Es war bis zur Pause ein völlig normales Kreisliga-Fußballspiel. Der PSV Bork führte mit 1:0 beim abstiegsbedrohten TSC Kamen, als Schiedsrichter Alparslan Remzi Kilinc zur Halbzeit pfiff. Wenige Momente später brach Kilinc die Partie ab. Offenbar gab es in den nächsten 30 Minuten zwei Unruheherde.
Der erste Konfliktbereich war vor der Verkaufsbude des TSC Kamen im Eingangsbereich des Sportplatzes, der zur Gutenbergstraße hin liegt. „Der Schiedsrichter kam, um sich ein Getränk zu holen“, schilderte Namuk Kanar, Vorsitzender des TSC Kamen, am Sonntagabend. Kilinc habe mit einem TSC-Zuschauer gesprochen. Dieser soll während des Spiels immer wieder lautstark an der Bande rumgeschrien haben. „Es ist ein Wortgefecht passiert, nichts Handgreifliches“, betonte Kanar.
Doch Kilinc empfand die Vorkommnisse gravierend genug, um nach der Pause nicht wieder anzupfeifen. Kanar bezeichnete den Spielabbruch daher als vollkommen verfrüht. „Er hat uns nicht einmal gesagt, dass wir den Zuschauer runterholen sollen“, sagte Kanar und erneuerte seine Kritik am Montag: „Es ist nichts passiert, außer die Scheiße, die Bork fabriziert hat.“
Den Spielabbruch ließ er dabei außer Acht, gab dem Schiedsrichter dafür die Schuld und sah kein Fehlverhalten in der TSC-Anhängerschaft. Inzwischen liegt der Sonderbericht des Schiedsrichters schon beim Sportgericht. Über den Inhalt machte Christian Ritter, Vorsitzender des Kreisfußballausschusses, aber keine Angaben. Ritter erklärte, dass der Schiedsrichter von einem Zuschauer beleidigt und bedroht worden sei.

Den Spielabbruch nahm die Mannschaft des PSV Bork durch einen Pfiff wahr. Sanmi Ojo, Spielertrainer der Borker, beschrieb Tumulte um den Schiedsrichter. Die PSV-Fraktion mischte sich ein und sah sich in der Pflicht, den Schiedsrichter zur Kabine zu begleiten. Hier gehen Aussagen zwischen Verantwortlichen des TSC und des PSV auseinander. Laut Kanars Darstellung hätten Ordner für Ruhe gesorgt. Ojo erklärte stattdessen: „Die Ordner haben tatkräftig dabei geholfen, den Schiri in die Mangel zu nehmen.“
Brennpunkt vor dem Vereinsheim
Das Geschehen verlagerte sich von der Sportanlage zum nachgelagerten, zweiten Brennpunkt vor das Vereinsheim im Wendehammer der Gutenbergstraße. Zunächst hatte Ojo ausgesagt, dass die Vorkommnisse nicht schlimm gewesen seien. Am Sonntagabend befand sich Ojo dann auf einer Fürsorge-Telefonrunde. „Ich bin dabei, die jüngeren Spieler durchzutelefonieren, ob alles okay ist. Die kennen das nicht“, sagte Ojo.
Denn offenbar trugen sich vor dem Vereinsheim doch mehr als nur ausgetauschte Meinungsverschiedenheiten zu. Zunächst forderte Kanar offenbar von den Borkern, den Schiedsrichter nicht zur Kabine zu begleiten. „Für den Schiedsrichter sorgt der Hausherr“, stellte Kanar im Gespräch am Sonntagabend mit der Redaktion klar.
Eklat beim TSC Kamen
Die Borker um Sanmi Ojo erklärten stattdessen, Kanar habe seinerseits dem Schiedsrichter in die Kabinen folgen wollen, um den Spielabbruch zu klären, was die Borker verhindern wollten. „Ich habe ihm gesagt, dass er den Schiedsrichter doch in Ruhe lassen sollte“, meinte Ojo. Beide Parteien reklamieren die Rolle des Schutzpatrons für sich.

Wer wen vor wem schützen wollte, darüber gibt es keine sich deckenden Aussagen. „Der Schiedsrichter brauchte keinen Schutz. Falls wir es nicht können, können andere gerne helfen, aber das war nicht nötig“, sagte Kanar. Weil sie seinen Anweisungen nicht folgten, habe der Vorsitzende des TSC jedoch Hausverbote an Borker Spieler verhängen wollen. Ojo habe zunehmend gespürt, nicht mehr länger an der Anlage der Kamener erwünscht zu sein. Es entstand ein Konflikt, nachdem der eigentliche Spielabbruch schon einige Momente zurücklag. Kanar sprach von einem abgekarteten Spiel der Borker: „Die wollten, dass irgendwas vorkommt.“
Aufgeheizte Stimmung und Beleidigungen
„Die Situation war schon brisant und die Stimmung schon relativ aufgeheizt“, sagte Ojo zur sich zuspitzenden Situation. Kamener und Borker sprechen in der Folge von wüsten Beleidigungen. Es soll eine Kopf-an-Kopf-Situation und Handgreiflichkeiten gegeben haben. So soll ein Kamener versucht haben, einen Borker Verantwortlichen zu würgen und in den Nacken zu beißen. Der schärfste Satz, den die Borker zu hören bekommen hätten: „Du wirst den Sportplatz nicht lebend verlassen!“ Daraufhin hätten die Borker die Polizei gerufen. Den Vorwurf einer Beiß-Attacke weist Kanar entschieden zurück. „Warum soll denn einer beißen? Wo gibt es denn sowas?“
Namuk Kanar habe der eintreffenden Polizei mitgeteilt, mehrfach beleidigt worden zu sein. Eine angebliche Anzeige ließ er hinterher fallen, da man auch von Borker Seite auf Anzeigen verzichten würde. „Es ist ja niemand verletzt worden“, sagte Ojo, der die Ereignisse damit abhakte. 30 Minuten nach der Verständigung war der Polizeieinsatz laut Protokoll schon wieder vorbei, den Kanar ironisch als „gut für den Steuerzahler“ bezeichnete. Was Ojo immer wieder betont: „Auf dem Platz war es super fair.“ Aggressionen seien nicht von der TSC-Mannschaft ausgegangen. Dass das Fußballspiel ein Nachspiel hat, ist gewiss. Der Fall liegt beim Sportgericht. Kanar drohte am Montag auch mit strafrechtlichen Anzeigen.
Spielabbruch und Polizeieinsatz beim TSC Kamen: Gastspiel des PSV Bork endet vorzeitig
Spielabbruch beim Stand von 0:16: Versuchte Attacke gegen Castrop-Rauxeler Schiedsrichter
Dortmunder Funktionär sucht Schiedsrichter am Arbeitsplatz auf: Er soll ihn bedroht haben