
© Foto: Colemay auf Pixabyay
Zauderer der Ampel-Koalition verweigern Impfpflicht und lassen die Corona-Pest weiter wüten
Meinung
Unkontrollierbar und in atemberaubendem Tempo verschärft sich die Corona-Lage. Doch wenn es darum geht, das Kernproblem anzupacken, zucken die Zauderer aus dem Reichstag zurück. Ein Kommentar.
Die Situation ist absurd. Ausgerechnet jetzt, wo die Corona-Pandemie außer Kontrolle geraten ist. Ausgerechnet jetzt, wo die Zahl der Fälle, der Covid-Patienten in den Kliniken, auf den Intensivstationen, der Corona-Toten in die Höhe schießt. Ausgerechnet jetzt soll am 25. November die „epidemische Lage von nationaler Tragweite auslaufen“. Geht’s noch?
Die Feststellung der epidemischen Lage ist das schärfste Schwert, um die Pandemie zu bekämpfen. Sie schafft unter anderem die Rechtsgrundlage dafür, notfalls auch Geschäfte und Restaurants zu schließen, Sport- und Kulturveranstaltungen abzusagen. Wenn diese Notlage jetzt de facto für beendet erklärt wird, wieso war sie dann in Kraft, als die Lage deutlich entspannter war?
Mit Kübelspritze und Gießkanne gegen das Corona-Großfeuer
Sie jetzt zu beenden, ist, als wenn man mitten in einem Großbrand die großen Löschfahrzeuge nach Hause schickt und fortan mit Kübelspritze, Eimern und Gießkannen das Feuer bekämpft. Solch eine irrwitzige Entscheidung kann einem schon die Sprache verschlagen.
Dabei wäre das Auslaufen der „epidemischen Lage“ sicherlich möglich gewesen, wenn sich mehr Menschen in Deutschland impfen lassen würden. Genau hier liegt nämlich der Kern des Problems. Sowohl die Daten aus dem Vergleich der Bundesländer als auch der Blick auf andere Länder bestätigen mit extremster Deutlichkeit das, was alle Experten seit Monaten gebetsmühlenartig wiederholen: Je höher die Impfquote, desto weniger Menschen infizieren sich und desto geringer ist unsere Belastung der Kliniken durch Corvid-19-Patientinnen und Patienten. Und: Desto schneller können wir alle zurück in die Normalität.
Von Bedenkenträgern zurückgepfiffen
Einen kleinen Moment lang sah es am Montag so aus, als hätten die Parteien der angepeilten neuen Ampel-Koalition das auch endlich begriffen. Katrin Göring-Eckardt von den Grünen verkündete, man habe sich auf eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen geeinigt. Ich jubelte, doch zu früh, denn: Das war wohl nichts, wie sich nur Stunden später zeigte.
Göring-Eckardt war offenkundig von den Zauderern und Bedenkenträgern zurückgepfiffen worden, sprach von einem Missverständnis. Da hatten die Verzagten aus dem Reichstag plötzlich Angst vor der eigenen Courage bekommen. So trauten sich die Koalitionäre am Ende doch nicht, endlich Klartext zu reden, und die einzig wirksame, wenn auch höchst unpopuläre Entscheidung zu treffen – für eine Impfpflicht. Die träfe all jene, die sich aus gesundheitlichen Gründen impfen lassen könnten, es aber dennoch nicht tun.
Stattdessen wird weiter herumgeeiert mit Pflästerchen hier und Tupfer da. Nichts anderes als ein Herumdoktern an den Symptomen sind die jetzt angepeilten neuen 2G-, 2G-plus, die Homeoffice- oder Testpflichten. Zum Kern des Problems dringt man so nicht vor. Und das sind die Ungeimpften.
Noch immer sind 14,4 Prozent der Menschen, die 60 Jahre oder älter sind, in Deutschland nicht geimpft. Bei den 18- bis 59-Jährigen sind es 25,9 Prozent. Genau diese Personengruppen sind es, die unsere Intensivstationen verstopfen, die unser Gesundheitssystem in den Kollaps treiben und die alle geimpften Menschen dazu zwingen, neue Beschränkungen ihrer Freiheit auf sich zu nehmen.
Nach der Pfeife halsstarriger Vernunft-Verweigerer tanzen
Ich halte das für unerträglich. Es ist nicht nachvollziehbar, dass es hier eine uneinsichtige, mit Argumenten nicht mehr zu erreichende Gruppe von Menschen gibt, die den Rest der Gesellschaft für ihre Ignoranz büßen lässt. Als Geimpfter bin ich es überdrüssig, nach der Pfeife von halsstarrigen Vernunft-Verweigerern zu tanzen.
Aber im Reichstag duckt man sich weg. Wie die Memmen zaudert und zögert man, endlich für bestimmte Berufsgruppen – etwa für die Beschäftigten im Gesundheitswesen, in den Pflegeeinrichtungen, in den Schulen und Kitas – eine Impfpflicht zu beschließen. Ich kann das nicht verstehen.
In Österreich dürfen Ungeimpfte seit Montag unter anderem nicht mehr in Restaurants oder zum Friseur. Solche Maßnahmen könnte man ja auch in Deutschland beschließen. Allerdings hielte ich das für den falschen Weg, denn: Das wäre Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die sagen: Eure Maßnahmen sind doch nur eine versteckte Impfpflicht.
Das kann man wirklich so sehen, deshalb ist mir der offene und ehrliche Weg lieber: Die Impfpflicht muss kommen und wer sich nicht daran hält, der muss zum einen mit harten Sanktionen rechnen und zum anderen wäre er vom öffentlichen Leben in unserer Gesellschaft ausgeschlossen. Wer jetzt argumentiert, das wäre eine Diskriminierung der Ungeimpften und das würde die Gesellschaft spalten, dem entgegne ich: Ungeimpfte wurden nicht von anderen ins Abseits gestellt, das haben sie ganz alleine selbst getan.
Und: Es käme nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft, sondern: Diese Spaltung gibt es längst. Sie würde dann nur für alle sichtbar. Und zu verantworten hätten das ausschließlich und ganz allein die Ungeimpften.
Gesellschaft handelt mit Impfpflicht in Notwehr
Mit einer Impfpflicht handelt eine Gesellschaft in einer Situation in Notwehr, in der alle anderen Mittel der Überzeugung, des Entgegenkommens, der Hilfsangebote versagt haben.
Im Übrigen kann jede und jeder Ungeimpfte sehr schnell den Weg zurück zur überwältigenden Mehrheit der Gesellschaft finden: Er oder sie muss sich nur impfen lassen.
Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
