Venus Williams schlägt den Tennisball bei einem Match.

Lebt vegan und ist ziemlich fit: Tennis-Profi Venus Williams. Was ist also dran an den Vorurteilen zur veganen Ernährung? © picture alliance/dpa/AP

Veganes Essen macht schlapp und ist teuer - Vorurteile auf dem Prüfstand

rnSerie: Unser Klima

Ernährung: Eine kleine Argumentationshilfe für alle, die auf Fleisch verzichten wollen. Für Soja wird tatsächlich Regenwald gerodet - aber wo landen am Ende die meisten Sojaprodukte?

von Julia Stratmann

19.10.2022, 04:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Vegane Ernährung ist eintönig, unnatürlich und übertrieben – diese und weitere Vorstellungen kursieren über die Ernährungsform. Wir haben die gängigsten Vorurteile gesammelt und auf den Prüfstand gestellt.

Der Mensch braucht Fleisch als Protein

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für Erwachsene eine tägliche Proteinzufuhr von 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht. Proteine übernehmen wichtige Funktionen im menschlichen Körper, zum Beispiel als Baustoff für Zellen und Gewebe. Proteine können über tierische Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier aufgenommen werden. Aber auch über pflanzliche Lebensmittel: Hülsenfrüchte wie Soja, Linsen und Erbsen und auch Getreideprodukte sind wichtige Proteinlieferanten für Veganer. Mit 27 Gramm pro 100 Gramm beinhalten rote Linsen beispielsweise sogar mehr Proteine als viele tierische Produkte.

Veganer essen Soja und zerstören mit ihrem Konsum den Regenwald

Ja, Soja ist ein Bestandteil veganer Ernährung: Egal, ob als Milch-Alternative, Sauce oder in Form von Tofu: Die Bohne ist ein echter Allrounder. Soja ist proteinreich und enthält gesundheitsfördernde Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Kein Wunder also, dass die Pflanzenart bei Veganern beliebt ist.

Der Nachteil: Die zunehmende Nachfrage nach Soja führt zu einer Ausweitung der Anbauflächen. Der internationalen Natur- und Umweltschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) zufolge wird eine Fläche von 2,84 Millionen Hektar für den Sojaanbau beansprucht. Dafür werden besonders in Südamerika große Waldflächen gerodet, was wiederum Einfluss auf den Klimawandel hat.

Was viele jedoch nicht wissen: 2,73 Millionen Hektar – also 96 Prozent der gesamten Sojaanbaufläche – werden für die Erzeugung tierischer Lebensmittel genutzt. Denn Soja wird als Schrot in der Fütterung für Schweine und Hühner verwendet. Nur knapp vier Prozent der Sojaanbaufläche dienen der Erzeugung von pflanzlichen Lebensmitteln.

Vegane Ernährung ist eine Mangelernährung

Für eine gesunde Ernährung ist der DGE zufolge eine vollwertige Mischkost wichtig. Dazu zählen neben Obst, Gemüse und Getreideprodukten auch Fleisch, Milch und Eier. Wer also auf tierische Lebensmittel verzichtet, muss darauf achten, die fehlenden Nährstoffe auszugleichen. Denn besonders das Risiko eines Mangels an Vitamin B12 ist bei Veganern erhöht. Menschen können dieses Vitamin fast nur in tierischen Lebensmitteln zu sich nehmen – fast. Denn mithilfe von Nährstoffpräparaten wird auch bei veganer Ernährung eine ausreichende Vitamin-B12-Versorgung gewährleistet. Um weiteren Mangelerscheinungen vorzubeugen, hat die Techniker Krankenkasse eine Reihe an pflanzlichen Alternativen zusammengestellt.

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Vegane Ernährung schadet den Zähnen

Der Verzicht auf tierische Produkte wirkt sich auch auf Mund und Zähne aus. Darauf weisen die Kieferchirurgen Henrik Andersen und Martin Bonsmann hin. Den Ärzten zufolge neigen Veganer eher zu Karies und Zahnschmelzerosionen. Das liege unter anderem an dem Verzehr von fruchtsäurehaltigen Lebensmitteln. „Diese lösen den Zahnschmelz an und senken über einen längeren Zeitraum den pH-Wert im Mundraum.“ Die Folge: „empfindliche Zähne, Karies und Zahnschmelzerosion“. Deshalb gelte es bei der Zahnpflege von Veganern Folgendes zu beachten: Der Mund muss nach den Mahlzeiten gründlich ausgespült werden. Zur Zahnbürste sollten sie jedoch erst nach 30 Minuten greifen. Denn erst dann binden sich die gelösten Mineralstoffe wieder, und der pH-Wert ist neutralisiert.

