Udo-Jürgens-Musical ab November in Essen
„Ich war noch niemals in New York“
„Ich war noch niemals in New York“ - das Erfolgs-Musical mit den Hits von Udo Jürgens ist seit fast zehn Jahren auf Tour durch den deutschsprachigen Raum. Die Macher haben die Show noch einmal überarbeitet - und sind zu Gast vom 4. November bis zum 11. Dezember im Essener Colosseum.

„Aber bitte mit Sahne“ darf bei der bunten Aufführung nicht fehlen.
Eigentlich wollte er ja kein Musical, in denen seine Lieder die Hauptrolle spielen. „Schon gar nichts Seichtes. Nichts ausschließlich Komisches. Udo Jürgens steht ja immer auch für Texte mit einem Statement.“ Es war, sagt Carline Brouwer, nicht leicht für die Produzenten, den Sänger, bei dem die Musicalmacher Schlange gestanden haben, davon zu überzeugen, dass es auch anders geht als nur seicht. Nicht leicht war es auch für sie als Regisseurin, Gnade zu finden vor den Augen des Meisters. „Udo hat das Projekt immer ganz eng begleitet“, sagt die gelernte Schauspielerin aus den Niederlanden. Ein Gentleman sei er gewesen, zuvorkommend und großzügig: „Aber wenn er nicht zufrieden war, konnte er durchaus auch anders.“
Dann kam der besessene Udo Jürgens durch. Der Mann, der eigentlich nie mit sich zufrieden war. „Wenn ihm während der Aufführung etwas nicht gefiel, dann hat er auch schon mal von hinten gegen meine Rückenlehne getreten“, erinnert sich Brouwer. Was dazu führte, dass sie sich von da an immer einen etwas weiter entfernten Platz suchte, wenn der Chef anwesend war. „Aber er konnte nicht verhehlen, dass er insgesamt sehr glücklich war mit dem, was wir aus seinen Liedern gemacht haben.“
Und irgendwie ist er ja immer noch da. Trotz seines völlig überraschenden Todes: „Es war ein kompletter Schock für uns alle. Im Oktober vergangenen Jahres haben wir noch seinen 80. Geburtstag zusammen gefeiert. Da war ihm nichts anzumerken“, sagt Choreografin Kim Duddy. „Ich fand schon, dass er stiller war“, widerspricht Gianni Meurer, der im Musical den Griechen Costa Antonidis spielt. Seine Bewegungen hätten sparsamer gewirkt. Nur, als er sich an den Flügel gesetzt habe, da sei die Kraft wieder spürbar gewesen, die immer von ihm ausging.
Acht Jahre ist es her, seit „Ich war noch niemals in New York“ Premiere feierte. Und während andere Musicals Jahrzehnte lang unbearbeitet bleiben, hat man sich in diesem Fall anders entschieden: „Wir haben uns das Script noch mal vorgenommen und gestrafft. Die ganze Show ist jetzt kürzer und knackiger. Dabei ging es nie ums Geld, sondern immer nur ums Theater“, macht Carline Brouwer deutlich. Und natürlich darum, Udo Jürgens gerecht zu werden. Zwei Stunden sind immer noch übrig geblieben, aus 23 Jürgens-Songs wurden allerdings 20. Natürlich darf auch „Merci, Chèrie“ nicht fehlen, das ihn auch in Deutschland populär gemacht hat. „Besonders gefallen hat ihm, dass wir dieses Land in einer Weise eingebaut haben, die augenzwinkernd ist und dem Song das leicht Schmalzige nimmt. Um es klar zu sagen: Es war nie sein Lieblingssong“, erklärt Kim Duddy.
