
© Laura Schulz-Gahmen
Down-Syndrom: Besuch der Kita St. Mauritius wird für Nele (4) zur Zerreißprobe
Kindergarten-Ärger
Eine Familie ist verärgert über den Kindergarten St. Mauritius. Ihre kleine Tochter mit Down-Syndrom wird regelmäßig mit Läusen nach Hause geschickt. Der Streit geht bis vor Gericht.
Eltern möchten immer das Beste für ihre Kinder. Vor allem dann, wenn ihre Kinder von Natur aus schon benachteiligt sind. Die kleine Nele (4) hat das Down-Syndrom und geht in Nordkirchen in den Kindergarten St. Mauritius. Den besuchten auch schon ihre älteren Geschwister. Lange Zeit lief es mit Nele gut, aber in letzter Zeit wird der Kindergartenbesuch für Nele, ihre Eltern und die Erzieherinnen zur Zerreißprobe.
Seit zwei Jahren besucht das aufgeweckte Mädchen mit dem Gendefekt den Nordkirchener Kindergarten. Doch seit einiger Zeit muss Nele immer wieder früh abgeholt werden. Der Grund: Läuse.
Eltern müssen Nele immer wieder abholen - wegen Läusen
Dass Nele Läuse hatte, bestreiten ihre Eltern Ingrid und Sascha Middendorf nicht. Doch sie haben ihre Tochter mehrmals dagegen behandelt, haben ihr schon zweimal die Haare kurz geschnitten und trotzdem muss die Vierjährige immer wieder von ihren Eltern aus dem Kindergarten abgeholt werden, weil die Erzieherinnen Läuse auf Neles Kopf finden.
Dagegen wehren sich Ingrid und Sascha Middendorf aber vehement. „Wir haben mehrfach Atteste eingereicht, die bestätigen, dass sie keine Läuse hat. Und wir durften sie trotzdem nicht bringen“, sagt Sascha Middendorf im Gespräch mit der Redaktion.
Immer wieder würden die Erzieherinnen, allen voran Kindergartenleiterin Monika Hülsbusch, Neles Kopf auf Läuse untersuchen. „Und das obwohl wir jede Woche Atteste von der Kinderärztin vorlegen“, so Sascha Middendorf. Mal dürfe Nele im Kindergarten bleiben, oft würden aber am nächsten Tag die Eltern wieder angerufen, weil wieder Läuse auf Neles Kopf gefunden worden seien.
Leere Nissenhüllen in den Haaren
Laut Neles Eltern und ihrer Kinderärztin hat Nele aber keine Läuse, sondern leere Nissenhüllen (Eihüllen) in den Haaren. So steht es in einem Attest, das der Redaktion vorliegt. Darin steht auch, dass leere Nissenhüllen auch noch acht bis zwölf Wochen nach einem Läusebefall auftreten können.
Dass Nele immer wieder nach Hause muss, ist nach Meinung ihrer Eltern nur ein Vorwand. Denn die Vierjährige hat das Down-Syndrom (Trisomie 21), eine Chromosomenstörung. Betroffene besitzen drei Exemplare des Chromosoms Nummer 21. Dadurch ist Nele in ihrer Entwicklung eingeschränkt und benötigt besondere Aufmerksamkeit und Förderung.

Ingrid Middendorf mit ihren Töchtern Lara, Nele und Lea (vl) vor ein paar Jahren. © Weitzel
Zu Beginn habe Nele eine Integrationskraft gehabt, die nur für sie zuständig war. Die sei aber schon länger nicht mehr da. „Wir wissen nicht, warum, da hüllt man sich beim Kindergarten auch in Schweigen“, so Sascha Middendorf. Dabei sei gerade diese Vertrauensperson für die Vierjährige mit dem Down-Syndrom besonders wichtig.
Gesundheitsamt nicht zuständig?
Familie Middendorf hatte versucht, vor Gericht eine einstweilige Verfügung zu erwirken, damit Nele wieder in den Kindergarten darf, ohne ständig überprüft zu werden. Denn der Kindergarten St. Mauritius hatte sich vorbehalten, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen, falls die Vierjährige weiter mit Läusen in den Kindergarten gebracht wird. Auch eine Kündigung des Betreuungsplatzes stand im Raum.
Das Amtsgericht Lüdinghausen hat entschieden, dass Atteste nur noch vom Gesundheitsamt vorgelegt werden dürfen. „Ich habe mit dem Gesundheitsamt gesprochen, die sagen, sie sind für so etwas gar nicht zuständig“, sagt Sascha Middendorf im Gespräch mit der Redaktion.
Weiter sollen auch andere Kinder nicht mit der nötigen Fürsorge im Kindergarten St. Mauritius behandelt worden seien. Ein Kind bekomme kaum noch zu trinken, damit die Erzieherinnen es nicht ständig wickeln müssen, heißt es von Familie Middendorf, ein anderes habe eine Kopfplatzwunde gehabt, die Eltern seien nicht umgehend informiert worden. Laut Sascha Middendorf handelt es sich bei den genannten Fällen ebenfalls um Integrationskinder.
