Den eigenen Vater zu verlieren, ist schmerzlich genug. Dass Manuela Feldmann von ihrem Vater Helmut nicht in Ruhe Abschied nehmen kann, dass sie sich mit einer Obduktion und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft konfrontiert sieht, empfindet sie als schwer erträglich: „So geht man nicht mit Menschen um. Ich bin in meiner Trauer so wütend“, sagt sie und holt tief Luft.
Helmut Feldmann erkämpfte das Recht auf Sterbehilfe in Deutschland. Am 26. Februar 2020 fällte das Bundesverfassungsgericht dazu ein viel beachtetes Urteil. Der Marler wurde live dazu geschaltet und von den Medien bundesweit interviewt.
Letzter Urlaub mit der Tochter
Er litt an der Lungenkrankheit COPD, fürchtete, qualvoll zu ersticken – wie Jahre zuvor seine Schwester. Deshalb wehrte er sich dagegen, dass andere entscheiden, was er ertragen musste. Der Marler überstand vier Lungenentzündungen und eine schwere Operation. Zwischenzeitlich gab ihm ein neues Medikament Hoffnung: Dann kamen Stürze mit dem Rollator, blaue Flecken. Helmut Feldmann aß und nahm trotzdem ab. Ins Krankenhaus habe er nicht mehr gewollt, erzählt seine Tochter, die ihn gepflegt hat. Beide verbrachten einen letzten Urlaub an der Ostsee. Helmut Feldmann besuchte auch seine Schwester und nahm Abschied von seiner früheren Ehefrau. Alles regelte der 77-Jährige noch kurz vor seinem Tod, selbst den Verkauf seines Autos.

In der letzten Woche, ließ er sich vom deutsch-schweizerischen Verein Sterbehilfe, in dem er Mitglied ist, das Betäubungsmittel Pentobarbital bringen. Für seinen Abschied zog Helmut Feldmann den besten Anzug, das schönste Hemd an. So nahm er seine Lieben zum Abschied in den Arm.
Im Wohnzimmer auf der Couch machte er es sich zwischen Kissen bequem. Eine Sterbebegleiterin und ein Arzt des Vereins Sterbehilfe, erzählt Manuela Feldmann, stellten eine Kamera aufs Stativ und filmten die letzten Minuten ihres Vaters: wie er auf mehrfache Fragen erklärte, bei klarem Verstand zu sein und dass es sein Wille sei, zu sterben. Er unterschrieb datierte Dokumente. Sie wurden in einem Umschlag verschlossen (und später vom Verein mit dem Video der Polizei übergeben). Dann habe Helmut Feldmann an einem Rädchen gedreht - so gelang das Narkotikum über eine Infusion in seinen Körper.
In Plastiksack gepackt
Nachdem der Arzt seinen Tod bestätigt hatte, benachrichtigte Manuela Feldmann die Polizei - dazu habe ihr der Verein geraten. Doch dann folgte eine Tortur. Notärzte und Sanitäter kamen in die Wohnung, hätten sie teils angeschrien. Ein von der Polizei beauftragter Bestatter erschien mit schwarzen Handschuhen. „Meine Mutter und ich hörten in der Küche, wie er und eine Polizistin meinen Vater auszogen und in einen Plastiksack packten.“ Sie sollten nicht dauernd auf das Knistern achten, habe ein Polizist gesagt.
Am unerträglichsten findet Manuela Feldmann die Anordnung einer Obduktion für diesen Dienstag. Welche Todesursache die Hausärztin ihres Vaters auf den Totenschein geschrieben habe, wisse sie nicht.
Obduktion in jedem Fall?
Weshalb wurde die Obduktion angeordnet? Solange Sterbehilfe nicht gesetzlich geregelt ist, sieht Staatsanwältin Elisa Haering keine andere Möglichkeit: „Ich kann verstehen, dass dies bei Angehörigen zu Missmut führt.“ Es sei aber nie auszuschließen, dass „etwas nicht mit rechten Dingen gelaufen ist“. Um einen Nachweis zu führen, sei die Obduktion eines der wichtigsten Mittel. Das gelte grundsätzlich, für jeden Fall. Zum konkreten Verfahren äußerte sich die Staatsanwältin ebenso wenig wie Polizeisprecher Andreas Lesch. Er erklärte, dass die Polizei bei einem Suizid immer ein Ermittlungsverfahren einleite - unabhängig davon, ob er begleitet wurde oder nicht.
Manuela Feldmann will das nicht hinnehmen: „Wofür hat mein Vater denn gekämpft, wenn er jetzt aufgeschnitten wird und nicht in Ruhe sterben kann!?“
- Wir haben uns entschieden, in der Regel nicht über Selbsttötungen zu berichten – außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit.
- Der Grund für unsere Zurückhaltung ist die hohe Nachahmerquote nach jeder Berichterstattung über Suizide.
- Wenn Sie sich selbst betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.
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