Verloren auf der Buckelpiste

Kolumne

In ihrer Kolumne berichtet Annika Makowka dieses Mal, wie sie sich als damalige Fahranfängerin komplett verfahren hat – und warum belgische Bauarbeiter Goldschätze sind.

06.09.2022, 07:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es ist Mai 2010, ich habe gerade vor einigen Monaten meine Fahrprüfung erfolgreich abgelegt und plane meine erste längere Fahrt, ohne dass meine Eltern auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Ins Disneyland soll es gehen und auf der Hinfahrt klappt auch noch alles wunderbar.

Doch dann kommt die Rückfahrt, die ich bis heute als nervenaufreibendste Autofahrt bezeichnen würde, die ich je erlebt habe. Meine gute Freundin und ich laufen um 19 Uhr zum Parkplatz von besagtem Freizeitpark, um uns auf den Rückweg nach Deutschland zu machen.

Laut Navigationsgerät brauchen wir ca. 6 Stunden nach Hause. So weit, so gut. Den HInweis, dass die Karten des Navis veraltet sind und ein Update brauchen, haben wir natürlich gekonnt ignoriert. Braucht doch kein Mensch sowas! Außerdem ist der Tank zum Abfahrtszeitpunkt noch halb voll, also kommen wir damit ja locker bis nach Belgien.

Vollsperrung in Belgien

Als wir schon fast die Hälfte der Strecke geschafft haben, bemerken wir das erste Baustellenschild. Vollsperrung der Autobahn in 20 Kilometern. Okay, da wird es dann bestimmt eine Umleitung geben und ehe wir uns versehen, sind wir wieder auf der richtigen Strecke.

Sie ahnen es vielleicht schon. Die Baustelle und damit auch die Vollsperrung kommt – und damit fängt das Debakel an. Es ist zumindest noch ein Umleitungsschild aufgestellt worden. Aber tatsächlich nur ein einziges. Wir fahren also von der Autobahn runter und begeben uns auf die Suche nach weiteren Schilder, die uns die Richtung weisen. Fehlanzeige.

Kein Hinweis auf unseren Nach-Hause-Weg

Wir haben die Wahl zwischen den Pfeilen nach links, in denen drei unbekannte Ortsschaften vermerkt sind oder den Pfeilen nach rechts, die auf zwei andere Orte verweisen. Wir entscheiden uns für links und fahren ein paar Kilometer, ohne dass ein Hinweis auf die Autobahn auftaucht. Das Navi berechnet die Route neu und führt uns endlich zu dem erlösenden Schild. Wir fahren wieder auf die Autobahn auf... und kommen kurz vor der gesperrten Stelle raus, an der wir vor 20 Minuten schon einmal waren.

Also gleiches Spiel nochmal. Rechts oder links? Dieses Mal entscheiden wir uns für den Schilderwald auf der rechten Seite. Das Navi rechnet um. Und schon wieder landen wir an der verteufelten Stelle auf der Autobahn.

Wir hören nicht mehr auf dieses blöde Navigationsgerät!

Wir nehmen die Ausfahrt, folgen den nach links gerichteten Schildern. Ignorieren das Navi – denn das würde uns ja bekanntermaßen wieder unserem Schicksal überlassen – und fahren erstmal in eine der Mini-Ortsschaften. Doch irgendwo sind wir falsch abgebogen. Wir befinden uns auf einer sehr schlecht beleuchteten Buckelpiste, ohne Schilder, ohne Häuser, ohne Dörfer.

Meine Tankanzeige bewegt sich durch die wiederholten Irrfahrten bedrohlich Richtung "leer". Der Handyempfang hier ist gleich null. Es ist mittlerweile mitten in der Nacht. Und wir sind irgendwo im Nirgendwo.

Wir finden eine breitere "Straßen"-Ecke (wenn man dieses löchrige Grauen so bezeichnen kann) und drehen um.

Die nettesten Bauarbeiter Belgiens

Nach einer gefühlten Ewigkeit nähern wir uns einem kleinen Dorf. Und auch hier sind die fleißigen Bauarbeiter noch zu später Stunde aktiv. Wir sprechen zwei behelmte Herren auf Englisch an, doch sie schütteln nur den Kopf und fragen, ob wir Französisch sprechen.

Ich krame die letzten Reste meiner Schul-Französisch-Kenntnisse hervor und mache den beiden Herrschaften mit Händen und Füßen begreiflich, dass wir uns verirrt haben. Einer von beiden springt kurz ins Fahrerhäuschen seines Baggers und kramt eine zerfledderte Landkarte hervor. Er erklärt mir sehr langsam, welche Straße wir nehmen müssen und wie wir an der Vollsperrung vorbei kommen.

Und siehe da, keine halbe Stunde später sind wir tatsächlich auf der richtigen Strecke. Meine Tankleuchte geht an, wir fluchen, weil wir eigentlich dachten, wir hätten das Schlimmste überstanden. Jetzt bloß nicht auch noch liegen bleiben, weil uns der Sprit ausgeht.

Doch wie es der glückliche Zufall manchmal so will, entdecken wir ein Schild, auf dem es heißt, dass in 3 Kilometern die nächste Tankstelle kommt. Wir tanken voll, stöpseln das Navi wieder ein – und kommen um 3 Uhr morgens zuhause an.

Wie gut, dass die belgischen Bauarbeiter so viel in Nachtschichten arbeiten – sonst wären wir wahrscheinlich auch heute noch irgendwo verloren auf einer Buckelpiste.

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