Ein langjähriger Bezirkspolizist (60) aus Oer-Erkenschwick ist am Schöffengericht in Recklinghausen wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Empfänger der Informationen war ein Werkstatt-Chef aus Oer-Erkenschwick – der 42-Jährige kam um eine weitere Verurteilung herum.
Nach Angaben des seit Monaten suspendierten Polizeihauptkommissars hatte er den Werkstatt-Chef über private Pkw-Reparaturaufträge kennen und schätzen gelernt. Während sein Wagen in der Oer-Erkenschwicker Werkstatt flott gemacht worden sei, habe er damals in der Stimbergstadt seinen Dienst verrichtet, so der angeklagte Polizist. „Das ließ sich super kombinieren.“
Durch immer tiefere Gespräche sei dann „eine bis heute freundschaftliche Beziehung“ entstanden. Dazu passt: In dem später vor Gericht zum Teil verlesenen Handy-Chat nannte der Beamte den Werkstatt-Chef ab und zu sogar „Bruder“.
Im Polizei-System Recherchen betrieben
Der angeklagte Polizist gab zu, mehrfach auf Bitten oder Nachfragen des Werkstatt-Chefs im internen Polizei-System gewisse Recherchen betrieben zu haben. Laut Urteil ging es mal um eine Personen-, mal um eine Aufenthaltsabfrage, mal um Informationen zu einem amtlichen Pkw-Kennzeichen, weil der Werkstatt-Chef zuvor vermutet hatte, dass er vom Halter dieses Fahrzeugs möglicherweise überwacht wird.
Ständig stehe „dieser Penner“ verdächtig nahe mit seinem Pkw an der Werkstatt herum, hieß es im vor Gericht verlesenen WhatsApp-Chat.

Bei zwei Chat-Anfragen des Werkstatt-Chefs, der Cousin eines Berliner Clanchefs ist, nach Systemabfragen hatte der Polizist vorab nachgehakt: „Bruder, hat das was mit Clans zu tun? Sobald ich das überprüfe, wird das registriert. Ich muss gucken, dass ich da ‚safe‘ (Anm. der Redaktion: sicher) bleibe.“
„Ich habe gewusst, dass das nicht in Ordnung ist, aber bei mir standen freundschaftliche Gefühle im Vordergrund“, sagte der Beamte. Speziell beim Thema Clankriminalität habe er befürchtet, dass seine heimlichen Abfragen auffliegen.
Tatsächlich aufgeflogen waren die von dem Polizisten verratenen Geheimnisse allerdings nicht auf diesem Weg, sondern durch eine Auswertung des Handys des Werkstatt-Chefs. Erst danach war der Polizist ins Visier der Ermittlungen geraten.
Ein Dortmunder Polizeibeamter, der aus Neutralitätsgründen die Ermittlungen gegen den Oer-Erkenschwicker Kollegen geleitet hatte, erinnerte sich am Dienstag (17.12.) neben den Geheimnis-Chats aber auch an weitere brisante Chat-Passagen auf dem Handy des Bezirkspolizisten. „Es war regelrecht erschütternd, was er da von sich gegeben hat. Die Polizei wurde von ihm verachtet.“ Angeblich soll auf dem Smartphone des jetzt verurteilten Polizisten auch das Porträt einer Nazi-Größe sichergestellt worden sein.
Widerruf von Bewährungsstrafe beantragt
Mit Blick auf die im September ausgesprochene Verurteilung im Schwarzarbeit-Prozess am Bochumer Landgericht (drei Jahre Haft) erklärte sich die Staatsanwaltschaft bereit, das Verfahren gegen den Werkstatt-Chef wegen Anstiftung zum Geheimnisverrat vorläufig einzustellen. Der 42-Jährige hatte vor Gericht seine Verstrickung eingeräumt, aber auch beteuert: „Da steckte nie böse Absicht dahinter“.
Endgültig vom Tisch ist die Angelegenheit für den Oer-Erkenschwicker damit noch nicht. Denn: Eine Wiederaufnahme des eingestellten Verfahrens ist jederzeit möglich. Mitentscheidend dürfte dabei sein, wie der Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren über das Schwarzarbeits-Urteil entscheidet. Würde das Drei-Jahre-Urteil bestätigt, bliebe das Anstiftungs-Verfahren wohl eingestellt.
Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft bereits beantragt, eine zweijährige Bewährungshaftstrafe für den Werkstatt-Chef nach der gefilmten Schießerei vor seiner Werkstatt im Jahr 2017 zu widerrufen.
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