch im Norden von Olfen und unweit der Stever, aber auch Klima-und Umweltschützer.

Baurecht besteht längst, Fristverlängerung ist beantragt

Worüber alle sprachen, ist keine ferne Idee mehr, sondern bereits beschlossene, wenn auch noch nicht umgesetzte Sache. Das Projekt Neue Stever reiche bis ins Jahr 2006 zurück, erinnerte Bürgermeister Wilhelm Sendermann. 2012 habe es schon einmal eine Bürgerversammlung gegeben. Der Planfeststellungsbeschluss fiel 2017. Seitdem besteht Baurecht. „Dagegen hat auch niemand geklagt.“ Verbunden mit der Genehmigung war allerdings auch die Auflage, bis Mitte 2022 zu beginnen: ein Datum, das nicht mehr zu halten sei, wie Sendermann sagte.

Auch weil wichtige Fragen der Finanzierung - insbesondere die Zusage der Gelsenwasser AG, sich an den Kosten zu beteiligen - noch offen sind. Deshalb habe die Stadt eine Fristverlängerung beantragt. Mollenhauers Behörde muss noch darüber befinden. Am Abend gab es aber keinen Hinweis, dass er die Verlängerung kritisch sehen würde. Dass die Zeit zur Umsetzung drängt, hat aber nicht nur etwas mit der Baugenehmigung zu tun.

Olfen hat eine Schlüsselrolle dank der Lage

Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie schreibt vor, dass Gewässer in der EU spätestens bis 2027 in einem „guten ökologischen“ und „guten chemischen Zustand“ sein müssen. Wer sich da kümmere - Gelsenwasser als Wasserversorger und Betreiber der Stauseen, die Stadt Olfen oder wer auch immer -, sei offen, sagte Bürgermeister Sendermann. In der Verantwortung stünden alle. Aber Olfen habe gute Voraussetzungen aufgrund der räumlichen Lage und Nähe von Stever und Lippe im westlichen Umfeld der Stadt. Und aufgrund der Reliefverhältnisse und Landschaftsstrukturen, die erst den Bau einer durchgängigen Verbindung ermöglichten, wie Dr. Uwe Koenzen vom gleichnamigen Hildener Planungsbüro erklärte.

Er räumte mit einigen Vorurteilen auf. Dass etwa das gesamte Gelände der Neuen Stever eingezäunt werde und damit Menschen nicht zugänglich werde, sei „einfach Quatsch“. Nur da, wo tatsächlich Weidetiere grasten wie die Konik-Pferde, Esel und Rinder in der Steveraue, sei das ein Problem. Weidevieh dürfe aber grundsätzlich nicht im Wald grasen. „Und Waldstrukturen werden wir haben - deutlich mehr als bislang.“ Dass sich das Rinnsal des Baches tief in den Boden bohre, ist laut Koenzen ebenfalls eine falsche Vorstellung. Der Wasserlauf werde mal einige Zentimeter tief sein, mal auch hüfttief. Als Breite nannte er drei bis vier Meter. Der gesamte Bereich der Sandbachstruktur mit den nebenstehendem Bäumen werde aber rund 50 Meter messen. „Die Landschaft wird besser und ökologisch wertvoller“ sagte Koenzen. Da meldete Anja Lenz vom Klimaforum Zweifel an.

Fünf Hektar Wald sollen gefällt, aber ersetzt werden

Wie Koenzen von ökologischer Aufwertung sprechen könne, wenn doch fünf Hektar Wald gefällt werden müssten, wollte sie wissen. Ohnehin hält sie die zehn Jahre alten Planungen angesichts der aktuellen Klimakatastrophe für überholt: eine Sorge, die Koenzen ihr nehmen wollte: Fachleute wie er hätten schon vor 25 Jahren die dramatischen Klimaveränderungen in ihre Arbeit einbezogen. Zwar müsse tatsächlich Trockenwald auf Dünenboden weichen -“vor allem Fichtenbestände“ -, aber dafür werde am Ende mehr Wald entstehen.

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Anwohner des Sternbuschs, darunter viele, die Brunnenwasser nutzen, meldeten sich mehrfach zu Wort. Nein, „definitiv gibt es bei ihnen keine Hochwassergefahr“, versicherten ihnen die Planer. Umgekehrt sei auch nicht mit einem Trockenfallen der Brunnen und dadurch gar mit Rissen in den Häusern zu rechnen. Oder mit einer Steigerung des Nitratanteils, „eher im Gegenteil“. Und wenn es doch zu Schäden komme? Grundsätzlich müsste die Stadt als Bauträger dafür aufkommen, sagte der Vertreter der Unteren Wasserbehörde. Bürgermeister Wilhelm Sendermann beließ es nicht dabei. Bevor der Rat vermutlich im nächsten Jahr abschließend entscheide, werde sich die Stadt konkret der Sorgen der Sternbusch-Anwohner annehmen: „versprochen“.

Ökopunkte auf dem Haben-Konto

Laut Sendermann sollen Gelsenwasser und das Land NRW die Hauptkosten des Projekts Neue Stever tragen tragen. Und auch beim Unterhalt erwarte Olfen kein finanzielles Abenteuer. Die jährlichen Kosten für die Stadt würden nicht bei 200.000 bis 500.000 Euro liegen, wie gemutmaßt werde, sondern bei 10.000 Euro, „mehr nicht“. Außerdem gebe es auf der Haben-Seite einiges zu verbuchen: 670.000 Ökopunkte durch die Aufwertung des Lebensraums. Ein Olfener Ökopunkt kostet 2,38 Euro.

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