WM-Ticket für Schützin Pfeilschifter
Sonja Pfeilschifter hat im Sportschießen fast alles gewonnen - nur keine Olympia-Medaille. Nach fünf vergeblichen Anläufen stand sie schon vor dem Karriereende. Doch plötzlich ist sie wieder angriffslustig. Und kann auch mit 43 Jahren noch um Titel kämpfen.

Die frühere Welt- und Europameisterin Sonja Pfeilschifter. Foto: Tobias Hase
An Sonja Pfeilschifter scheiden sich die Geister - einmal mehr. Die beste deutsche Sportschützin der vergangenen beiden Jahrzehnte hat in ihrer über 20-jährigen Laufbahn schon für reichlich Unfrieden gesorgt.
Auch beim Deutschen Schützen-Bund (DSB) rückte man von der routinierten Kaderathletin etwas ab, nachdem sie bei ihrer fünften Olympia-Teilnahme 2012 in London trotz Favoritenstellung erneut die Medaillen verpasste. Anschließend wurden mit einem neuen Leistungssportkonzept die älteren Sportler ausgebremst, damit die Kader aus dem «Top Team Future» ihre berechtigten Chancen nutzen können. Doch die Dauerbrennerin gab nicht auf und sicherte sich jetzt das WM-Ticket für die Titelkämpfe Anfang September in Granada.
Allerdings schaffte sie die Qualifikation nicht in ihrer Gewehr-Spezialdisziplin Dreistellungskampf. Und auf die Zustimmung des Verbandes musste sie auch noch hoffen, denn nach den neuen Richtlinien «führt kein Weg der Bundestrainer an ihr vorbei, wenn Sonja Pfeilschifter in der internen Qualifikation Platz eins schafft», betonte DSB-Sportdirektor Heiner Gabelmann zu Saisonbeginn. Denn Platz eins hatte sie nicht geschafft. Doch die Ausnahmeschützin zeigte bei den internen WM-Qualifikationen in Hannover als Zweite «ein gutes Leistungsniveau und wies einen großen Abstand zu den Nächstplatzierten auf», bestätigte Gabelmann die Nominierung.
Nun kann die 43-jährige Berufssoldatin darauf hoffen, es bei der WM allen zu zeigen. Denn in London wurde sie für das Luftgewehr nicht nominiert, weil der DSB den Anfangsdruck der ersten deutschen Medaille nicht auf Pfeilschifter ablegen wollte. Sie sollte sich auf ihre Lieblingsdisziplin konzentrieren - und scheiterte. Doch nach dem tiefen Tal «habe ich wieder richtig Spaß am Training und am Sport gefunden und greife wieder voll an», sagte das 1,56 Meter kleine bayerische Energiebündel.
Trotz aller Turbulenzen kann sich die «Weltschützin des Jahres 1998» immer wieder auf den Punkt konzentrieren. Immerhin bewies sie das über ein Jahrzehnt bei Welt- und Europameisterschaften. Nur mit Olympia wollte es nie klappen. Bei den Olympischen Spielen in Athen schimpfte sie, weil ihr Heimtrainer nicht mit dabei war, 2008 kam es zum Konflikt mit Gewehr-Bundestrainer Claus-Dieter Roth, 2012 in London trug sie permanent ihre Unzufriedenheit zur Schau, trotz sportlicher Qualifikation nur mit dem Sportgewehr nominiert worden zu sein.
Das Ergebnis war immer gleich: Siebenmal wurde sie Welt-, siebenmal Europameisterin, imponierende 34 Weltcupsiege sammelte sie in ihrer Laufbahn, dazu kamen unzählige weitere Medaillen. Doch im Zeichen der Ringe blieb sie erfolglos und kehrte von fünf Spielen jeweils ohne Medaille heim, obwohl zumeist als Mitfavoritin angereist. «Olympia moag mi net», glaubt sie. Mit ihrer langen Streit-Geschichte konfrontiert, nach den Ursachen dafür befragt, wird sie einen Moment ruhig und nachdenklich. «Ich bin sicher kein einfacher Mensch», gibt sie zu. Vor allem zeichne sie, schon seit der Kindheit, ein besonderer Ehrgeiz aus. «Ich musste mich immer durchboxen, meine Ellenbogen benutzen», sagte Pfeilschifter und betonte: «Ich bin dazu erzogen worden, dass ich meine Meinung sagen darf. Aber das vertragen einige Menschen offensichtlich nicht.»