Nele soll in anderen Kindergarten gehen
„Die machen halt ein bisschen mehr Arbeit“, sagt er weiter. Seine Frau Ingrid nickt. „Damals hieß es, es sei kein Problem, Nele in den Kindergarten zu bringen. Jetzt, da sie älter und anstrengender wird, wird sie denen einfach zu viel“, vermutet die vierfache Mutter. Mittlerweile sei Nele total aggressiv, wenn sie denn mal aus dem Kindergarten kommt.
Die Redaktion hat sich nach den Vorwürfen von Familie Middendorf mit der Verbundleiterin Regina Ahlefelder in Verbindung gesetzt. Sie sagt: „Wir haben definitiv Läuse auf Neles Kopf gefunden, und das nicht einmal, sondern über eineinhalb Jahre immer wieder.“ Mehrere Gespräche mit Neles Eltern hätten bereits stattgefunden und seien auch aktiv von Seiten des Kindergartens gesucht worden.
Außerdem seien auch alle anderen Kinder im Kindergarten untersucht worden, es gab keine weiteren Läuse-Fälle. Zudem habe der Kindergarten auch eine Fürsorgepflicht für die anderen Kindergartenkinder. Das Gericht habe ebenfalls so entschieden, „wir haben das Recht und die Pflicht Nele auf Läuse zu prüfen“, so Regina Ahlefelder im Gespräch mit der Redaktion.
Pfarrer versteht Emotionen der Eltern
„Das ist schon ein sehr persönliches Thema und ich verstehe, dass bei den Eltern die Emotionen hochkommen“, sagt Pfarrer Gregor Wolters. Auch, dass sie teilweise heftig reagieren, kann er nachempfinden.
Man habe allerdings, so die Verbundleiterin, bereits vor einem Jahr der Familie nahegelegt, Nele aufgrund ihrer besonderen Bedürfnisse durch ihre Erkrankung in den Kindergarten der Kinderheilstätte in Nordkirchen zu bringen. Das habe die Familie Middendorf jedoch abgelehnt. Auf einmal heißt es, dass der Kindergarten St. Mauritius Nele nicht mehr wolle.
Das wäre so nicht richtig. „Alle sind besonders lieb zu ihr und mögen sie auch“, betont Pfarrer Wolters. „Es trifft uns, dass es jetzt so dargestellt wird, dabei hat die Kinderheilstätte den selben Träger, das sind also auch wir“, so Wolters weiter. Es sei den Erzieherinnen schwer gefallen, Nele immer wieder wegzuschicken, da sie wissen, wie wichtig kontinuierliche Betreuung für sie ist.
Kindergarten weist Vorwürfe zurück
Eine Integrationskraft, die nur für Nele zuständig ist, gibt es laut Verbundleitung nicht. Es gibt anteilig Stunden solcher Integrationskräfte, insgesamt 40 Stunden pro Woche und für alle Inklusionskinder, „das ganze Team muss die Situation auffangen“, so Regina Ahlefelder. Auch die anderen Vorwürfe, etwa, die Kopfplatzwunde eines anderen Kindes und des angeblichen Entzuges von Wasser, wies die Verbundleiterin zurück.
Kitaleiterin Monika Hülsbusch erinnert sich gut an die genannten Vorfälle: „Das eine Kind hatte sich verletzt und wir haben erst versucht das eine Elternteil anzurufen, aber vergeblich. Auch beim zweiten Elternteil hatten wir kein Glück, sodass wir dann die Oma, die als Notfallkontakt angegeben war, erreicht haben. Sie hat das Kind dann abgeholt. Währenddessen wurde es von uns versorgt.“
Amtsärztliches Gutachten bei Läusebefall ungewöhnlich
Auch stimme es nicht, dass man ein Kind nicht mehr trinken lasse, weil es sonst zu oft gewickelt werden muss. „Das Kind trinkt vor dem Essen drei bis vier Tassen, dann hat es keinen Hunger mehr und sagt Zuhause, es habe nicht gegessen“, so Hülsbusch. Auch hier habe es bereits zwei Gespräche mit den Eltern gegeben. Natürlich dürfe das Kind so viel trinken wie es möchte, nur nicht mehr direkt vor dem Essen.
Der Kreis Coesfeld äußerte sich zum Vorfall und dem Vergleich des Gerichts so: „Zu einzelnen Fällen können wir aufgrund der Schweigepflicht keine Auskunft geben. Grundsätzlich können Kinder, bei denen die Läuse behandelt wurden, am nächsten Tag wieder in den Kindergarten. Bei wiederholtem Befall ist zur Wiederzulassung in den Kindergarten ein ärztliches Attest vorgeschrieben. Wenn ein Gericht grundsätzlich ein amtsärztliches Gutachten benötigt, wird ein Auftrag an das Gesundheitsamt erteilt. Dies ist in solchen Fällen bislang nicht erfolgt. Ein amtsärztliches Gutachten zum Thema Lausbefall ist sehr ungewöhnlich.“
Laura Schulz-Gahmen, aus Werne, ist Redakteurin bei Lensing Media. Vorher hat sie in Soest Agrarwirtschaft studiert, sich aber aufgrund ihrer Freude am Schreiben für eine Laufbahn im Journalismus entschieden. Ihr Lieblingsthema ist und bleibt natürlich: Landwirtschaft.
