
Zwischen Ekel und Erleichterung - das Problem mit dem Klo
Öffentliche Toiletten fehlen in den NRW-Städten
Auf der Ekelskala stehen sie ganz oben: Öffentliche Toiletten. Andererseits sind sie oft Retter in höchster Not und werden dringend gebraucht. In vielen Städten sind die berüchtigten Häuschen längst Mangelware geworden - das ist ein echtes Problem.
Für 87 Prozent der Deutschen ist die Nutzung öffentlicher Toiletten besonders unangenehm, wie eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) ergab. Andererseits sind sie oft Retter in höchster Not.
„Öffentliche Toiletten sind absolute Mangelware“, sagt Alissa Schreiber, Referentin für Sozial- und Kommunalpolitik beim Sozialverband VdK Nordrhein-Westfalen. Vor allem barrierefreie Toiletten für Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten fehlen nahezu überall.
Alternde Bevölkerung hat höheren Bedarf an WCs
Schreiber verdeutlicht dies anhand einiger Zahlen: Jeder Siebte leide unter einer Blasenschwäche, bei den über 70-Jährigen sei es jeder Dritte. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes IT.NRW lebten im vergangenen Jahr mehr als 1,8 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung in NRW – rund 200.000 mehr als im Jahr 2007.
In Dortmund gibt es 85 öffentliche Toiletten. Offenbar zu wenig, wie eine Bürgerbefragung im letzten Jahr gezeigt hat. Sie war im Rahmen des wirkungsorientierten Haushalts von der Stadt in Auftrag gegeben worden. Während sich die Befragten mit dem Leben in Dortmund allgemein zufrieden zeigten und dafür die Note 3 vergaben, bewerteten sie die Erreichbarkeit und Sauberkeit öffentlicher Toiletten mit nur „ausreichend minus“.
Seniorenbeirat geht in Dortmund voran
Auf eine Lösung des Toilettenproblems pochen auch immer wieder der Seniorenbeirat und das Behindertenpolitische Netzwerk der Stadt. Sie wollen ein Bewusstsein für das Problem schaffen. Seit 2015 beschäftigt sich eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit dem Thema. Dabei geht es nicht nur um die Zahl und die Standorte, sondern auch um die Ausstattung der stillen Örtchen. Das Ziel: Die Toiletten sollten zumindest gut begehbar sein, am besten aber sollten alle Standorte eine barrierefreie Toilette haben.
Auch wenn die Arbeitsgruppe bei verschiedenen Akteuren auf offene Ohren trifft, tun sich immer wieder neue Hemmnisse auf. So seien Toiletten auf Friedhöfen wegen zu befürchtender Vandalismusschäden nur eingeschränkt geöffnet, kritisiert die Arbeitsgruppe. Als positiv dagegen hebt sie die Lösung des Toiletten-Problems im Westfalenpark und den Westfalenhallen hervor.
Auch in anderen Städten in der Region nur wenige Toiletten
Dabei gibt es in Dortmund noch verhältnismäßig viele öffentliche WCs. Das ist in anderen Städten in der Region nicht so. Krassestes BeispieL: In Olfen und Dorsten fehlen öffentliche Toiletten ganz. Die Stadt Dorsten habe „schlechte Erfahrungen“ gemacht, sagt Stadtsprecherin Lisa Bauckhorn.
Nachdem in den vergangenen Jahren viele der Häuschen dichtgemacht wurden, ist in Schwerte nur noch eine öffentliche Toilette übriggeblieben. Sie steht in der Nähe des Bahnhofs. Zwei neue City-Toiletten sind aber in Planung.
Übergangslösung am Cappenberger See
In Ahaus im Westmünsterland gibt es nur zwei öffentliche Toiletten in der City. Genauso ist es in Castrop-Rauxel, wo eine der beiden Toiletten aber zu einem Einkaufszentrum gehört und nur zu den Öffnungszeiten verfügbar ist.
Immerhin drei Toiletten gibt es in Werne, allesamt nicht direkt in der Innenstadt. Eine zentralere Anlage im Hornecenter (Rewe) könnte hinzukommen. In Haltern ist die Versorgung etwas besser - hier gibt es vier öffentliche Toiletten, drei davon sind sogar kostenlos. Sechs öffentliche Toiletten gibt es in Lünen für die gut 87.000 Einwohner. Nach vielen Jahren wurde dort die Anlage am Cappenberger See zumindest als Übergangslösung wieder geöffnet.
Konzept „Nette Toilette“ kann Kosten sparen
Es ist vor allem die Kostenfrage, die vielen Städten Probleme bereitet. Denn ein vollautomatisches Toilettenhäuschen, das sich nach jeder Benutzung selbst reinigt, kostet rund 130.000 Euro, die Wartung pro Jahr rund 15.000 Euro, Vandalismus kann diese Kosten noch wesentlich in die Höhe treiben.
Eine Idee, um Kosten zu sparen, ist die „Nette Toilette“, die in Hörde als Modellprojekt für Dortmund läuft. Unter dem Titel stellen nicht nur öffentliche Einrichtungen wie die Bezirksverwaltungsstelle und die Stadtteilbibliothek ihre Toiletten kostenlos zur Verfügung, sondern auch Hörder Gastronomen. Im Gegenzug unterstützt die Stadt sie finanziell bei der Reinigung der sanitären Anlagen.
