Klaus Stegemann ist gern flott mit dem Rad unterwegs. Ob der Landtagskandidat der Linken am Sonntag, 15. Mai, genau so flott in den NRW-Landtag einziehen kann? "Die Chance ist nicht realistisch", sagt er.

Klaus Stegemann ist gern flott mit dem Rad unterwegs. Ob der Landtagskandidat der Linken am Sonntag, 15. Mai, genau so flott in den NRW-Landtag einziehen kann? "Die Chance ist nicht realistisch", sagt er. © Arndt Brede

Linken-Landtagskandidat Klaus Stegemann: Der bescheidene Realist

rnLandtagskandidat der Linken

Klaus Stegemann kandidiert für die Linken im Wahlkreis Coesfeld II für den NRW-Landtag. Ein eher einsames Unterfangen. Macht nichts, sagt er.

Kreis Coesfeld

, 11.05.2022, 05:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Wenn etwas bekannt ist, heißt es: „Die Spatzen pfeifen es von den Dächern.“ Im Fall von Klaus Stegemann pfeifen es Spatzen und andere Vögel - wenn überhaupt - eher von den Bäumen, dass er der Landtagkandidat der Linken im Wahlkreis Coesfeld II ist. Zumindest hat unsere Redaktion Stegemann kurz vor der Landtagswahl am Sonntag, 15. Mai, nicht unter einem Dach getroffen, sondern dort, wo der Politiker am liebsten ist: in der Natur.

Schon als Kind sei er mit den anderen Kindern aus seiner Straße gern in den Wildpark in Dülmen gegangen, erzählt der heute 62-Jährige, als wir ihn in eben jenem Wildpark in seiner Heimatstadt treffen. Idylle pur. Vogelgezwitscher begleitet uns, Fußgänger und Radfahrer auch. Es ist richtig was los im Park an diesem Vormittag. Und mittendrin Stegemann und der Reporter. Neugierige Blicke der Passanten angesichts des Mikrofons und der Kamera am Stativ für Videoaufnahmen. Stehen bleiben, das tut lediglich ein älteres Paar. Nicht, um Klaus Stegemann anzusprechen. Wer weiß, ob sie ihn überhaupt kennen. Er ist ein Einzelkämpfer der Linken in Dülmen. Erst recht im Wahlkreis Coesfeld II.

Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass viele Leute Klaus Stegemann kennen, nicht gerade gering. Geboren ist er nämlich in Dülmen.

Kein gerader Weg

Klaus Stegemann ist keiner, der den geraden Weg gegangen ist. „Ich habe keine abgeschlossene Berufsausbildung“, erzählt der 62-Jährige. Er habe einst auf Lehramt für Kunst und Musik studiert, „bin dort aber nie wirklich reingekommen“. Er sei dann Postbote geworden und habe zuletzt als Zusteller in einem Verlag gearbeitet. Nun ist Klaus Stegemann arbeitssuchend.

Klaus Stegemann im Wildpark in Dülmen. Hier ist er zuhause, hier fühlt er sich wohl.

Klaus Stegemann im Wildpark in Dülmen. Hier ist er zuhause, hier fühlt er sich wohl. © Arndt Brede

Was ist das für ein Typ, dieser Klaus Stegemann? „Ich bin ein ländlicher Typ. Großstädte sagen mir nichts, abgesehen vom Kulturangebot.“ Bis auf seine Studienzeit in Münster ist Klaus Stegemann in Dülmen geblieben. Die Liebe zu seiner Heimatstadt klingt aus nahezu jedem Satz. Was hat der junge Klaus Stegemann in Dülmen und im Münsterland so gemacht? Neben den Wildparkabenteuern, die Klaus Stegemann mit den anderen Kindern aus seiner Straße erlebt hat, war Fußball zu spielen eine weitere Leidenschaft. „Bis zur C2-Jugend bei der TSG Dülmen.“ Nach und nach verschoben sich die Maßstäbe. Zur Disco nach Haltern getrampt sei er regelmäßig. Partys in Dülmen habe er besucht. „Ich habe nichts vermisst.“

Grenzenloses Interesse an der Welt

Als junger Mann habe er sich für Literatur, für Sozialwissenschaften interessiert, sagt er und hält einen Moment inne. „Eigentlich habe ich mich für alles interessiert.“ Das hat er beibehalten. Dieses grenzenlose Interesse an der Welt kann auch schon mal dazu führen, dass Klaus Stegemann Mathematik-Vorlesungen hört.

