Warum mit dem Aus der Priorisierung nicht das Warten auf einen Impftermin endet
Ab dem 7. Juni können sich alle Bürger für eine Corona-Impfung anmelden. Allerdings werden manche von ihnen wochenlang auf einen Impftermin warten müssen.

Eine Mitarbeiterin im Gesundheitswesen zieht in einem Impfzentrum eine Spritze mit dem Covid-19 Impfstoff Comirnaty des Herstellers BionTech Pfizer auf. © picture alliance/dpa
Am Montag, 7. Juni, ist es soweit: Die Priorisierung bei den Corona-Impfungen endet. Das bedeutet, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger um einen Impftermin bemühen können – unabhängig von ihrem Alter, ihrer Berufsgruppe und ihren Vorerkrankungen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stellte jedoch klar: „Die Impfkampagne wird wie angekündigt bis zum Ende des Sommers fortgesetzt werden müssen.“ Es sei nicht möglich, alle Impfwilligen innerhalb weniger Tage nach Aufhebung der Priorisierung zu impfen.
Tatsächlich wollen sich knapp drei Viertel der Deutschen gegen Covid-19 impfen lassen, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab. Die hohe Impfbereitschaft ist für die Bekämpfung des Coronavirus förderlich, führt aber bei Hausärztinnen und Hausärzten zu der Sorge, dass es mit dem Ende der Priorisierung zu einem gewaltigen Patientenansturm kommen könnte. Bewältigen lässt sich dieser Andrang wohl zunächst nicht. Es mangelt an Impfstoff.
Impfstoffe müssen für Zweitimpfungen zurückgehalten werden
Für die Woche, in der die Priorisierung endet, werden rund 5,14 Millionen Dosen des Corona-Impfstoffes von Biontech/Pfizer in Deutschland erwartet. Das klingt erst einmal viel, aber es gibt einen entscheidenden Haken: Etwa 77 Prozent der Dosen entfallen auf Zweitimpfungen. Das heißt, auf Menschen, die vor sechs Wochen die erste Dosis des Vakzins erhalten haben. Sie werden in Impfzentren und Hausarztpraxen priorisiert geimpft, um zu gewährleisten, dass die Wirkung des Impfstoffes verstärkt wird. Somit bleiben für die Erstimpfungen ungefähr 23 Prozent der Dosen, also rund 1,19 Millionen, übrig.
Bei dem Corona-Impfstoff von Moderna sind wiederum etwa 61 Prozent der insgesamt 550.800 erwarteten Dosen für Zweitimpfungen vorgesehen. Für Astrazeneca prognostiziert das Bundesgesundheitsministerium Liefermengen in Höhe von 458.400 Dosen, aber nur für die Impfzentren. Mit wie vielen Dosen in den Hausarztpraxen für die Woche ab dem 7. Juni zu rechnen ist, ist bislang unbekannt. Bliebe es bei dieser Menge, würden auf Zweitimpfungen rund 54 Prozent der Dosen entfallen.
Rückstau bei den Impfstoffdosen muss einkalkuliert werden
Für die mRNA-Impfstoffe ergibt sich am Ende folgendes Bild: Vom 7. bis 27. Juni stehen in Deutschland rund 4,38 Millionen Dosen des Corona-Impfstoffes von Biontech/Pfizer sowie ungefähr 437.000 Dosen von Moderna für Erstimpfungen zur Verfügung. Bei dieser Rechnung unberücksichtigt, sind unter 60-Jährige, die vor zwölf Wochen eine erste Impfung mit dem Vakzin von Astrazeneca erhalten haben, und nach der Empfehlung der Ständigen Impfkommission nun für die zweite Impfung einen mRNA-Impfstoff nutzen sollten. Dann könnten noch weniger Impfdosen für Erstimpfungen bereitstehen.
Zudem muss mit einkalkuliert werden, dass es immer noch einen Rückstau bei den Impfstoffdosen gibt. Alleine am Dienstag blieben bundesweit mehr als 4,99 Millionen Dosen ungenutzt – auch weil sie für Zweitimpfungen zurückgehalten werden. Wie sich dieser Rückstau weiter entwickelt und wie er sich auf das Tempo der Impfkampagne auswirkt, lässt sich zurzeit nicht vorhersagen.
In Hausarztpraxen und Impfzentren mangelt es an Impfstoffen
Ulrich Weigelt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, bat schon jetzt alle Impfwilligen um Nachsicht und Geduld. Im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland forderte er von der Politik: „Wer bei den Menschen Hoffnungen weckt und mit vollmundigen Stichtags-Ankündigungen die Illusion nährt, ab dem 7. Juni könne jede und jeder im Land plötzlich von einem Tag auf den anderen geimpft werden, der muss vor allem auch liefern – und zwar Impfstoff in nennenswertem Umfang.“
Die Impfstoffknappheit macht sich auch in den Impfzentren bemerkbar. In Niedersachsens Landeshauptstadt Hannover würden Stadt und Region beispielsweise nur „sehr begrenzt“ Termine für Erstimpfungen vergeben, berichtete die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Die Impfstoffe würden stattdessen für die erforderlichen Zweitimpfungen zurückgehalten. „Nach wie vor ist die Impfstoffmenge der limitierende Faktor“, sagte Hannovers Finanz- und Ordnungsdezernent, Axel von der Ohe, gegenüber der Zeitung. Deshalb soll in den Impfzentren weiterhin an der Priorisierung festgehalten werden.
Der bundesweite Impfstoffmangel dürfte sich noch weiter zuspitzen, sobald die Altersgrenze für den Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer herabgesenkt wird, sodass auch Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren damit geimpft werden können. Eine derartige Zulassung von der Europäischen Arzneimittel-Agentur wird im Juni erwartet.
Der Artikel "Warum mit dem Aus der Priorisierung nicht das Warten auf einen Impftermin endet" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.