Die Städte müssen einmalig Lizenzgebühren für die Verwendung des Faltblatts und der Logos zahlen, in Dortmund belaufen sich die jährlichen Kosten der Aktion auf maximal 10.000 Euro. In Hörde wird das Konzept seit 2014 umgesetzt, zeitlich befristet bis 2020. Denn dann läuft der Vertrag der Stadt Dortmund mit der Wall AG über die „City Toiletten“ aus, in dem Hörde bislang nicht enthalten ist. Der Vertrag soll voraussichtlich noch in diesem Jahr neu ausgeschrieben werden, vorausgesetzt der Rat gibt seinen Segen dazu. Bis dahin wird es keine City-Toilette in Hörde geben.
Idee scheitert manchmal an den Einzelhändlern
In Dorsten wurde das Modell mit einigen Anlaufschwierigkeiten ebenfalls etabliert. 3000 Euro kostet die „Nette Toilette“ die Stadt jährlich. Auch Vreden macht bei der „Netten Toilette“ mit. In Haltern gibt es auch Kooperationen zwischen der Stadt und privaten Anbietern, allerdings außerhalb der „Netten Toilette“. Olfen hingegen denkt zumindest über die Einführung nach. In Ahaus sieht die Stadtverwaltung den Bedarf an öffentlichen Toiletten und Kundentoiletten in der Innenstadt gedeckt – auch ohne „Nette Toilette.“
Viele Städte sind durchaus an dem Konzept interessiert, haben aber zu wenig Personal, um es selbst anzustoßen. In Castrop-Rauxel haben die Gewerbetreibenden laut der Stadt bislang kein Interesse an der Aktion bekundet. In Lünen war 2016 eine Umfrage unter Geschäftsleuten besonders ernüchternd. Von 60 angeschriebenen Geschäften hätten sich nur 19 zurückgemeldet, nur 8 davon wären zur Teilnahme bereit gewesen, so die Stadt. Auch in Schwerte sind enstprechende Vorstöße an den Einzelhändlern gescheitert. Toiletten seien oft nur über Lagerräume zu erreichen oder befänden sich in der oberen Etage.
Schon die alten Römer kannten öffentliche Toiletten
Öffentliche Toiletten haben eine lange und bewegte Geschichte. Schon die alten Römer verrichteten ihre Geschäfte auf öffentlichen Latrinen, und das gleich im doppelten Sinne: Auf den bis zu 60 Personen Platz bietenden Massen-Toiletten machten sie auch tatsächliche Geschäfte. Im 18. Jahrhundert gab es sogenannte Abtrittsanbieter, die Platz unter einem wallenden Mantel boten, um geschützt vor fremden Blicken sein Geschäft in einen Eimer zu verrichten.
Heute ist die Errichtung öffentlicher Toiletten ein Geschäftsmodell für Stadtmöblierer. Die Firma Wall betreibt bundesweit rund 300 City-Toiletten, 15 davon in Dortmund – die einzigen in der Region. Für die Stadt Dortmund entstehen nach Angaben der Wall AG keine Kosten, weder für Produktion und Aufbau, noch für Instandhaltung oder Reinigung. Alle Toilettenanlagen würden durch Außenwerbung refinanziert. „Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder auf Begleitpersonen angewiesene Personen können mithilfe des Euro-Schlüssels alle Toilettenanlagen kostenlos öffnen und nutzen“, sagt Christian Knappe, Pressereferent der Wall AG. Ansonsten kostet die einmalige Nutzung der City-Toiletten 30 Cent. Verglichen mit dem Bußgeld, dass einem für das öffentliche Urinieren droht, ist das vergleichsweise günstig: In Dortmund kostet Wildpinkeln ab 25 Euro. Für Wiederholungstäter – sollten sie erwischt werden – wird es teurer.
Kein Rechtsanspruch auf Toilette in der Öffentlichkeit
Einen Rechtsanspruch haben Bürger nicht auf eine öffentliche Toilette. Das hat zuletzt das Oberverwaltungsgericht in Münster entschieden. Der Kläger, ein unter krankhaftem Harndrang leidender Mann aus Essen, wollte die Stadt dazu verpflichten, auf den öffentlichen Plätzen im Stadtgebiet öffentliche, kostenfrei benutzbare Toiletten zu schaffen und kostenfreien Zugang zu vorhandenen Toiletten zu ermöglichen. Übergangsweise verlangte er im Eilverfahren die Aufstellung von Dixi-Toiletten.
Das Gericht stellte jedoch klar, es gebe „keine Rechtsvorschrift, auf deren Grundlage der Antragsteller die Aufstellung öffentlicher Toiletten von der Stadt verlangen“ könne. Die Regelungen der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen gäben dem Bürger keinen Anspruch auf Schaffung bestimmter gemeindlicher Einrichtungen. Dem Antragsteller böten sich andere Möglichkeiten, seinen gesundheitlichen Einschränkungen zu begegnen, um sich in der Öffentlichkeit aufhalten zu können. Der Mann will weiter klagen – bis zum Bundesverfassungsgericht.