Wenn man einen Jahresausblick wagen möchte, bleibt manches Glaskugelleserei. Vieles ist aber schon klarer. Die Stadt Olfen kann sich der globalen und überregionalen Lage, die manche Rahmenbedingungen setzt, nicht verschließen. Manches hat sie aber auch selbst in der Hand, wie Bürgermeister Wilhelm Sendermann im Interview berichtet.
Herr Sendermann, wie gehen Sie ins neue Jahr? Optimistisch. Zurückhaltend optimistisch? Pessimistisch?
Ich bin optimistisch ins Jahr 2023 gegangen. Mit ist völlig klar, dass die aktuellen Rahmenbedingungen uns allen Sorgen bereiten. Ich nehme z.B. den Ukraine-Krieg, von dem ich mir wünschen würde, dass er zu Ende geht. Uns sollten aber Entwicklungen prägen. Wir merken z.B., dass auf dem Weltmarkt jetzt Gas wieder ganz normal gehandelt wird. Deswegen behalte ich meinen Optimismus. Ich glaube, dass wir einen Rahmen haben, wir arbeiten können, fleißig sein können, Zukunft gestalten können. Das sollten wir annehmen und ein bisschen darauf setzen, dass andere Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel eben der Ukrainekonflikt, sich vielleicht doch beenden lassen.
Sie haben gesagt: Zukunft gestalten. Die Stadt verfügt über ein Eigenkapital von 54 Millionen Euro. 16 Millionen stehen zur Verfügung, um den Haushalt in Krisenzeiten auszugleichen. Reicht das denn auf Dauer angesichts der massiv steigenden Kosten und Preise?
Aus einer Fraktion kam bei den Haushaltsreden die Meinung durch, dass man die 16 Millionen Euro einsetzen und ausgeben sollte. Ich hatte geantwortet, man braucht das für schlechtere Zeiten. Kurz nach dem Halten der Haushaltsrede der Grünen-Fraktion ist der Ukrainekrieg losgegangen. Und mit den Konsequenzen und Folgen haben wir, auch wenn es zu einer Waffenruhe kommen sollte, noch ganz lange zu tun. Und deswegen sollte man nicht immer in Zeiten, wo es gut ist, abheben und sagen ja, wofür brauche ich denn das, oder genauso, wenn es dann vielleicht ein bisschen angespannter ist, sofort anfangen zu jammern. Olfen wird das nicht tun und ich werde das auch nicht tun. Im Wissen, dass nicht immer alles super läuft, aber genauso im Wissen und auch ein bisschen in der Hoffnung, dass nicht eben immer alles schlecht wird.
Gleichwohl: Werden den Bürgern und den Gewerbetreibenden Steuererhöhungen - etwa bei der Grundsteuer und Gewerbesteuer - erspart bleiben? Sie sagen ja immer „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“. Steuererhöhungen könnten helfen.
Klare Position. Sie haben die 16 Millionen Euro Rücklagen für schlechtere Zeiten angesprochen. Ich kann jetzt nicht als erstes kommen und sagen, der Bürger soll jetzt auch noch einen zusätzlichen Beitrag leisten. Das soll er ausdrücklich nicht. Die Bürger sind mit einer Inflationsrate, die bei über 7 Prozent liegt und wo wir noch keine Perspektive haben, dass es wieder weniger wird, genug beansprucht. Ich finde, da erkennt man jetzt auch manchmal wieder das Handeln der Wirtschaft. Ich bin nicht sicher, dass diese Preissteigerungen, die jetzt alle geltend gemacht werden, sich tatsächlich immer mit dem Ukrainekrieg und den veränderten Warenströmen begründen, sondern da sind Mitnahmeeffekte, da sind Leute dabei, die mit der Situation Geld verdienen wollen.

