Der Peter gibt Gas. „Klar“, sagt er und schaltet einen Gang höher, „aber nie mehr als Lkw-Geschwindigkeit.“ Der ehemalige Polizeibeamte (73) schaut seine Frau Gisela (64) an und lacht zufrieden. Die Poremskis sind keine „Heizer“. Sie erkunden die Welt mit Tempo 90. Und Weihnachten kehren sie immer zurück in den „Pott“, zu ihren Lieben – und nach Recklinghausen ins Gasthaus. Dort, wo die Ärmsten der Armen Hilfe finden, feiern sie mit ihnen und all den engagierten Helferinnen und Helfern den Heiligabend.
Als Bezirksbeamter kannten ihn viele Recklinghäuser
Eine Armbanduhr trägt er schon lange nicht mehr. Genau genommen seit dem 1. März 2011. An diesem Tag nämlich endete Peter Poremskis Zeit als Bezirksbeamter auf Streife durch die Altstadt Recklinghausens, begann sein Leben als Ruheständler – und Reisender. Ohne Termindruck. „Wir genießen unsere freie Zeit, sind viel unterwegs“, erzählt der Mann mit der gesunden Bräune. Gute Laune, Gelassenheit, Lebensfreude, all das ist ihm anzusehen. „Das war die richtige Entscheidung“, erklärt er und drückt aufs Gaspedal. Die Poremskis leben ihren Traum. Nur knapp die Hälfte des Jahres verbringen die beiden noch in Deutschland.

Dabei hat Poremski seinen Job geliebt. Sehr sogar. Er nickt. 18 Jahre lang verstärkte er die Hundertschaft, dann war er 20 Jahre lang als Bezirksbeamter aus der Innenstadt nicht wegzudenken. Dort gehörte er zum vertrauten Bild: im Gespräch mit Passanten, den Einzelhändlern, aber auch mit Parksündern oder Taschendieben und immer wieder mit den Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, den Bettlern und Obdachlosen.
Genau darum besucht er am 24. Dezember die Weihnachtsfeier im Gasthaus an der Heilige-Geist-Straße, sogar noch elf Jahre nach dem Abschied aus dem Polizeidienst. „Sie ist uns ans Herz gewachsen. Wir genießen die positive Stimmung. Die Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit sind groß“, sagt Peter Poremski. Er freut sich stets darauf, sich mit den Gästen, den „Freunden der Straße“, zu unterhalten. Doch bis es so weit ist, müssen sie noch einige Kilometer fahren.
Der Pippo aus Sizilien ist ein guter Freund geworden
(Fast) die ganze Welt haben die beiden schon gesehen. Ob Spanien oder die USA, Italien oder Marokko, Griechenland oder Albanien, Frankreich oder Skandinavien: „Wir besitzen kein festes Ziel, lassen uns treiben, halten dort, wo es uns gefällt“, berichtet der 73-Jährige. Obwohl: So ganz stimmt das nicht mehr, denn vor sieben Jahren hat das Paar Pippo kennengelernt. Der vermietet Wohnmobil-Stellplätze mit Meer-Blick im Südosten Siziliens in Pozzallo und ist längst zu einem Freund geworden. Und ein guter Koch ist er noch dazu. Peter und Gisela Poremski lieben die einheimische Küche und lassen sich gerne von Pippo verwöhnen. So werden aus Tagen schnell Wochen und Monate. Rund 2500 Kilometer trennen sie dann von der Heimat. Zehnmal waren sie schon dort.

„Bei uns geht es immer gemächlich zu“, verrät der gebürtige Grullbader. Seit 40 Jahren leben die Poremskis in Datteln-Ahsen. Und besagten „Tag X“, den Tag, an dem der Rest des Lebens beginnen sollte, hatten sie lange geplant. „Meine Frau ist viel jünger als ich, und ich wollte nicht zehn Jahre lang jeden Tag aus dem Fenster schauen, die Kartoffeln schälen und darauf warten, dass sie endlich nach Hause kommt“, meint er fröhlich. Darum haben sie fleißig gespart, und so konnte sich auch Gisela Poremski, die bis dato in der Kreisverwaltung gearbeitet hatte, am 1. März 2011 ihren Lebenstraum erfüllen: herrliche Reisen im Wohnmobil.
Im Wohnmobil gibt es garantiert keinen Ehekrach
Ihre Beziehung hat darunter nicht gelitten. „Andere Paare verkraften es nicht, plötzlich rund um die Uhr zusammen zu sein. Für uns war das kein Problem“, berichtet der Weltenbummler. Was vielleicht an der strikten Aufgabenteilung liegt. „Zu Hause ist sie die Chefin, im Wohnmobil habe ich das Sagen.“ Na ja, fast. „Sie macht die Reiseleitung, sagt, wo es lang geht“, räumt er ein und strahlt. Schließlich ist Poremski wieder bei seinem Lieblingsthema angelangt: das „Appartement auf vier Rädern“. 1985 kauften die zwei ihr erstes. Mittlerweile fahren sie den 14. Giganten.

Dann lenkt der „Herr des Hauses“ den 7,99-Meter-Riesen (Glück gehabt, ab acht Meter wird es auf der Fähre teurer) lässig über die Straßen. Denn unterwegs wollen Peter und Gisela nicht auf Luxus verzichten. Schlechte Erfahrungen haben die beiden noch nie gemacht – weder mit dem Wagen noch mit den Leuten. Dafür haben sie viele wertvolle Freundschaften geschlossen. „Außerdem kann überhaupt nichts passieren“, sagt Gisela entschieden und beugt sich vertrauensvoll nach vorne, so als wolle sie ein Geheimnis verraten, „ich habe doch die Polizei dabei.“ Der ehemalige Bezirksbeamte, den (fast) jeder in der Altstadt Recklinghausens kannte, schaut seine Frau liebevoll an.
Große Freude auf das kleine Enkelkind
Doch genug geredet. Die Heimat wartet. Tochter Sandra und der Schwiegersohn. Und auch der kleine Karl. Auf ihr zweijähriges Enkelkind freuen sich die Poremskis besonders. Nicht zu vergessen: die Gasthaus-Weihnachtsfeier!
Und wie ist es, nach so vielen Wochen wieder in einem richtigen Bett zu schlafen? „Ungewohnt“, sagt Peter Poremski. Pause. „Aber wenn ich ehrlich bin“, er grinst, „übernachte ich lieber im Wohnmobil.“ – Doch nicht in Datteln-Ahsen. Da hat seine Chefin noch ein Wörtchen mitzureden…
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