Jennifer Angersbach spricht in der Weihnachtszeit mit vielen Singles, die sich einsam fühlen.

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Weihnachten ist ein Katalysator für Konflikte: Paartherapeutin gibt Tipps

rnEinsam im Advent

Es gibt Menschen, die schon im Sommer Angst vor Weihnachten haben. Angst, das Fest der Liebe alleine zu verbringen. Und es gibt Paare, die im Januar keine mehr sind.

Unna

, 30.11.2022, 11:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der erste Advent liegt hinter uns, die Straßen sind festlich beleuchtet und die Weihnachtsmärkte geöffnet. Fest ist schon zum greifen nah. Für viele Menschen ein Grund zur Freude, für einige aber auch der absolute Alptraum. Die Rede ist hier nicht etwa von Weihnachtsmuffeln, sondern von Menschen, die Angst vor dem Alleinsein in der besinnlichen Zeit haben – oder mit dem Weihnachtsstress überfordert sind. Doch es gibt Hilfe.

In den Sesseln der Unnaer Lebensberaterin und Paartherapeutin Jennifer Angersbach sitzen im Dezember viele allein lebende Menschen. „Die Paare kommen dann eher im Januar“, sagt sie. Aber dazu später mehr. Wer sich ratsuchend an die Lebensberaterin wendet, hat in der Regel kein psychisches Problem. Denn dafür ist Jennifer Angersbach gar nicht zuständig. Sie hilft mit ihrer Beratung bei kleinen und größeren Lebenskrisen, gibt Tipps und Hilfestellung, diese zu überwinden. Denn wenn Menschen unglücklich sind, liege meistens keine klinische Ursache wie etwa eine Depression zugrunde. Sie müssen nur beginnen, anders über sich und die Dinge zu denken.

Mit dem ersten Advent startet für einige Menschen auch eine einsame Vorweihnachtszeit.

Mit dem ersten Advent startet für einige Menschen auch eine einsame Vorweihnachtszeit. © dpa

„Einmal habe ich mich mit einer Frau unterhalten, die schon im Juni Bauchschmerzen mit Blick auf Weihnachten hatte,“ sagt Jennifer Angersbach. „Vielen Menschen schießen beim Gedanken an Weihnachten die Tränen in die Augen.“ Die Idealvorstellung, die vom Fest der Liebe und der Familie vorherrscht, trage viel dazu bei, dass die Weihnachtsfeiertage als eine so große Sache wahrgenommen wird. „Aber sind wir doch mal ehrlich? Wer hat schon die perfekte Familie?“, weist die Lebensberaterin dann immer darauf hin, dass auch ein Weihnachtsfest mit dem Partner oder der Familie oft gänzlich unperfekt verläuft.

Situation bewusst annehmen

Wer Weihnachten tatsächlich alleine verbringen muss oder möchte, sollte sich dieser Herausforderung ganz bewusst stellen. Es helfe nicht, sich nur um den Heiligen Abend in Gesellschaft zu verbringen, etwa mit Personen zu treffen, zu denen man ein zerrüttetes Verhältnis hat, oder sich irgendwo selbst einzuladen und dann unwohl zu fühlen. Was Jennifer Angersbach immer wieder vermittelt, ist Selbstachtsamkeit, Selbstliebe und Selbstrespekt: „Man sollte sich auf keinen Fall abwerten lassen, oder selbst abwerten.“

„Vielen Menschen schießen beim Gedanken an Weihnachten die Tränen in die Augen.“
JENNIFER ANGERSBACH, PERSONZENTRIERTE LEBENSBERATERIN

Und warum sollten Gefühle wie Traurigkeit nicht auch oder gerade an Weihnachten erlaubt sein? Fürs Fest ohne Partner und Familie sollten sich Menschen vorbereiten, eindecken mit leckerem Essen und schönen Dingen, die ihnen guttun. Und sie sollten an den Feiertagen auch machen, was ihnen guttut. Es gehöre dabei gerade dazu, sich ganz bewusst auf ein eventuell „trauriges Weihnachten“ einzustellen.

„Guttun“ sollte man dabei keineswegs mit „gesund sein“ verwechseln. Schokolade, Heizdecke und Netflix könnten fürs Wohlbefinden zuträglicher sein, als Meditation und Yoga. Weil man beim Genuss der Schokolade auf sich selbst hört, sich zu nichts zwingt.

Nicht an den anderen orientieren

Statt auf Instagram zu schauen, wie das perfekte Weihnachten der anderen aussieht, sei es übrigens wesentlich hilfreicher für die Psyche, mit einer Filmfigur mitzufühlen – zum Beispiel bei einem kitschigen Drama oder einer Liebeskomödie. Die Auswahl im TV ist an Weihnachten groß. Das habe einen reinigenden Effekt. „Wer sich auf seine Traurigkeit einlässt, lernt, keine Angst mehr davor zu haben.“

Mit ganz anderen Problemen haben es laut der Therapeutin aus Unna Familien und Paare zu tun: „Die sehe ich in der Weihnachtszeit eher selten.“ Und zwar, weil Paare und Familien in dieser Zeit wenig Luft haben, ihre Situation zu reflektieren. Feiern in zwei Freundeskreisen, Familientreffen, die Kinder, die Geschenke, die Weihnachtsdeko, das Essen, die Plätzchen. Klassischerweise bleibe da vieles an der Frau hängen. Sie fühlt sich nicht gesehen, vermisst Anerkennung – und es gibt keine Zeit, das Problem aufzuarbeiten. So nur ein möglicher Grund für Zwist an Weihnachten.

Konflikte entladen sich erst später

Das Konfliktpotenzial ist also da. Der Konflikt entlade sich aber meist erst im Januar, wenn die Feiertage schon eine Weile zurückliegen. Auch für den Weihnachtsstress sei Achtsamkeit der richtige Weg. Es lohne, sich immer wieder selbst die Frage zu stellen, was man wirklich schaffen kann und auch möchte. Und im ganzen Trubel sollten Partner und Familie nicht aus den Augen verloren werden.

„Weihnachten ist ein Katalysator für Probleme.“
Jennifer Angersbach, Personzentrierte Lebensberaterin

Egal, ob alleine verbracht, romantisch zu zweit oder im Kreise der Großfamilie – für alle Konstellationen gelte an Weihnachten eines gleichermaßen, weiß Jennifer Angersbach: „Weihnachten ist ein Katalysator für Probleme.“ Ob man sich nun ungeliebt fühlt, Angst vor dem Alleinsein hat oder zu hohe Ansprüche an sich selbst und andere stellt – diese Probleme sind eigentlich immer da, sie treten im Advent nur deutlicher zu Tage.

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