Brief an Diether Krebs
Sie waren ein Kämpfer, ein Arbeitsmensch, ein Perfektionist, ein Komiker, der es in den Sketchen knallen ließ – Hermann Beckfeld schreibt in dieser Woche an den Schauspieler und Kabarettisten Diether Krebs.

Der Schauspieler und Kabarettist Diether Krebs. © picture-alliance / dpa
Lieber Diether Krebs,
kaum zu glauben: Sie sind schon mehr als 18 Jahre tot, aber Sie bringen uns immer noch zum Lachen; in unzähligen Wiederholungen, zu guten und schlechten Sendezeiten. Am liebsten sehe ich Sie als den schnoddrigen Schwiegersohn von Alfred Tetzlaff; wenn Sie, der Sozi, unser kleines Ekelpaket zur Weißglut bringen. Was haben wir uns auf jede Folge gefreut, ja, bis Sie ausgestiegen sind, weil Sie argwöhnten, der WDR entschärfe die Satire-Serie auf Drängen der SPD.
Sie haben sich nie etwas gefallen lassen, ließen sich von vielen Regisseuren nichts sagen, hassten Dilettanten, schonten niemanden und sich selbst schon gar nicht. Morgens quälte die Chemo, abends standen Sie vor der Kamera und auf der Bühne – bis drei Tage vor dem Tod, der daheim kaum ein Thema war. Einmal, als die Tagesschau lief, fragten Sie Ihre Familie, „ob die das melden werden, wenn ich sterbe?“ Am Abend des 4. Januar 2000 schalteten Ihre Söhne die Tagesschau ein: „Und sie meldeten, dass Papa tot ist.“ Sie wurden nur 52 Jahre alt.
Sie waren ein Kämpfer, ein Arbeitsmensch, ein Perfektionist, ein Komiker, der es in den Sketchen knallen ließ – einer der besten dauerte gerade mal elf Sekunden. Ein älteres Ehepaar sitzt im Wohnzimmer. Die Frau sagt: „Als ich aus dem Fenster sah, graute der Morgen.“ Sie blicken kurz von Ihrer Zeitung auf, korrigieren: „Dem Morgen.“
Kaum ein anderer schlüpfte so uneitel in seine vielen Rollen. Sie spielten die Tunte mit Wampe und Strapsen, das schwer zu vermittelnde Mamasöhnchen mit XXL-Zähnen und daumendicken Brillengläsern, den Prolo mit durchgeschwitztem Unterhemd und Liebestöter, den spießigen Ehemann mit scharfem Seitenscheitel und Adolf-Oberlippenbärtchen, allesamt grotesk überzeichnete Typen vom Loser bis zum Maulhelden.
Als Martin, my love nuschelten Sie sich auf Platz eins der Hitparade, ein Öko-Freak im Rentierpullover und mit zotteligen Haaren. Diese Martins, aber auch viele andere kannten wir, weil sie in der Nachbarschaft wohnten.
Ein Herz und eine Seele, Rudis Tagesshow, Sketchup: Woche für Woche kalauerten Sie sich mit Beatrice Richter, später mit Iris Berben durch die TV-Programme. Es war knochenharte Arbeit eines Komödianten, der die Menschen beobachtete – mit Vorliebe an der Theke, was Ihrer Gesundheit als Kettenraucher nicht guttat. „Anderthalb Flaschen Sambuca, 32 Espressi und an guten Tagen noch drei Flaschen Wodka“, gaben Sie im Interview zu. „Er war ein Alleswoller, ein Genussmensch, ein Lebemann“, sagte Ihr Sohn Moritz. Aber Sie liebten auch Ihre Familie, kümmerten sich um die Söhne. „Mir ist wichtiger, dass meine Kinder keine Arschlöcher werden, als dass sie wissen, wie groß die Fläche unter einer Parabel ist.“
Was vielfach vergessen wird: Sie spielten unzählige ernste Rollen, ermittelten zwölf Jahre lang in der Serie Soko 5113 als stets mürrischer Kriminalobermeister Dieter Herle, waren häufig im Tatort und Polizeiruf 110 zu sehen.
Lieber Diether Krebs,
Ihr Sohn Moritz hat einmal erzählt, dass er ein heimeliges Gefühl im Bauch hat, wenn er nachts den Fernseher anmacht, und da flimmern Sie über den Schirm. „Das ist wie nach Hause kommen. Die Stimme hören. Auch wenn es eine Verkleidung ist. Ich sehe den Menschen dahinter.“
Mit besten Grüßen
Hermann Beckfeld