Putins Ukraine-Krieg: Horrende Gaspreise und Flüchtlings-Welle wären der kleinste Preis
Meinung
Fassungslosigkeit, Entsetzen, Ohnmacht. Was kommt da auf uns zu? Die Kriegserklärung Putins an die Ukraine erinnert in fürchterlicher Weise an eine andere Kriegserklärung. Ein Kommentar.

Wladimir Putin hat der Ukraine den Krieg erklärt. Damit beschwört er die Gefahr eines Dritten Weltkriegs herauf und selbst im günstigsten Fall werden wir mit schweren Konsequenzen auch bei uns rechnen müssen, meint unser Kommentator. © Foto: dpa
Spätestens seit Donnerstag, 24. Februar 2022, 5.40 Uhr muss man sich fragen: Wiederholt sich Geschichte? Haben die Menschen aus der Vergangenheit wirklich nichts, aber auch gar nichts gelernt?
Als Wladimir Putin vor laufender Fernsehkamera der Ukraine den Krieg erklärt, wirkt das, als habe er sich den 1. September 1939 als Blaupause genommen. An jenem verhängnisvollen Tag hatte Adolf Hitler in den frühen Morgenstunden eine Radioansprache gehalten. Darin rechtfertigt er den Überfall auf Polen mit einem angeblichen polnischen Angriff auf den Sender Gleiwitz in Schlesien. Und dann fällt der Satz, der auch heute noch das Blut in den Adern gefrieren lässt: „Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen.“
„Aberwitzige Rechtfertigung für das, was nicht zu rechtfertigen ist“
Es ist der Beginn des Zweiten Weltkriegs, der weit mehr als 60 Millionen Menschen das Leben kosten und Europa in Schutt und Asche legen wird. 82 Jahre und fünfeinhalb Monate später tritt Wladimir Putin wieder noch vor dem Morgengrauen vors Mikrofon, faselt davon, dass das Kiewer Regime die Menschen im Osten der Ukraine misshandle und ermorde, deshalb müsse man jetzt „entschlossen und sofort handeln.“ Es ist eine aberwitzige Rechtfertigung für das, was mit nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen ist. Wie 1939.
Was machen unsere Politikerinnen und Politiker jetzt? Was soll man ihnen raten? Ich möchte im Moment nicht in ihrer Haut stecken. Rein gefühlsmäßig ist das, was Putin da treibt, ein so himmelschreiendes Unrecht, dass man am liebsten sofort diesen Kriegstreiber aus dem Kreml und vor das Internationale Strafgericht zerren würde. Ein militärisches Einschreiten des Westens würde die Lage allerdings völlig außer Kontrolle geraten lassen. Wir stünden vor dem Beginn eines Dritten Weltkriegs. Das kann niemand ernsthaft wollen, wobei selbst das Putin im Moment egal zu sein scheint.
„Wer glaubt schon, dass Putin nach der Ukraine aufhört?“
Was aber ist die Alternative? Wer glaubt denn schon, dass Polen, Litauen, Estland, Lettland noch sicher vor den Allmachtsfantasien des Wladimir Putin sind, wenn der sich nahezu ungestraft die Ukraine unter den Nagel reißen konnte. Wirtschaftssanktionen? Was der Westen bisher als harte Konsequenzen angekündigt hat, scheint Putin etwa so zu ärgern wie ein paar Schneeflocken auf seinem Mantel.
Er scheint seine Pläne zu verfolgen, koste es, was es wolle. Und der Preis ist schon jetzt gewaltig. Den zahlen die Menschen in der Ukraine ebenso wie die in Russland. Mag es auch einige Kriegstreiber diesseits und jenseits der Grenzen geben, die gewaltige Mehrheit will doch nur eines: ein friedvolles, auskömmliches Leben mit einer Zukunft für sich, die Kinder, Enkel, Nachbarn und Freunde. Das gilt für die Menschen bei uns, das gilt aber auch für die Menschen in Russland und der Ukraine. Und jetzt drohen ihnen Flucht, Vertreibung, unendliches Leid und der Tod.
„Mit Vernunft-Argumenten nicht mehr zu erreichen“
Inzwischen verfestigt sich der Eindruck, dass der irrlichternde Putin mit Vernunft-Argumenten überhaupt nicht mehr zu erreichen ist. Er hat sich seine eigene Welt zurechtfantasiert, handelt völlig irrational, unberechenbar und ohne Rücksicht auf die Folgen, wie schlimm die für sein eigenes Volk, aber ebenso für alle anderen auch sein mögen.
An diesem fürchterlichen 24. Februar 2022 sollten wir uns keinerlei Illusion hingeben. Auch wir werden einen hohen Preis für diesen Krieg mitten im Herzen Europas zahlen. Wenn wir Glück haben, kommen wir mit extrem höheren Energiepreisen, mit wirtschaftlichen Einbrüchen und der Aufgabe, hunderttausenden Flüchtlinge Schutz und Zuflucht geben zu müssen, davon. Die Alternative mag ich mir nicht ausmalen. Sie wäre schlimmer als der schrecklichste Alptraum, den man sich vorstellen kann.