Was bleibt, ist die besondere Mischung der Produktion. Die war es auch, die Udo Jürgens letztlich überzeugt hat, das Wagnis Musical einzugehen. Schwule Männer geben „Griechischer Wein“ zum Besten, und im Mittelpunkt steht ein Thema, das in Zukunft immer wichtiger wird: Wie geht Jung mit Alt um, wo bleibt die Zeit, sich um die Eltern zu kümmern, wenn sie mal nicht mehr so können, wie sie möchten? Fernsehmoderatorin Lisa Wartberg jedenfalls hat nicht mal mehr für Geburtstagsgrüße an ihre Mutter Maria Zeit, die seit Jahren im Seniorenheim lebt und dort Otto Staudach kennenlernt, dem so etwas nicht unbekannt ist. Wie beide schließlich in New York landen und Ottos Sohn Axel Marias Tochter Lisa näher kommt, wird mit immer neuen überraschenden Wendungen erzählt. Den Reiz der Show macht auch das Bühnenbild aus, das einen Ozeanriesen ebenso erscheinen lässt wie Luxuskabine, Sonnendeck, Fernsehstudio oder Landstraße. Broadway pur.
Kräftiger Schuss Comedy
Aber was wäre das alles ohne die Lieder von Udo Jürgens? Und was sind das eigentlich für Lieder, fragt man sich nach 20 völlig unterschiedlichen Titeln. Hat er Schlager gesungen, Chansons oder vielleicht sogar Kabarett gemacht? Uli Scherbel, der den Steward Fred Hoffmann spielt und auf der Bühne seinem Verlobten Costa ein Geständnis machen muss, hat da seine ganz eigene Interpretation: „Udo Jürgens steht für sich allein. Es gibt im Grunde keine Schublade, ihn die man ihn packen kann.“ Ebenso sei es mit der Aktualität: „Udo Jürgens hat nie für den Zeitgeist geschrieben. Er hat sich immer verändert, aber nie angepasst. Und seine Lieder funktionieren ohne Erklärung auch nach Jahrzehnten noch. Seine Rolle spielt Scherbel seit Jahren, „aber es sind immer noch so viele Momente da, die mich immer wieder neu packen auf der Bühne. Wenn der alte Mann zum Beispiel glaubt, seine große Liebe sei tot, und feststellt, dass sie noch lebt, kann es schon mal sein, dass mir heute noch die Tränen kommen.“
Am Abend dann Premiere der neuen Show im traditionsreichen Wiener Raimund-Theater. Schön plüschig ist es da, die ersten Reihen sind reserviert für Menschen, die prominent sind in der österreichischen Hauptstadt. Vorhang auf also für die gekürzte Version der Jürgens-Erfolgsshow. Zwei Stunden lang geht es Richtung Big Apple, mit ein bisschen Sozialkritik, viel alter und junger Liebe und einem kräftigen Schuss Comedy. Die, und das ist sicherlich ein Pfund, mit dem das Musical wuchern kann, kommt von einem, der es kann: Gabriel Barylli immerhin hat das Drehbuch geschrieben – Schauspieler, Schriftsteller und Regisseur, einer, der also alle Seiten des Theaters kennt und weiß, wie schlimm fröhlich und traurig wirken kann, wenn es nicht glaubwürdig rüberkommt.
90 Prozent Zufriedenheit
Eines allerdings kann das Musical nicht: Udo Jürgens wiederbringen. Nicht seinen Charme, nicht seine Stimme, nicht sein Charisma. Und natürlich nicht den Ausnahme-Künstler, der Musikgeschichte geschrieben hat. Seine Lieder von anderen zu hören, bedarf der Gewöhnung, bewusst ist die Cast nicht danach ausgesucht worden, wer dem Meister am nächsten singt.
Am Ende des Abends gibt es stehenden Applaus von allen Rängen und mehrere Vorhänge. Das Ensemble hat befreit aufgespielt, die Rollen sind perfekt und liebevoll besetzt. „Wir wissen ja, dass Udo uns von oben zuschaut. Das haben wir immer im Hinterkopf gehabt, als wir an der Produktion gearbeitet haben“, hat Carline Brouwer am Nachmittag gesagt. Und natürlich wird er nicht hundertprozentig zufrieden sein mit dem, was er gesehen hat. Das war er nie. Aber 90 Prozent dürften der Crew gewiss sein. Und mehr geht ja eigentlich nicht bei einem Udo Jürgens.