
© Stephanie Tatenhorst
Neles letztes Kinderjahr soll in der Kinderheilstätte schön werden
Kinder mit Behinderung
Nele ist vier Jahre alt und hat das Downsyndrom. Bislang ging sie in einen katholischen Kindergarten in Nordkirchen. Doch da fühlt sich die Familie rausgeekelt. Nun wechselt sie am 1. August.
Nele hat das Down-Syndrom. Trotz aller Entwicklungsverzögerungen ist das Mädchen aufgeweckt und weiß, was es will. Eine Läuseinfektion wurde für sie aber zur Tortour - und im Kindergarten zum Spießroutenlauf. Unsere Redaktion hatte darüber vor einigen Tagen berichtet.
Zur Erinnerung: Ärztliche Atteste wurden angezweifelt, weitere Untersuchungen gefordert und immer wieder Neles Kopf inspiziert. Wurden (alte) Nissen gefunden, ging es von vorne los. „Für Nele ist das einfach extrem traurig“, findet die Mutter noch sanfte Worte. Denn sie schildert, was das Ganze mit ihrer Tochter gemacht habe. „Kopf gucken? Nein! Nein! Nein!“ sage Nele immer und schlage die Arme über den Kopf und verstecke sich.
Erster Kita-Wechsel ist vollzogen
Inzwischen ist Nele in den kahtolischen Kindergarten an der Bergstraße gewechselt. Verbessert hat das die Stimmung nur oberflächlich. „Wir sind die Bösen, weil wir damit an die Öffentlichkeit gegangen sind“, erklärt Neles Mutter. „Aber für meine Nele tu ich alles!“

Nele mit ihren Eltern: Die drei haben in der Kita, die auch Neles ältere Geschwister besuchten, schlechte Erfahrungen gesammelt. Nun soll es ab 1. August in der Kinderheilanstalt für Nele noch ein tolles Abschlussjahr geben. © Laura Schulz-Gahmen
Ähnlich empfand es Thomas Pliquett, Käufmännischer Direktor der Vestische Caritas-Kliniken GmbH. „Als ich den Artikel in der Zeitung gelesen habe, dachte ich sofort, dass wir Nele helfen müssen. Auch wenn wir eine katholische Einrichtung sind, sind wir nicht derselbe Träger“, betont Pliquett. „Wir bekommen keine Kirchensteuer und gehören auch zu keinem Bistum.“
Um Nele zu helfen, rief er Sandra Rolf an, Leiterin der Frühförderung und Kindertagesstätten in der Kinderheilstätte Nordkirchen. Die befindet sich in Trägerschaft der Vestischen Caritas-Kliniken GmbH. Sandra Rolf schockierte ihn aber im ersten Moment mit ihrer Antwort: „Sie sagte mir, wir können nicht mehr helfen - wir haben schon“, schildert Pliquett lachend.
Im August Wechsel zur Kinderheilstätte
Zum 1. August wird Nele, dan fünf, in die Kinderheilstätte wechseln und ihr letztes Kindergartenjahr nun dort verbringen. „Wir freuen uns auf Nele und Familie Middendorf“, sagt Sandra Rolf und lächelt der Mutter beruhigend zu. Nele, so erklärte sie, wird eine Regelgruppe mit 21 Kindern besuchen, die von drei Erzieherinnen betreut werden. Außer Nele wird es noch zwei weitere Kinder mit Behinderung geben.
Neles Mutter ist dankbar. Die Zeit bis August wird Nele weiter in die Kita an der Bergstraße gehen, sofern sie nicht krank ist. Die Aggressivität, die sie nach Besuchen in der anderen Kita gezeigt hatte, sei auch bereits zurückgegangen. „Ich finde es schade, wie es gelaufen ist“, sagt Neles Mutter. „Wenn die gesagt hätten, dass sie der Lage nicht mehr gerecht werden, wäre doch alles gut gewesen. Aber diese Schiene zu fahren, das war für Nele einfach nur traurig.“
Regel-Einrichtungen sind oft überfordert
Dass Regel-Einrichtungen mit Kindern wie Nele überfordert sind, ist für Thomas Pliquett nichts Neues. In den vergangenen Jahren häuften sich Anfragen von Eltern, ob deren Kinder nicht wechseln könnten.
„Ich mache den Einrichtungen keinen Vorwurf“, betont Pliquett. „Die erste Anlaufstelle für Eltern ist nunmal die Kita vor Ort. In den ersten Jahren ist die Betreuung auch kein Problem.“ Aber je älter die Kinder würden, desto schwieriger sei es. „Wenn dann noch ein Wechsel bei der Integrationskraft erfolgt, kann es schwierig werden. Einrichtungen sollten sich daher die Frage stellen, ob sie ein Kind mit Behinderungen über die gesamte Zeit betreuen können.“
Denn ein Kita-Wechsel im letzten Jahr ist für die Kinder alles andere als schön. „Da wurden negative Erfahrungen gemacht. Die Eingewöhnung am neuen Ort braucht seine Zeit - und dann sind gerade neue Freunde gefunden, dann steht schon wieder ein Wechsel zur Schule an“, weiß Pliquett. Auch für die Einrichtungen sei das schwierig, ergänzt Sandra Rolf. „Wir kennen das Kind kaum, sollen aber eine Empfehlung für die passende Schulform abgeben.“
Für Nele ist ein Wechsel dennoch die beste Lösung. Und ihr letztes Jahr im Kindergarten soll toll werden.
Jahrgang 1979, aufgewachsen und wohnhaft in Bergkamen. Magister-Studium in Münster in Soziologie, Wirtschaftspolitik und Öffentlichem Recht. Erste Sporen seit 1996 als Schülerpraktikantin und dann Schüler-Freie in der Redaktion Bergkamen verdient. Volontariat und Redakteursstellen im Sauerland sowie Oldenburger Münsterland. Seit zehn Jahren zurück in der Heimat und seit Mai 2022 fest beim Hellweger angestellt.