Das Gewerbegebiet Olfen-Ost steht für ein Gebiet, das sich ständig erweitert hat. Jetzt haben wir Abschnitt zwei. Wird es einen Abschnitt drei geben? Wird es weitere Gewerbe- und Industrieflächen geben? Wenn ja, wo?
Diese gewerbliche Entwicklung mit großen Parzellen und über 500 neuen Arbeitsplätzen ist schon prägend. Wann hat Olfen jemals eine solche gehabt? Wir müssen uns immer wieder neue Ziele setzen. Ziele, die man aber auch am Ende erreichen kann. Das Gewerbegebiet Olfen-Ost II wird noch ein bisschen brauchen, bis es komplett entwickelt ist. Die Straßen müssen auch noch ausgebaut werden.
Wann kommt denn Olfen-Ost III?
Für 2023 steht erstmal ganz oben auf der Agenda die Nachfolgenutzung der Fläche der ehemaligen Ziegelei Hüning. Das sind 8,5 Hektar in Vinnum, wo ich erreichen möchte, dass wir 2023 zu ganz konkreten Weichenstellungen kommen. Ich kann mir vorstellen, dass dort auch 150 bis 200 neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Wir sind zwar nicht Eigentümerin der Fläche, aber wir sind in einer gesicherten vertraglichen Regelung und kümmern uns um die Entwicklung.

Olfen wächst. Mit der Zahl der Einwohner wächst ja auch die Herausforderung, die Infrastruktur zu schaffen, die nötig ist. Reichen auf Sicht beide Schulen und die Kitas, die Olfen hat, aus?
Dass die Grundschule fünfzügig ausgebaut werden soll, ist beschlossen. Wenn Fördermittel kommen, kann das 2023 beginnen. Es geht aber um mehr als um die Fünfzügigkeit, sondern auch um die Schaffung von neuen Räumlichkeiten für die Betreuungsangebote. Das würde dann komplett zusammen ausgebaut. Das hat auch eine Priorität. Wir haben Kinder in Containern. Das kann nicht lange die Lösung sein.
Und wie sieht es an der Gesamtschule aus?
Dass die Wolfhelm-Gesamtschule von vier auf drei Züge zurückgeht und dann mit einer stärkeren Oberstufe agiert, bedeutet jetzt erst mal nicht, dass wir mehr Raum brauchen. Es ist aber notwendig, dass wir innerhalb des Raumes natürlich verändern und umbauen müssen. Ein Teil des Gebäudes ist von 1966, da sind auch bauliche Ertüchtigungen nötig.
Ist die Kita-Landschaft gut aufgestellt?
Spielgruppen haben weiterhin eine Berechtigung. Drei Gruppen haben wir. Nicht alle brauchen vielleicht dann einen Kindergartenplatz. Im Kindergartenbereich sind die Gruppengrößen kleiner geworden, weil die Kinder auch jünger in den Kindergarten kommen. Wir reden nicht nur über die Anzahl der Kinder, sondern eben auch darüber, dass ja dann qualitativ Kindergartenbetreuung heute anders auszurichten ist.
Müssten denn die Kitagruppen nicht größer werden, wenn auch jüngere Kinder in den Kindergarten kommen?
Nein, sie werden kleiner. Früher waren 25 Kinder in einer Gruppe (3 Jahre und älter), heute rund 13 (1 Jahr und älter). Deswegen hat die starke Aufnahme jüngerer Kinder die zusätzliche Wirkung, dass wir auch dadurch mehr Gruppen benötigen. Die „kleineren“ Kinder machen aber auch mehr „Arbeit“.
Welche Maßnahmen sind erforderlich?
In diesem Monat wird die neue Gruppe an der evangelischen Kirche fertig. Wir sind mit der katholischen Kirche schon in guten Gesprächen, dass, wenn wir das brauchen, auch noch am St.-Vitus-Kindergarten eine Gruppe angebaut wird. Und ansonsten werden wir beobachten, was weiter zu tun ist. Aber ich möchte einfach immer wieder ein bisschen warnend hinsichtlich der der Schaffung von Ressourcen den Finger erheben, dass wir genau überlegen, denn es wird uns auch wieder treffen, dass die Kinderzahlen runtergehen.

Wie wird Olfen den gestiegenen Anforderungen an den Klimaschutz gerecht?
Wir wollen und werden beim Klimaschutz vorne sein. Für mich wären große Maßnahmen für 2023 unter anderem ein drittes Windrad. Photovoltaik auf öffentlichen Gebäuden ist für mich obligatorisch. Nicht nur beim Neubau, sondern auch, indem man nachrüstet. Ein Projekt wäre zum Beispiel die Ballsporthalle. Da steht eine Dachsanierung an. Und das Thema Freiflächen für Photovoltaik gehört auf jeden Fall dazu. Wir müssen aber auch die Menschen mitnehmen und müssen dann aufzeigen, wir können nur gemeinsam etwas erreichen. Und dazu werden dann auch städtische Förderprogramme gehören.
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