
© Janis Czymoch
Verätzungen und Herzversagen – Warnung vor TikTok-Trend um Aufputschmittel: „Kann Sie umbringen“
Gefährlicher Trend
Missbrauch von Aufputschmitteln: Ein Wettbewerb in den sozialen Medien kann massive Auswirkungen auf die Gesundheit haben, warnt ein Kölner Professor. Der Kinderschutzbund rät Eltern zur Aufklärung.
Auf der Social-Media-Plattform TikTok kursiert zurzeit ein gefährlicher Trend. Prof. Dr. Dr. Patrick Diel vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Sporthochschule Köln warnt deswegen eindringlich: „Ein solcher Schwachsinn geht aus gesundheitlicher und toxikologischer Sicht gar nicht. Der absolute Super-GAU.“
„TikTok“ ist der Name einer der erfolgreichsten Apps der vergangenen Jahre. In kurzen Video-Clips filmen sich Menschen beim Singen, Sport treiben oder bringen kurze Stand-up-Comedy-Einlagen. Ebenfalls beliebt: Gewisse Aufgaben zu kopieren, die irgendwer irgendwann mal aufgestellt hat.
Ein solcher Wettbewerb sorgt zurzeit für Aufregung. Bei der aus dem englischen stammenden „Dry-Scoop-Challenge“ schütten sich die User hoch dosierte Aufputschmittel in den Mund. Das Ganze geschieht, ohne das Pulver - wie eigentlich vorgesehen - vorher zu verdünnen. Für Professor Diel eine „ganz, ganz doofe Idee.“

Einen „Scoop“ – im deutschen Messlöffel – randvoll mit pulverartigem Aufputschmittel nehmen die TikTok-User in der Dry-Scoop-Challenge zu sich. © Janis Czymoch
„Ob ich diese Fitness-Booster nach Vorschriften einnehme oder auf der Mundschleimhaut auflöse, macht einen Riesen-Unterschied. Die lokale Wirkung der Stoffe ist dann eine ganz andere und kann zu großen Schäden im Mundraum führen“, betont der Professor.
Uni-Prof deutlich: „Von Reizungen bis Verätzungen ist alles möglich“
Die von Diel beschriebenen Fitness-Booster heißen in der Fachsprache „Pre-Workout-Booster“, weil sie vor dem Training eingenommen werden, und sind auf dem Markt frei erhältlich. Die üblichen Pre-Workout-Booster enthalten verschiedene Aminosäuren, Kreatin, Koffein, manchmal auch Guarana und andere aufputschende Inhaltsstoffe.
Insbesondere Kraftsportler verwenden sie vor den Trainingseinheiten, um über einen längeren Zeitraum Gewichte bewegen zu können. Bereits diese zweckgebundene Nutzung sieht der Kölner Professor kritisch – die Entfremdung aber noch viel mehr.
„Koffein ist grundsätzlich eine Substanz, die viel diskutiert wird, und sie stand ja auch schon auf der Dopingliste. Das Ganze jetzt aber ohne ein vorgesehenes Wasservolumen zu sich zu nehmen, kann gravierende Folgen haben. Von Reizungen bis regelrechten Verätzungen ist alles möglich“, sagt Patrick Diel.
Neben den lokalen Schäden, die durch die Dry-Scoop-Challenge entstehen können, warnt der Professor aber noch vor einer viel größeren Gefahr.
Aufputschmittel wird durch die Nase gezogen
Denn Patrick Diel ist sich sicher: „Je nach Menge und Regelmäßigkeit der Einnahme kann Sie das definitiv auch umbringen. Insbesondere bei Menschen mit Vorerkrankungen kann bis zum Herzversagen alles passieren.“
Unglaublich: Der Wettbewerb geht teilweise sogar so weit, dass sich die User das Pulver durch die Nase ziehen, wie Kautabak unter die Lippe quetschen oder in Energydrinks auflösen.
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„So hat man viel mehr von der eigentlichen Wirksubstanz. Die Bio-Verfügbarkeit ist bei der Einnahme durch zuckerhaltige Getränke eine viel größere. Alles ganz irre und fatal“, so der Uni-Professor deutlich. Dass besonders junge Menschen beim Thema „Challenges“ gefährdet sind, davor warnt auch der Deutsche Kinderschutzbund.
Aufklärung über Risiken: Kinderschutzbund appelliert an Eltern
So sind Challenges kein komplett neues Phänomen. Mutproben unter Kindern und Jugendlichen, die sich „etwas beweisen“ und Anerkennung erhalten wollen, gab es immer schon, sagt Elena Frense, Fachreferentin für Medien und Digitales beim Kinderschutzbund.
Durch die sozialen Medien sei aber vor allem die größere Reichweite und Sichtbarkeit von Mutproben wie der Dry-Scoop Challenge ein großes Problem. „Kinder und Jugendliche stehen unter einem viel höheren Druck, auf ‚Nominierungen‘ zu reagieren und an Challenges teilzunehmen, da eine Absage mit Schwäche gleichgesetzt wird und daher auch mit Beleidigungen, die das Ausmaß von Hate Speech annehmen können, einhergehen kann“, erklärt Elena Frense.
Tatsächlich könnte den Jugendlichen bei der Dry-Scoop-Challenge dieser Druck sogar von TikTok selbst genommen werden. Laut Community-Richtlinien sind „Inhalte, die Handlungen darstellen oder bewerben, die das Wohlergehen Jugendlicher gefährden könnten“, verboten. Finden sie sich dennoch auf der Plattform, sollen sie von TikTok entfernt werden.
„Ob dies allerdings angesichts der hohen Anzahl an Videos gelingt und wie eng TikTok den Begriff des Wohlergehens fasst, bleibt fraglich“, vermutet Elena Frense. Deswegen seien Eltern und Lehrer in der Pflicht, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen.
„Kindern ist häufig das mit den Challenges einhergehende Gesundheitsrisiko nicht bewusst. Daher sollten Eltern ihr Kind dabei unterstützen, Risiken zu erkennen und richtig einzuschätzen. Zudem sollten sie darauf hinweisen, dass die Weiterverbreitung von Challenges andere Kinder gefährden kann“, sagt die Fachreferentin des Kinderschutzbundes.
Ist passionierter und aktiver Sportler aus dem schönen Bergischen Land und seit 2011, ursprünglich wegen des Studiums, im Ruhrgebiet unterwegs. Liebt die Kommunikation mit Menschen im Allgemeinen und das Aufschreiben ihrer Geschichten im Speziellen.