Veganer sind schlechte Sportler, denn Veganismus macht schlapp und kraftlos

Für die Überprüfung dieses Vorurteils lohnt sich ein Blick in die Liste der Spitzensportler und -sportlerinnen. Formel-I-Star Lewis Hamilton ist seit 2017 Veganer, Wimbledon-Siegerin Venus Williams ernährt sich rein pflanzlich, und auch Kollege und Tennis-Star Novak Djokovic lebt vegan. Sie gehören zu einer Reihe an Sportlern, die auf tierische Produkte verzichten und dennoch sportliche Höchstleistungen erbringen.

Vegane Ernährung ist teuer

Die Universität Oxford hat diese Behauptung zum Thema einer Untersuchung gemacht. Dabei wurden die Kosten von sieben nachhaltigen Ernährungsformen mit den derzeit üblichen Nahrungsmitteln in 150 Ländern verglichen. Die Studie ergab, dass in Ländern mit hohem Einkommen wie den USA, dem Vereinigten Königreich, Australien und in ganz Westeuropa eine vegane Ernährung am erschwinglichsten ist. Demnach senkt Veganismus die Lebensmittelkosten um bis zu 21 bis 34 Prozent. Im Vergleich dazu reduziert eine Ernährung mit wenig Fleisch und Milchprodukten die Kosten lediglich um 14 Prozent. Veganismus muss also nicht zwangsläufig teuer sein.

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Veganer müssen auf vieles verzichten

Frisch gebratener Speck am Morgen, dazu ein hart gekochtes Ei und Kaffee mit einem Schuss Kuhmilch. Bei Leckereien wie diesen fällt vegane Ernährung nicht immer leicht. Ersatzprodukte können dementsprechend eine gute Einstiegshilfe für Veganer und Vegetarier sein. Mittlerweile gibt es eine breite Auswahl an pflanzlichen Alternativen von Tofu-Würstchen bis zu Soja-Geschnetzeltem.

Ein weiterer Vorteil: Einige vegane Ersatzprodukte schneiden beispielsweise beim Proteingehalts sogar besser ab als verglichene Fleischwaren. Zu diesem Ergebnis kam eine Untersuchung im Auftrag der Albert Schweitzer Stiftung. Nichtsdestotrotz sind die Produkte – besonders wegen ihres hohe Salzgehaltes – in Maßen zu genießen. Doch auch die vegane Küche bietet eine Reihe an leckeren Rezepten.

Avocados auf einem Teller angerichtet

Avocados sind lecker, aber nicht ganz preiswert. Ist veganes Essen nur mit exotischen Früchten möglich? © picture alliance/dpa

Veganer kochen nur mit exotischen Lebensmitteln

Goji-Beeren, Mangos, Avocados und Passionsfrucht – viele Menschen verbinden Veganismus mit exotischen Lebensmitteln. Doch wer nicht nur vegan, sondern auch umweltbewusst leben will, der setzt auf regionale Alternativen. Denn wichtige vegane Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Nüsse und Rohkost, vor allem letztere oft auch aus regionalem Anbau, sind auch im Super- oder Biomarkt nebenan erhältlich.

Veganer essen den Tieren das Essen weg

Ein oft satirisch gemeinter und provokanter Satz, der auch viele Veganer zum Schmunzeln bringt. Mit einem hohen Fleischverbrauch steigt aber auch der Bedarf an Futtermittel. Dies gilt insbesondere für Getreide und Ölsaaten. Auf gut einem Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland wächst laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Getreide. Für den Verzehr wir jedoch nur ein Fünftel des verfügbaren Getreides genutzt, etwa 58 Prozent werden zu Tierfutter. Fragt sich also, wer wem das Essen wegisst?

Veganismus ist übertrieben, für Eier und Milch müssen schließlich keine Tiere sterben

Den Tod anderer Lebewesen nicht verantworten zu wollen, ist ein allgemein akzeptiertes Argument für den Verzicht auf Fleisch. Für ein Glas Milch oder ein Spiegelei muss kein Tier sterben – aber durchaus leiden. Bilder von Massentierhaltungen, Überzüchtung oder Kühen, die nach wenigen Tagen von ihrem Nachwuchs getrennt werden, berühren manche Menschen derart, dass sie tierische Produkte gänzlich ablehnen, um beispielsweise die Milchindustrie nicht zu unterstützen.

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