Die Zahl der neuen öffentlich geförderten Mietwohnungen ist im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu 2021 fast um ein Viertel eingebrochen. Das geht aus der Bilanz zur Wohnraumförderung 2022 hervor, die Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) am Freitag in Düsseldorf vorlegte.
Demnach wurden im vergangenen Jahr Fördermittel für 3993 neu zu bauende Mietwohnungen bewilligt. Das sei ein Minus von 1246 Wohneinheiten beziehungsweise rund 24 Prozent, berichtete Scharrenbach. Der Deutsche Mieterbund (DMB) in NRW sieht damit „schlimmste Befürchtungen übertroffen“.
Auch im laufenden Jahr sei noch mit Zurückhaltung bei Investitionen in den Neubau zu rechnen, sagte Scharrenbach. Inflation, steigende Kreditzinsen, hohe Baukosten, Handwerkermangel, immer neue baupolitische Vorgabe des Bundes bei gleichzeitigem Förderstopp für energieeffiziente Gebäude hätten Spuren hinterlassen.
„Der Neubau wird schwierig“, sagte die Ministerin. Das lasse sich bereits an der Zahl der Baugenehmigungen ablesen, die im vergangenen November um 3,6 Prozent unter dem Vorjahreswert gelegen habe. Die Bauzinsen hätten sich von Jahresbeginn 2022 bis September vervierfacht. „Die Wohnungswirtschaft ist im Schraubstock.“ Hinzu komme, dass die Bevölkerung in NRW allein vom Jahresende 2021 bis zum Sommer 2022 durch Zuwanderung um rund 153.000 Personen gewachsen sei: „Da können Sie fast nicht gegen anbauen.“
Einkommensgrenzen für Wohneigentumsprogramm angehoben
Insgesamt sind laut Scharrenbach im vergangenen Jahr 1,1 Milliarden Euro für 7919 Wohnungen bewilligt worden. Damit habe sich der Anteil der öffentlich geförderten Wohnungen im Vergleich zu 2021 um acht Prozent erhöht.
Allerdings hatte es 2021 ein unterdurchschnittliches Ergebnis bei öffentlich geförderten Wohnungen in NRW gegeben: 7319 im Vergleich zu rund 8600 Wohneinheiten im Jahr zuvor. Die Ministerin hatte das auf ein „Katastrophen-Jahr“ mit Corona-Pandemie und Jahrhundert-Flut zurückgeführt.
Nach der coronabedingten Delle sei die Förderung von Wohneigentum „für Menschen mit kleinem Geldbeutel“ im vergangenen Jahr wieder deutlich auf 103 Millionen Euro für 594 Wohneinheiten gestiegen, sagte Scharrenbach. Das seien rund 150 Maßnahmen mehr als 2021. In jedem zweiten Fall sei Eigentum aus dem Bestand erworben worden.
Die NRW.Bank habe die Einkommensgrenzen für ihr Wohneigentumsprogramm angehoben, damit mehr Menschen Zugang hätten, erklärte der Vorstandsvorsitzende Eckhard Forst. Beispiel: Ein Ehepaar mit zwei Kindern könne jetzt bis zu 140.000 statt zuvor 105.000 Euro verdienen, um eine Förderung erhalten zu können. Mit Laufzeiten von 30 - in einigen Fällen bis zu 40 - Jahren könne die NRW.Bank hohe Sicherheit bieten.
Mit den insgesamt 7919 geförderten Wohnungen - darunter 1000 Modernisierungsmaßnahmen mehr als 2021 - seien in NRW pro Tag 22 mietpreisgebundene Einheiten neu in den Bestand gekommen, erläuterte Scharrenbach. Allerdings sinkt dieser seit Jahren.
Bezahlbarer Wohnraum geht verloren
In NRW gab es Ende 2021 noch rund 442.000 von bundesweit gut 1,1 Millionen preisgebundenen Mietwohnungen. Inzwischen sei die Abwärtskurve zumindest abgeflacht, bilanzierte Scharrenbach. Während der Bestand zwischen 2005 und 2015 in jedem Jahr um durchschnittlich rund 3,8 Prozent abgenommen habe, seien es 2021 nur minus 2,2 Prozent gewesen. In Bonn, Münster und Paderborn seien die Bestände sogar wieder leicht angewachsen. Erstmals habe ein neuer Förderbaustein 573 Verlängerungen von Mietpreisbindungen gebracht.
Der Mieterbund hielt dagegen: „Es werden seit Jahren deutlich weniger preisgebundene Wohnungen gebaut als Wohnungen aus der Sozialbindung herausfallen, so dass die Zahl der preisgebundenen stetig abnimmt.“ Damit gehe dringend benötigter bezahlbarer Wohnraum verloren, für den es keinen Ersatz gebe, kritisierte der Landesvorsitzende des DMB, Hans-Jochem Witzke in einer Mitteilung.
Die Landesregierung werde bis 2027 insgesamt neun Milliarden Euro in ein neues Wohnraum-Programm mit verbesserten Förderkonditionen investieren, sagte Scharrenbach. Allein für das laufende Jahr stünden 1,6 Milliarden Euro bereit. In der abgelaufenen Legislaturperiode seien 5,5 Milliarden öffentliche Förderung garantiert worden.
Der Verbandsdirektor von Haus & Grund Rheinland Westfalen, Erik Uwe Amaya, betonte: „Um die vorhandenen Mittel verbauen zu können, ist aber auch Bauland nötig. Hieran mangelt es oft.“ Scharrenbach appellierte an die Städte und Gemeinden, Flächen an den Markt zu bringen. Andernfalls sorgten sie für künstliche Verknappung und steigende Mieten.
Regional seien die Bauzyklen sehr unterschiedlich. So habe Düsseldorf etwa die Zahl der geförderten Wohneinheiten von 2020 auf 2021 auf 740 fast vervierfacht, sei dann aber im vergangenen Jahr wieder auf 240 Wohneinheiten zurückgefallen. Köln habe dagegen im vergangenen Jahr 307 Wohneinheiten mehr bewilligt bekommen als 2021. „Das sind in der Summe rund 1530 mietpreisgebundene Wohnungen, die Köln damit an den Markt bringen wird.“
Laut einem Gutachten für die Landesregierung werden in NRW im Zeitraum 2018 bis 2025 im Durchschnitt rund 51.200 Wohnungen jährlich gebraucht. Diese Planzahlen würden ebenso wie in den Vorjahren erreicht, sagte Scharrenbach. Zum Jahresende 2022 seien rund 70.000 Wohnungen noch im Bau gewesen. „Die kommen 2023 in die Märkte.“
dpa
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