Interesse, Neugier, da liegt es nahe, anzunehmen, dass Klaus Stegemann schon früh ein politischer Mensch war. Zumindest hat sich Stegemann, aufgewachsen mit zwei älteren Brüdern und einer älteren Schwester, nach dem Abitur „umfassend über Gott und die Welt informiert“. Stegemanns Augen leuchten, wenn er zum Beispiel von seiner Liebe für die Impressionisten in der Malerei erzählt, und seine Augenbrauen ziehen sich zusammen, wenn es um Impressionistinnen geht, die zwar genau so erfolgreich gemalt hätten wie ihre männlichen Kollegen, aber im Gegensatz zu den männlichen Künstlern in Vergessenheit geraten seien.

Da kommt sie zum Vorschein, seine soziale Ader, sein Wunsch nach Gerechtigkeit. Genau dieser Wunsch hat letztendlich dazu geführt, dass Stegemann Politiker geworden ist. Ende der 1990er-Jahre habe er eine Schrift von Carl Amery gelesen - „Die ökologische Chance“ - und darin schreibe Amery, dass uns zukünftige Generationen für diese Energiepolitik verfluchen und verachten werden. Ein Thema, das ihn packt, wenn Stegemann darüber nachdenkt: „Wir verbrennen pro Jahr 200 Millionen Jahre, die es gedauert hat, fossile Energien in der Form anzureichern, wie wir sie jetzt haben.“

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Skandal nennt er so etwas. So wie die Laufzeitverlängerung für das Brennelemente-Zwischenlager in Ahaus. Der Ärger über solche Entwicklung bricht sich bei Klaus Stegemann aber nicht in lauten Worten Bahn. Er ist kein „Auf-den-Tisch-Hauer“. „Aber die von Amery angesprochene Verachtung durch künftige Generationen wollte ich nicht auf mir sitzen lassen, und deshalb engagiere ich mich politisch.“ Auch schon früh in der Anti-Atomkraft-Bewegung. „Ich war auf der ersten großen Demo in Brokdorf, habe erlebt, wie Tränengas eingesetzt wurde.“ Klaus Stegemann trat den Grünen bei. Das war Anfang der 1980er. 2006 trat Stegemann dann den Linken bei. „Weil sie pazifistischer drauf sind und die Sozialpolitik deutlich ernster nehmen.“

Einzelkämpfer im Rat

Und so hat Klaus Stegemann für die Linken für den Bundestag kandidiert, jetzt für den Landtag. Und waren die Linken noch vor nicht allzu langer Zeit eine Fraktion im Dülmener Rat, sitzt Stegemann in dieser Legislaturperiode allein für die Linken im Rat. Ohne Antragsrecht sei es schwer, die Inhalte der Linken in Dülmen nach vorn zu bringen. Also kandidiere er für den Landtag, nehme jede Gelegenheit für eine Teilnahme an Podiumsdiskussionen wahr, „um diese Inhalte voranzutreiben“. Und um seinen Ärger über Ungerechtigkeiten - wie er es ausdrückt - los zu werden. Wie die Anhebung des Regelsatzes bei Grundsicherungsempfängern um 0,72 Prozent bei gleichzeitiger Inflation von 5 Prozent. „Das ist eine faktische Kürzung für die Betroffenen.“

Es gibt genügend Themen, die ein Landtagsabgeordneter Klaus Stegemann für die Linken beackern könnte. „Die Chance, in den Landtag einzuziehen, ist aber nicht realistisch“, gibt Klaus Stegemann zu. Realismus, gepaart mit Bescheidenheit, nennt man das wohl.