Volontärin wechselt vom Schreibtisch an die Stange
Tag des Balletts
Der „Tag des Balletts“ wird am 7. Februar gefeiert. Unsere Volontärin Frederike Schneider hat mit dem Dortmunder Ballett trainiert und dabei erfahren, wie anstrengend die Proben sind.

Loïs Martens (v.l.), Frederike Schneider und Nikita Zdravkovic sind während der Probe sehr fokussiert. Foto: Menne
Die Balletttänzerin macht einen Spagat und drückt dabei ihren Oberkörper auf den Boden. Ganz schön anstrengend, denke ich und beobachte sie genauer. Da tippt sie doch tatsächlich, um das noch zu toppen, ganz lässig auf ihrem Handy herum. Wahnsinn!
„Die Volontärin macht alles mit“
„Frederike Schneider ist Volontärin, die macht alles mit“, hat die Kulturredakteurin zu Alexander Kalouti, dem Pressesprecher des Balletts, gesagt. Der Termin war gerade ausgemacht, da bot mir prompt eine andere Kollegin an, für mich einzuspringen, falls ich unerwartet krank werden sollte – so beliebt war der Termin.
Zweieinhalb Wochen vor der „Alice“-Premiere von Starchoreograf Mauro Bigonzetti treffe ich die Tänzer im Opernhaus zum Training. Dafür, dass ich schicke Ballerinen und Tänzer erwarte, sind die Leute, die schon eine halbe Stunde vor Probenbeginn über den Flur laufen, ziemlich leger gekleidet.
Manche tragen Schuhe, die aussehen wie Plastik, und Hosen, die an Pampers erinnern. „Das hält sie warm“, erklärt Alexander Kalouti.
Als Laie geoutet
Nicolas Robillard, der französische Gastballettmeister, erwartet mich in einem weiß gestrichenen Probenraum mit vielen Spiegeln. Pünktlich um 10 Uhr beginnt das Training. Robillard stellt mich auf Englisch vor, ich oute mich als Tanz-Laie, und sofort geht‘s an die Stange.
Rechts und links von mir wechseln die Profis – zack! – in ihren Tanz-Modus. Eine unsichtbare Schnur zieht die Rücken gerade. Der Ausdruck auf rund 30 Gesichtern wird ernst. Robillard gibt erste Anweisungen, der Ballettpianist beginnt zu spielen, und alle bewegen sich grazil und synchron an der Stange. Nur ich nicht. Ich versuche, alles nachzumachen, was ich mir von meinem Nachbarn Nikita Zdravkovic, einem 21-jährigen Tänzer, abgucken kann. Eine ziemliche Herausforderung.
Die Beine machen nicht alles mit
Nikita beugt für eine Übung seinen Oberkörper im Stehen über seine Beine und umarmt sich quasi selbst. Ich probiere es auch, komme aber nicht so weit nach unten. Meine Beine streiken und schmerzen. „Entspann dich einfach“, rät mir Nikita, der durch seine Beine zu mir hochschaut und dabei noch lächeln kann. Entspannen kann ich natürlich nicht. Lachen aber schon.
„Eins, zwei, drei, schließt eure fünfte Position“, ruft Nicolas Robillard im Takt in die Runde und alle wirbeln gekonnt umher. Bis ich verstanden habe, was Robillard meint, sind wir schon gefühlt zehn Schritte weiter. Also überspringe ich die Schritte, die ich verpasst habe und versuche, wieder einzusteigen. Mein „Bloß-nicht-auffallen“-Motto kann ich vergessen. Buchstäblich tanze ich aus der Reihe. Aber niemand nimmt es mir übel. Die Tänzer lachen – wenn es der strenge Ballettmeister gerade nicht mitbekommt.
Schweißperlen tropfen
Minütlich wird das graue T-Shirt von Nikita dunkler und dunkler. Schweiß tropft von seiner Nase. Das schnelle Tempo und die ungewohnten Bewegungen bringen auch mich zum Schwitzen. Immerhin hast du bis jetzt noch keinen Krampf bekommen, schießt es mir durch den Kopf.
Nach den Übungen an der Stange schreiten die Tänzer durch den großen, warmen Raum. Abwechselnd tanzen die 18- bis 35-jährigen Profis in zwei Gruppen in der Mitte des Proberaums. Ganz natürlich tauschen sie die Plätze, ohne sich groß absprechen zu müssen. Wer am Rand steht, schaut zu, wiederholt die letzten Schritte für sich oder redet kurz mit einem Kollegen. Lange plaudern die Tänzer aber nicht. Alle scheinen zu konzentriert, um sich ablenken zu lassen.
Zuschauen bei den wilden Sachen
Auch ich versuche, möglichst grazil mitzumachen, bis mich ein Tänzer freundlich auf Englisch darauf aufmerksam macht, dass es jetzt ein wenig wilder wird. Ab da halte ich mich zurück. Denn bei den Tanzschritten, die jetzt folgen, würde ich definitiv auf dem Hintern landen!
„Im Moment gibt es bei uns keinen deutschen Tänzer“, erzählt mir Francesco Nigro am Rand. Viele Tänzer kommen aus Italien, Frankreich und Japan.
Keine Aufregung zu spüren
Der 25-Jährige lebt und arbeitet seit fünf Jahren in Dortmund. „Mir gefällt Dortmund sehr gut“, sagt der Tänzer. Auch außerhalb des Balletts treffen sich die jungen Tänzer, berichtet Francesco.
Ob sie auch mal Alkohol trinken und Zigaretten rauchen, möchte ich wissen. Nach kurzer Überlegung und einem Grinsen antwortet er diplomatisch: „Das Bier nach einer Aufführung schmeckt und ist gut für die Muskeln.“ In seiner Heimat, dem Süden Italiens, war er seit zwei Jahren nicht mehr. Traurig scheint Francesco deswegen nicht zu sein. Ostern ist er bei seiner Familie und lässt sich bekochen.
Später schaut sich Xin Peng Wang, der Ballettdirektor, die Probe an. Er sitzt auf einem Stuhl neben dem Pianisten, beobachtet die Tänzer genau. Aufgeregt sei Francesco nicht mehr, wenn Wang dabei ist. „Das war ich aber am Anfang“, sagt er und springt wieder in die Mitte des Raumes, dreht sich mit den anderen. Keine Zeit. Denn Wangs wachsame Augen sind überall.
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