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Wie stark gefährdet Russlands Ukraine-Krieg die Erdgaslieferungen für Deutschland?
Ukraine-Krise
Fast jede zweite Wohnung wird mit Erdgas geheizt. Russland liefert den Großteil dieses Gases. Und jetzt der Ukraine-Krieg Russlands. Drohen unsere Wohnungen bald kalt zu bleiben? Die Fakten.
Nach einer Studie des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft werden rund 48,2 Prozent aller Wohnungen in Deutschland mit Erdgas geheizt. Das sind rund 19,6 Millionen Wohnungen.
Erdgas hat einen Anteil von 29,6 Prozent am gesamten Energieverbrauch in Deutschland, wobei natürlich nicht Privatleute, sondern auch zahlreiche Industriebetriebe auf Erdgas angewiesen sind. Einen höheren Anteil am Energieverbrauch bei uns hat lediglich das Erdöl mit 33,7 Prozent. Erneuerbare Energien erreichen 16,6 Prozent. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2020.
Gas in Deutschland stammt vor allem aus drei Ländern
Ohne Erdgas säßen also sehr viele von uns im Kalten und könnten sich auch nur mit kaltem Wasser duschen. Dass der Ukraine-Krieg auch bei uns für große Ängste sorgt, ist die Tatsache, dass Russland Deutschlands wichtigster Erdgas-Lieferant ist. Rund 55 Prozent des Gases, das über Pipelines nach Deutschland fließt, stammt aus Russland, gefolgt von den Importen aus Norwegen (30 Prozent) und aus den Niederlanden (13 Prozent).
Gaslieferungen in Form von Flüssiggas sind auch aus Amerika per Schiff denkbar, allerdings keinesfalls in der Größenordnung des russischen Pipeline-Gases. Das in Deutschland selbst – fast ausschließlich in Niedersachsen – geförderte Gas deckt nur einen Anteil von rund 10,7 Prozent des deutschen Bedarfs.
Seit dem vergangenen Oktober sind die Gas-Lieferungen aus Russland rückläufig. Die Folge waren und sind massiv steigende Preise. Wenn Russland den Gashahn ganz zudreht, dürfte es sehr schnell zu Engpässen kommen. Das gilt, auch wenn Wirtschaftsminister Robert Habeck versichert, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet sei und jetzt Gas und Kohle aus anderen Ländern importieren wolle.
Es gibt zwar in Deutschland große Gasspeicher, in denen Gas für Krisenzeiten gehortet wird. Sie sichern den deutschen Energieverbrauch – je nach Jahreszeit mehr oder weniger – für rund 120 Tage sichern. Das Problem: Die Speicher sind derzeit nach Angaben des Internet-Portals AGSI, das die Füllstände der Gasspeicher in ganz Europa veröffentlicht, lediglich noch zu 30,4 Prozent gefüllt (Stand vom 17. Februar). Dass der Winter bislang sehr milde war, ist es zu verdanken, dass der Speicherstand nicht noch weiter abgerutscht ist.
„Versorgung kurzfristig gesichert“
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zitiert heute Timm Kehler, Geschäftsführer des Branchenverbandes Zukunft Gas, mit den Worten: „Wir können zumindest kurzfristig sagen: Für Deutschland ist die Gasversorgung gesichert.“ Privatkunden müssten sich derzeit keine Sorgen um ihre Heizung machen, da sie bei der Verteilung von Energie besonders rechtlich geschützt und privilegiert seien. Im Übrigen fließe ja auch Gas aus anderen Ländern nach Deutschland.
Die Sache mit Nord Stream 2
Das Erdgas aus Russland durchfließt auf seinem Weg nach Deutschland mehrere Länder, auch die Ukraine. Für die Ukraine stellt dieser Transitweg eine wichtige Einnahmequelle dar. Das war auch einer der Hauptgründe, weshalb sich die Ukraine seit langem gegen die inzwischen auf Eis gelegte Direkt-Pipeline durch die Ostsee von Russland nach Deutschland, genannt Nord Stream 2, ausgesprochen hat. Wenn jetzt durch den Krieg auch diese Pipelines austrocknen, dürfte sich der Gasmangel in Deutschland rasch verschärfen.
Vor einigen Jahren wollten Exxon Mobil und andere Energiekonzerne mit dem hoch umstrittenen, weil extrem risikobehafteten und umweltgefährdenden Fracking-Verfahren auch in Nordrhein-Westfalen die Förderung von Erdgas ankurbeln. Das scheiterte seinerzeit an einem großen Widerstand von Umweltverbänden und anderen Interessengruppen.
Übrigens: Der Hauptanteil des russischen Gases wird über den russischen Staatskonzern Gazprom abgewickelt, dem Hauptsponsor von Schalke 04 und mit Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder im Aufsichtsrat.
Der Artikel "Wie stark gefährdet Russlands Ukraine-Krieg die Erdgaslieferungen für Deutschland?" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
